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Eschers zauberhafte Urenkel

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Es ist bereits drei Jahre her, dass das britische Studio UsTwo Games seinen preisgekrönten Perspektiv-Puzzler Monument Valley veröffentlichte. So viel Zeit zwischen Projekten lassen sich ja häufig nicht einmal die Entwickler der großen AAA-Game-Franchises (selbst zwischen dem heiß-ersehnten Star Wars: Battlefront und dem beinahe schon kriminell enttäuschenden Star Wars: Battlefront 2 vergingen nur knapp zwei Jahre). Andererseits war schon das erste vor M.C.-Escher-Anleihen nur so wimmelnde Spiel der Briten ein solch feingeschliffenes Meisterwerk, dass die lange Wartezeit auf seinen Nachfolger wohl einen berechtigten Grund hatte.

Aber hat sich das Warten auch gelohnt? Die Herausforderung, vor der jede Fortsetzung einer gelungenen Idee steht, ist schließlich, diese Idee auf interessante Art und Weise weiterzuspinnen. Und gelungen kann man die Idee von Monument Valley damals wohl nennen: Man nehme die Perspektivenspiele, die M.C. Escher einst auf Papier anstellte, und übersetze sie in die interaktiven Welten eines Videospiels – und das Ganze in einem höchst anmutigen Design-Almagam aus zeitgenössischem Minimalismus und morgenländischer Architektur. Auch eine in Andeutungen und Bildern umrissene Geschichte erzählte das Original, in der große Themen wie Versöhnung und Bestimmung in leisen Tönen anklangen. Und es scheint, als hätten die Köpfe hinter dem Spiel die einzig richtige Entscheidung getroffen, wie man eine solche Idee sinnvoll weiterentwickeln kann.

Monument Valley 2
Monument Valley 2

Die grundlegende Spielmechanik, so war wohl auch den Entwicklern klar, kann kaum noch so große Überraschungen bergen, wie es das erste Spiel mit seiner Einzigartigkeit tat. Ja, hier und da darf man, vor allem in den späteren Kapiteln, einigen neuen Aktionen zusehen, und auch allgemein scheint die Welt in der Fortsetzung mehr in Bewegung und nicht mehr immer ganz so abstrakt – fast möchte man „belebt“ sagen. Doch das ganz große Staunen blieb für mich hier aus.

Nicht, dass die Levels nicht immer noch makellos in ihrer Eleganz sind und wunderbar märchenhaft in ihrer Vollendung – langweilig wurde mir auch hier zu keinem Zeitpunkt. Doch es war diesmal weniger dem Spiel mit der Perspektive zu verdanken, das mir inzwischen doch recht vertraut war, sondern vor allem der wesentlich stärker in den Vordergrund gestellten Geschichte, die Monument Valley 2 erzählt. UsTwo hat die Chance genutzt, in ihrer entrückten Welt ein weiteres tiefschürfendes Themenfeld auf charmante, nuancierte und dabei stets sachte Weise anzuschneiden: die Herausforderung einer Mutter, das heranwachsende Kind loszulassen.

Mehr soll hier auch gar nicht verraten werden. Doch diese einfache Idee, eine Mutter ihr Wissen um das unmögliche Tal der Monumente ihrem Kind weitergeben zu lassen, während sie gleichzeitig lernen muss, dass ihr Nachwuchs dabei seinen eigenen Weg geht, wird sowohl stimmungsmäßig als auch spielmechanisch perfekt umgesetzt – und macht aus Monument Valley 2 ein zwar etwas anderes, aber mindestens ebenso denkwürdiges Abenteuer wie seinen Vorgänger. Als wäre den Machern in irgendeinem Meeting die ganz simple Idee gekommen, die „zweite Generation“ ihres Spiels einfach wörtlich zu verstehen. Es war die beste Idee, die sie haben konnten.

Monument Valley 2 · UsTwo Games · im App Store und bei Google Play 

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Rückkehr nach Belzagor

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Der 1935 geborene Robert Silverberg (im Shop) gehört zu den Großmeistern der amerikanischen Science-Fiction, der mehrfach den Hugo, den Nebula und den Locus Award erhielt. Ab November 1969 wurde seine Geschichte „Downward to the Earth“ serialisiert im Magazin „Galaxy Science Fiction“ abgedruckt, kurz darauf folgte die Romanfassung in Buchform, und 1973 erschien die deutsche Übersetzung von Walter Brumm als „Die Mysterien von Belzagor“ erstmals bei Heyne. Der französische Szenarist Philippe Thirault und die italienische Zeichnerin Laura Zuccheri haben den Roman mit all seinem außerirdischen Sense of Wonder nun in Comic-Form adaptiert. Das erste von zwei Hardcover-Alben ist gerade bei Splitter auf Deutsch erschienen.


Die Comic-Adaption

Vor Jahren beuteten irdische Siedler die fremdartigen Bewohner der Kolonialwelt Terra Holman aus. Inzwischen hat der Planet seine Unabhängigkeit zurück, trägt wieder seinen früheren Namen Belzagor und gehört seinen Ureinwohnern, allen voran den grünen, aus menschlicher Sicht elefantenartigen Nildoror. Das neue alte Belzagor ist ein Paradies für Ethnologen der Exoplaneten, weshalb das Wissenschaftlerpaar Wingate sich an die Erkundung seiner Geheimnisse machen möchte. Begleitet werden sie von Eddie Gundersen, der früher auf Terra Holman stationiert war. Gundersen soll die Wingates durch die Wildnis führen, um unter einer Konjunktion von Belzagor und seinen fünf Monden einem seltenen Ritual der Nildoror beizuwohnen. Doch natürlich müssen einige diplomatische, interkulturelle und zwischenmenschliche Hürden überwunden werden, während Gundersen von seiner giftigen Vergangenheit eingeholt wird. Zudem kommt er den Nildoror näher, als ihm lieb ist …


Dt. Erstausgabe des Romans

Philippe Thirault, der 1967 in Paris geboren wurde, arbeitete in der Vergangenheit mit Vielschreiber Christophe Bec an „Genesis“ zusammen, einem Spin-off zur beliebten SF-Serie „Heiligtum“, die Bec als Zeichner mit Autor Xavier Dorison erschaffen hat. Thirault und Bec wandten sich in ihrem Nachtrag allerdings der Vergangenheit zu. Überhaupt liegt Thirault das Historische: Seine Hardboiled-Serie „Miss“ und sein Südstaatenmärchen „O’Boys“, die beide im rassistischen Amerika der 30er angesiedelt sind, waren ebenfalls Ausflüge ins Gestern.

In „Rückkehr nach Belzagor“ jongliert Thirault nun mit der Zukunft, die Robert Silverberg sich als futuristische Metapher für die Kolonialisierung und als SF-Hommage an Joseph Conrads Roman „Das Herz der Finsternis“ ausdachte, und die er obendrein mit seinem Lieblingsthema Transzendenz kombinierte. Und obwohl Thirault nicht vermeiden kann, dass man hin und wieder das Alter der Vorlage und ihrer gesellschaftlichen Bezugspunkte spürt, funktioniert das klassische Science-Fiction-Abenteuer in Comic-Form noch immer ziemlich gut. Außerdem erhält die Adaption den gewaltigen Sense of Wonder Belzagors und der Nildoror-Kultur, ja verstärkt ihn sogar deutlich, was freilich nicht zuletzt der Verdienst von Laura Zuccheri ist. Die Italienerin, die sich das Zeichnen und Malen selbst beigebracht hat, kennt man hierzulande primär für die Science-Fantasy-Serie „Die gläsernen Schwerter“. An ihren Figurentypen hat sich nicht viel geändert, da schwankt sie wie gehabt zwischen hölzern und ausdrucksstark. Dafür kann sie bei der Abbildung der exotischen Flora und Fauna Belzagors groß auftrumpfen hier unter anderem ihre Vorliebe für den russischen Maler Iwan Iwanowitsch Schischkin kanalisieren.

Der Grat zwischen klassisch und altbacken ist gerade in der Science-Fiction ein schmaler – Thiraults und Zuccheris Silverberg-Adaption kämpft des Öfteren mit diesem Problem, drückt aber trotzdem meistens die richtigen Knöpfe und hat von einer wahren Genre-Legenden eben eine wunderbare Kulisse und eine Story mit einigen Überraschungen an die Hand bekommen. Eigentlich erstaunlich, dass Hollywood sich den Stoff nicht längst vorgenommen hat, obwohl man ein halbes Jahrhundert Zeit hatte. Na, vielleicht fällt diese Panel-Adaption, die im Februar selbst auf den US-Markt exportiert wird, ja jemandem bei Netflix oder Amazon in die Hände.

Robert Silverberg, Philippe Thirault, Laura Zuccheri: Rückkehr nach Belzagor – Episode 1• Splitter, Bielefeld 2017 • 56 Seiten • Hardcover: 14,80 Euro

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Ein Traum von Mond

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Eigentlich müsste an dieser Stelle ein Review des vor wenigen Wochen erschienen Nachfolgers Finding Paradies folgen. Nicht nur das: To The Moon ist in seiner ursprünglichen PC-Fassung schon vor Jahren erschienen und selbst die Mobil-Version für IOS und Android kam bereits Mitte 2017 auf den Markt. Doch da dem geneigten Rezensenten erst im Zuge des Nachfolgers der Erstling in seiner ungetrübten Pixelpracht so richtig vor die Augen kam und er es gerade trotz eines frisch angebrochenen Jahres für notwendig hält, dieses feine Juwel ein wenig zu bewerben, lassen wir mal jede Aktualität außen vor. 

Mit ihrem in allen Gameplay-Belangen herrlich altmodischen To The Moon, gelang Freebird Games eines der sympathischsten, emotional berührendsten Story-Adventures der letzten Jahre. Erzählt wird darin die Geschichte eines Sterbenden namens Johnny Wyles, der sich nichts sehnlicher wünscht, als zum Mond zu fliegen. Dies ist zwar aufgrund seines Zustandes nicht (mehr) möglich, doch in der Gegenwart des Games gibt es für solche Träume die Firma Sigmund Corp., die - ähnlich wie in den filmischen Meisterwerken Inception oder Vergiss mein nicht! - künstliche Gedanken in die Gehirne ihrer Kunden einpflanzen und somit deren Lebenserinnerungen retrospektiv manipulieren kann. Allerdings dürfen nur Sterbende auf die Dienste der Firma zurückgreifen, da es in Folge der Manipulation zu Dissonanzen kommen und so der Patient schweren (psychischen) Schaden nehmen könnte. 

Wir schlüpfen in To The Moon in die Rolle der beiden Sigmund-Doktoren Eva Rosalene und Neil Watts, die nun in Johnnys Erinnerungen eindringen, um diese mithilfe sogenannter Mementos zu verändern und damit seinem Leben einen buchstäblich anderen Sinn verleihen. Das Gameplay besteht dabei vorwiegend aus vielen Dialogen und einfachen Erkundungen, wobei das Erzähltempo entsprechend gediegen ausfällt und mittels Zeitsprüngen nicht chronologisch stringent vorangetrieben wird.

Damit richtet sich der Titel weniger an Zocker mit Kämpfer- oder figurativem Entwicklungsdrang, sondern einschlägig an Freunde herzerwärmender Plots, die sich auf eine Grafikerzählung alter Schule einlassen möchten. Johnnys Leben war geprägt von gleich mehreren Tragödien um Verlust und Krankheit, die Freebird Games trotz (oder gerade aufgrund) des Retrostyles der Grafik sowie der überraschend stimmigen Soundkulisse in besonders einfühlsame Szenen kleidet. Dass es die Macher bis zum Schluss durchhalten, ihrem Storyverlauf weder unnötige Längen noch ein wie für viele gerade ältere Games völlig unbefriedigendes, weil oft sehr abruptes Ende überzustülpen und dem Ganzen einen wunderbar bittersüßen Abgang zu bereiten, verdient auch Jahre nach dem ursprünglichen Release ein Extralob. 

Fazit

Wer sich zum kleinen Preis auf ein umfangreiches Storyerlebnis voller Pixelzauber mit futuristischer (Lebens-)Philosophie und tragischer Wärme einlassen will, sollte To The Moon eine Chance geben. Und bei Gefallen selbstverständlich auch besagte Fortsetzung Finding Paradies in Augenschein nehmen, die zwar nicht direkt an Johnnys Story anschließt, jedoch ein Wiedersehen mit den Sgmund-Doktoren und einigen weiteren Elementen bereithält. Beides eine echte Empfehlung! Neumodischen Kram ohne Herz gibt es schließlich eh genug.

To The Moon• Freebird Games • Retro-Adventure

Abb. © Freebird Games

 

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Prügelnd und schießend durch Louisianas Sümpfe

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Dass Entwickler- und Publisherlegende Capcom durchaus auf die Belange geifernder Videospielfans eingeht, wurde mit dem grandiosen „Resident Evil VII: Biohazard“ unter Beweis gestellt. Bei der Preisgestaltung von Seasonpässen und der DLC-Politik fuhr Capcom jedoch häufig den Karren gegen die Wand. „Resident Evil VII“ blieb da keine Ausnahme bei einem sehr teuren Seasonpass (€29,99) der bislang recht wenig bot mit den spaßigen, aber durchwachsenen „Verbotenen Filmmaterialien“. Einzig Hoffnung versprechen die beiden am 12. Dezember 2017 zeitgleich veröffentlichten DLC-Packs „Not a Hero“ und „End of Zoe“, welche nicht nur große offene Fragen des Hauptspiels beantworten sollen, sondern auch die „RE7“-Erfahrung abrunden.

Bei „Not a Hero“ handelt es sich um den am Ende des Hauptspiels angeteaserten, kostenlosen DLC, der uns endlich in die Rolle des Serienveterans Chris Redfield schlüpfen lässt und das große Mysterium um die neue blaue Umbrella-Corporation beantwortet, der Held Chris angehörig ist. „Not a Hero“ sollte ursprünglich bereits im Juni für alle Spieler frei zugänglich erscheinen, wurde aber aufgrund zweifelhafter Qualität seitens Capcom selbst auf Dezember verschoben und hausintern weiterentwickelt. Während Grusel und Horror noch das Hauptspiel regierten, so lässt uns der DLC actiongeladener gegen die B.O.W.s (Bio-Organic Weapons) vorpreschen, ganz wie wir es in den letzten Jahren von Chris Redfield gewohnt waren. Sogar die aus „RE5“ bekannten Quick-Time Punch-Einlagen kehren in limitierter Form zurück, während wir strauchelnde „Geformte“ (die schwarzen Teer-Gegner) per Schultertaste umhauen.

Der Großteil des äußerst kurzen „Not a Hero“ spielt in der Mine, die wir bereits aus dem Hauptspiel kennen. Diese fungiert als eine Art Mini-Hub, ähnlich dem Haus in „RE7“, wo es diverse Schlüssel und Items zum Voranschreiten zu finden gibt. Aber selbst bei einer Spielzeit von knapp 90 Minuten fühlen sich die Minenabschnitte gestreckt und überzogen an. Dafür entschädigt jedoch der finale Abschnitt und der gewohnt gute, klassisch anmutende Bosskampf. Lediglich die erhofften Storywendungen um Umbrella, Lucas Baker (der am Ende des Hauptspiels immer noch als entflohen galt) und Chris lassen zu wünschen übrig. Chris’ Verbindung zur ursprünglich bösen Umbrella-Corp wird gleich zu Beginn in drei lausigen Sätzen abgetan und auch sonst spielt sich der DLC eher wie eine unterhaltsame Dreingabe, statt eines lang erwarteten Abschlusses.

Und wenn wir schon bei falschen Erwartungen und Irreführung sind:

„End of Zoe“ wurde noch im September von Brancheninsidern mit den Worten angepriesen, ursprünglich ein Konzept für ein vollwertiges „Resident Evil 8“ gewesen zu sein und lege vollen Wert auf Grusel. Dies sollte von der Tatsache unterstützt werden, dass sich Entwickler des inzwischen legendär gewordenen „P.T.“ von Guillermo del Toro und Hideo Kojima der Entwicklung von „End of Zoe“ anschlossen. Große Worte, die beim grandiosen „Resident Evil 7“ hohe Erwartungen schüren. Was einen aber im Zusatzpack erwartet ist ernüchternd.

Wir schlüpfen in die Rolle des bislang unbekannten Joe Baker, Bruder von Baker-Familienoberhaupt Jack, der einsam in den Sümpfen lebt und geweckt vom Tumult um die B.O.W.s auf eine sterbende Zoe trifft. Diese will mit einem Serum gerettet werden und so macht sich Joe auf nach einem Heilmittel zu suchen und stellt sich nur mit seinen Fäusten gewappnet den Geformten, Alligatoren und weiteren Zombieunwesen.

Ihr habt richtig gelesen: Nur mit seinen Fäusten gewappnet. Denn „End of Zoe“ spielt sich wie eine Mischung aus einem Brawler, „RE7“ und dem klassischen „Super Punch-Out!!“. Wir prügeln per Links-Rechts-Kombinationen mit Geraden, Kinnhaken und linken Haken auf die Gegner ein und entledigen sich ihrer hin und wieder per Quick-Time-Event. Der DLC ist ebenso kurz wie „Not a Hero“ mit einer etwaigen Spielzeit von 90 Minuten und hinterlässt gerade bei einem Einzelpreis von €14,99 einen äußerst bitteren Beigeschmack, wenn man nicht Besitzer des Seasonpasses ist. Da hilft auch kein kostenloser „Not a Hero“-DLC. Die gesonderten Qualitäten will man „End of Zoe“ nicht absprechen, denn der DLC macht nichtsdestotrotz großen Spaß und gerade die sumpfigen Territorien sind der hohen Qualität des Hauptspiels entsprechend hübsch entworfen. Jedoch tut sich Capcom hier keinen Gefallen. Der äußerst hohe Preis für fast nicht-existente Spielzeit wird selbst Seasonpass-Besitzern ein Dorn im Auge sein, denn da bieten andere Entwickler deutlich mehr, für weitaus weniger Geld.

Der Seasonpass ist rückblickend zwar eine erheiternde und abwechslungsreiche Erfahrung, die dem horrorlastigen „RE7“ neue Facetten verschafft, aber Fans des Hauptspiels wohl vor den Kopf stoßen wird. Das komplett kostenlose „Not a Hero“ darf man ruhig eines intensiven Blickes würdigen, aber bei „End of Zoe“ wartet man lieber auf eine Preissenkung des Seasonpasses oder doch gleich auf die am 2. Februar 2018 erscheinende „Gold Edition“ von „Resident Evil VII: Biohazard“, die dann alle Seasonpass-DLCs samt Hauptspiel auf einer Disk vereint.

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Last Frontier

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Es mag ein wenig überraschen, dass zu den stärker kommunizierten Titeln von Sonys exklusiver Playlink-Reihe (dazu hier nochmal unser Review zu Hidden Agenda, in dem der zugängliche Ansatz von Playlink genauer erklärt wird) nicht das Adventure Planet der Affen: Last Frontierzählte. Immerhin erschien der Titel Ende letzten Jahres (logischerweise für PS4) und hätte so noch ein wenig vom Glanz des insgesamt gelungenen Finales der Kinotrilogie abschöpfen können (auch dazu sei nochmal auf unseren Review verwiesen). Last Frontier orientiert sich explizit an den Filmen und erzählt eine gut dreistündige Story, die zwischen dem zweiten und dritten Film angesiedelt ist, jedoch mit einigen neuen Figuren eine insgesamt eigenständige Handlung entwickelt. Kenntnisse der Vorlage sind insgesamt essentiell, um den Plot wirklich genießen zu können.

Wir übernehmen sowohl die Rolle der Affen wie ihrer menschlichen Gegenspieler in Person von Affenführer-Sohn Bryn und Menschen-Leaderin Jess, die ganz im Sinne der Vorlage in den USA einen erbitterten Kampf um die jeweilige Existenzberechtigung bzw. der Machtansprüche ausfechten. Innerhalb der Sequenzen gibt es spielerisch allerdings kaum etwas zu tun. So erschöpft sich das Gameplay in der Auswahl verschiedener Dialog- und damit verbundener Handlungsoptionen, aus denen variierende Erzählfäden gesponnen und am Ende der Durchgang mit einem von drei Abspännen belohnt wird. Rätsel oder echte Action vermisst man dabei allerdings komplett. Mehr als ein paar Buttonclicks, um beispielsweise Waffen in bestimmten (Entscheidungs-)Situationen abzufeuern, gibt es nicht. Adrenalin- und Geschicklichkeitsfans sollten daher eine von den sehr actionlastigen Filmen evozierte Gameplay-Erwartung sofort fallenlassen. 

Spötter würden sagen, dass selbst die spielerisch ohnehin schon reduzierten Telltale-Abenteuer noch mehr Gameplay bieten würden; allerdings punkten die in der von Last Frontier ebenfalls ausgerufenen Kernkompetenz des Storytellings mit einer Qualität, die dem Planet der Affen-Game über weite Strecken abgeht, nämlich Subtilität. Denn während die meisten Telltale-Games permant eine latente Spannung über die Konsequenzen selbst kleinerer oder vermeintlich nebensächlicher Dialoge am Köcheln halten, holt Last Frontier zu oft die narrative Brechstange raus und bietet uns zu klar in ihren Folgen vorhersehbare Situationen an.

Gerade als Playlink-Titel, der per se verstärkt auf ein Gaming in der Gruppe inklusive (im besten Fall) kontroverser Diskussionen über einzelne Optionen nach sich ziehen sollte, fallen die Abzweigungen häufig zu schematisch zwischen gut und böse aus. Der Wiederspielwert erhöht sich eigentlich erst, wenn man mit mindestens einer Seite komplett auf Angriff setzt und jede Chance auf friedliche Koexistenz völlig untergräbt. Da wäre trotz einiger konsequent harter Szenen rund um Folter und die Wahl der Mittel definitiv mehr drin gewesen und so bleibt unter dem Strich ein erzählerisch solider, aber eben nicht ausgereizter Ritt durch den Planet der Affen-Stoff, der eigentlich mehr (moralisch-politische) Tiefe anbieten würde.

Auf der Habenseite verbucht das Adventure seine gelungene Inszenierung, die es ohne echte Highend-Grafik versteht, eine sehr überzeugende Kinoatmosphäre zu kreieren. Nicht umsonst ist Last Frontier genau genommen ein Cinematic-Adventure, das eher als interaktiver Film und weniger als Game betrachtet werden sollte und will. Steuerung und Sound bewegen sich ebenfalls auf gutem Niveau, sodass wir an der Performance nicht wirklich meckern wollen. 

Fazit

Guter Ansatz, ordentliche Umsetzung, leider trotzdem kein rundum überzeugendes Ergebnis. So oder so ähnlich ließe sich das Planet der Affen-Adventure von The Imaginarium Studios auf wenige Nenner bringen. Speziell das zu schematische Storytelling ohne jeden spielerischen Anspruch lässt Last Frontier nicht aus der Masse an primär narrativ ausgerichteten Adventures herausstechen. Fans der Kinoreihe sollten aber auch ohne wirklich brillante Story schon aufgrund der filmreifen Atmosphäre einen Blick drauf werfen; Gameplay-Puristen, denen schon die Telltale-Titel zu wenig Action bieten, dürften mit anderen Adventures aber deutlich besser bedient sein. 

Planet der Affen: Last Frontier• The Imaginarium Studios • Cinematic-Adventure

Abb. © The Imaginarium Studios

 

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Möge die Enttäuschung mit dir sein

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Auch wenn die Gamer-Szene trotz aller Scharmützel um bestimmte Konsolenpräferenzen und Wertungsdiskussionen in Fachmagazin-Foren im Allgemeinen nicht zwingend zu den hitzigsten Debattenkulturen der Welt zählt, legte sich Ende letzten Jahres ein mehr als veritabler Shitstorm über die Macher von Battlefront 2. Der Grund: das latent glückspielhafte und damit latent fragwürdige Bezahlmodell bei den sogenannten Lootboxen. Für diese Item-Boxen, die man in Battlefront 2 zur Aufwertung der Fähigkeiten seiner Figuren vorfindet und für deren Inhalte man letztlich echtes Geld hinblättern sollte, ohne vorab Einblick in den dann tatsächlich erworbenen Content zu erhalten (natürlich ohne nachträgliches Rückgaberecht!), wurde der ohnehin marketingtechnisch ramponierte Ruf des Star Wars-Franchises weiter massiv beschädigt. Die gewaltige Konsumentenempörung über so viel Dreistigkeit führte letztlich zu einer (vorübergehenden?) Kehrtwende in Form einer Aussetzung des Bezahlmodells. Da sich in der Folge sogar die Politik mit dem Phänomen Lootboxen als potenziell gesetzlich zu reglementierendes Glücksspiel beschäftigte, ging Battlefront 2 trotz einiger Vorschusslorbeeren (so auch bei uns) auf PS4, Xbox One und PC insgesamt mit einer schweren Imagebürde an den Start.

Auf dem Papier klingt das von Publisher EA und Entwicklerstudio Dice versprochene Shooter-Paket zunächst dennoch wie ein feuchter Nerdtraum, der sich nicht ausschließlich um Carrie Fisher und ihre verschiedenen Outfits dreht: Neben einem saftig aufgemotzten Multiplayer mit Figuren, Welten und Gadgets aus allen Epochen der Saga, einer im Gegensatz zum Vorgänger nun vorhandenen Singleplayer-Kampagne, die mit neuer „Heldin“ (einer Imperialen wohlgemerkt!) und offiziell im Kosmos anerkannter Plotline zwischen Teil 6 und 7 aufwartet, sollte Battlefront 2 auch mit einer technisch atemberaubenden Inszenierung für Begeisterung bei Fans und Neulingen sorgen. Nun mag gerade letzteres tatsächlich eingetreten und die beiden anderen Versprechen auch nicht gebrochen worden sein. Dennoch ernüchtert das Ergebnis auf ganzer Linie, da es die Macher gerade konzeptionell und designtechnisch an allen Ecken verpassen, ihrem Grafikblender den nötigen Gameplay-Spaß zu entlocken.

Aber der Reihe nach und damit zunächst zur Singleplayer-Kampagne, die dem Vorgänger wie gesagt noch komplett abging. Darin übernehmen wir die Rolle der Commanderin Iden Versio, aus deren Sicht wir die Ereignisse zum Ende von Episode 6 und der damit verbundenen Zerstörung des zweiten Todessterns inklusive dessen Folgen erleben. Zusammen mit ihrem Team weiterer imperialer Elitesoldaten erfüllt Iden Aufträge auf Geheiß ihres Vaters, der als General auch nach dem Tod des Imperators dessen Willen posthum ausführt und dabei vor keiner Härte gegen sich und seine Tochter zurückschreckt. Doch Iden ist beileibe nicht unser einziger spielbarer Charakter. Im Verlauf der gut 6-stündigen Handlung mit ihren zunächst 13 Kapiteln dürfen wir gleich mehrfach in die Haut berühmter Recken wie Han Solo oder Luke Skywalker schlüpfen und uns dabei vor allem über die Originalsprecher und entsprechende Skills freuen. Mit Lukes Lichtschwert und einigen Machtfähigkeiten imperiale Truppler aufzumischen macht kurzfristig ähnlich viel Freude wie mit dem Millenium Falken Luftgefechte auszutragen oder mit Leia heftige Straßenschlachten im Königreich Naboo zu überleben.

Die Geschichte um Iden reiht sich dabei leider in ihrer Vorhersehbarkeit und erzählerisch uninspirierten Art in die nur zu oft gezeigten Schwächen der jüngeren Star Wars-Filme ein. Psychologischen Feinschliff oder ein wirkliches Eintauchen in die Gedanken und Motivationen der Figuren, sollte man ebenso wenig erwarten wie eine wirklich packende Geschichte. Klar, die Atmosphäre stimmt und die vielen langen Zwischensequenzen sorgen für echte Kinounterhaltung. Doch ähnlich wie Episode 7 wirkt jeder Einsatz eines bereits bekannten Star Wars-Ikonen nur wie ein letztlich banales Wiedersehen mit kurzer Verweildauer, ohne wirklich Substanzielles beizusteuern. Ebenso schnell und oft wechseln wir zwischen Flugduellen und Bodenaction, wobei sich aufgrund der vielen Figuren keine dauerhafte Identifikation einstellen will. In beiden Spielarten stellen wir uns meist im Verbund mit mehreren Mitstreitern einer gnadenlosen Übermacht schießwütiger KI-Gegner und klappern streng linear vorgegebene Einsatzziele auf verschiedenen Settings des Franchises ab.

Was aber dennoch nach einer zumindest abwechslungsreichen Kampagne klingen könnte, muss in Sachen Vielfalt schnell relativiert werden. Denn so brillant und bis zum letzten Soundeffekt oder Kameraschnitt die Inszenierung ausfallen mag – spielerisch unkonfortabler, fader und oft genug unnötig frustfördernd könnte Battlefront 2 kaum sein. Das fängt bereits beim Schwierigkeitsgrad an. Schon auf der niedrigsten Stufe sieht man in den meisten Gefechten erst nach mehreren Anläufen Land. Die Gegner-KI ist dabei dennoch kaum als solche zu bezeichnen, da die Macher immer (!) nur auf plattes Moorhuhn-Geballer gegen die immer gleichen 2-3 Gegnertypen bauen und uns dabei durch völlig unflexible Levelschläuche hetzen. Allein die Masse an Gegnern im Dauerfeuermodus macht hier den vermeintlichen Anspruch. Taktik oder gar Abwechslung sucht man trotz verschiedener Waffensysteme vergebens und schon nach 1-2 Stunden kann man die immer gleichen Pappkameraden, die sich einem stupide dauerballernd vor die Flinte werfen, einfach nicht mehr sehen.

Wenn man dann einen der vielen Tode stirbt, strapaziert der Titel unsere Geduld mit teils lächerlich weit zurückliegenden Respawn-Punkten, die bei den nicht nur zum Start eklatanten Ladezeiten an uns nagen. Das ist gerade dann besonders schlimm, wenn wir oft genug eine längere Dialogsequenz hören müssen, die wir nicht überspringen und somit gerne mal in Dauerschleife ertragen müssen. Speziell in den Luftschlachten kommt es aufgrund der viel zu verwackelten Steuerung und mangels weiterer Orientierungshilfen oft genug vor, dass wir andere Objekte touchieren und sofort komplett explodieren. Da wir dazu mehrfach Probleme bekommen, von einem gnadenlosen 10-Sekunden-Timer sofort zum Startpunkt zurückversetzt zu werden, wenn wir – ohne Karte wohlgemerkt – nur wenige Meter das Kampfgeschehen verlassen, schlägt dem Fass den Boden aus. Von kleineren Unsauberkeiten bei der Kollisions- und Schussabfrage oder dem Mysterium, dass wir häufig selbst an kleinen Objekten schlicht hängenbleiben oder gleich explodieren, ganz abgesehen.

Man könnte diese Liste an ähnlichen Mängeln weiter fortsetzen, doch auch ein weiterer Kernpunkt der Kampagne sorgt für besonders starkes Kopfschütteln, nämlich die Ideenarmut im Umgang mit potenziellen Highlights. Wenn wir in der Sequenz mit Luke in eine Höhle voller außerirdischer Käfer geraten und uns daraus befreien sollen, was würde man am Ende erwarten? Einen schick inszenierten Showdown gegen ein übergroßes Exemplar dieser Spezies? Oder eine ganz andere Kreatur? Weit gefehlt! Stattdessen müssen wir minutenlang einfach nur einen Daueransturm der kleinen Viecher überstehen, die aus dem Boden schießen und plump auf uns zu schwirren. Da diese Sequenz tatsächlich über 5 Minuten dauert, fragt man sich unweigerlich, wer auf diese Idee als Abschluss eines solchen Levels kommen konnte. Leider nicht die einzige Idee, die fast schon lächerlich wirkt.

Egal, welches Kapitel man herauspickt: Es fehlt im Strudel der ewig gleichen Gegnerangriffe schlicht an echten Höhepunkten und die wenigen, wie etwa der Angriff eines AT-ST-Walkers wiederholen sich danach mehrfach oder verlieren ihre Wirkung im Frust, da wir selbst hinter Deckungen gerne mal von allen Seiten von zusätzlich aufploppenden Trupplern niedergeballert werden oder uns über die lächerliche KI, unfreiwillig komische Clippingfehler und dahingeschlampte Logiklücken der banalen Erzählung ärgern. Nur die Technik und der Fanfaktor retten dieses uninspirierte Gerüst vor dem Totalkollaps. Und das von einer Entwicklerfirma wie Dice, die gerade mit Titeln wie Battlefield echte Großtaten im Shooter-Genre abgeliefert hat. Selbst das häufig genug zurecht für seine spielerische Armut belächelte Call of Duty kann über solch eintöniges Schlauchgeballer und die vielen unnötigen Nervfaktoren nur milde lächeln. Da hilft es auch wenig, dass EA und Dice schon zum Release weitere Kapitel für die Story angekündigt haben, um das Erlebnis weiter auszubauen.

Wenn man dann noch berücksichtigt, wie viele Areale bzw. Karten des Singleplayers auch im Multiplayer aufbereitet wurden, verliert selbst der technische Aufwand ein wenig an Gewicht. Dennoch ist der Mehrspieler-Part mit seinen verschiedenen Modi deutlich besser gelungen als sein Story-Bruder. Im Mehrspieler warten Schlachten für bis zu 40 Spieler online auf zahlreichen bekannten Star Wars-Schlachtfeldern aus der gesamten Saga. Der Modus „Galaktischer Angriff“ dürfte dabei bei den meisten Fans die größten Glücksgefühle hervorrufen, da man hier alles an die Hand bekommt, was das Universum hergibt: Sturmtruppen, Jedis, Sith und allerlei Fahr- und Fluggerät mischen munter mit. In den Partien agieren wir als Angreifer oder Verteidiger und müssen auf unterschiedlichen Abschnitten der jeweiligen Maps Ziele einnehmen oder entsprechend unsere Gegner davon abhalten. Aber auch andere Modi wie „Sternenjäger-Angriff“ wissen mit epischer Inszenierung und spannendem Schlachtgetümmel weitgehend zu überzeugen. Generell dürfen wir aus mehreren verschiedenen Kampfklassen zwischen Assault, Offizier oder Spezialist wählen und über erfolgreiche Gefechte unsere Skills weiter ausbauen.

Leider kommen aber auch im Multiplayer einige Probleme ins Spiel, die das Vergnügen merklich eintrüben. So wurde das bereits angesprochene Lootbox-Problem nicht in seiner Grundmechanik aus dem Game entfernt. Es kann also dazu kommen, dass wir zig Gefechte erleben, ohne im Anschluss – Stichwort Zufallsprinzip – auch tatsächlich etwas Brauchbares für unsere Charakterklasse aus den Sammelboxen zu erhalten. Wie soll das motivieren? Zumal man anderen Spielern begegnet, die dann im wahrsten Sinne mehr Glück hatten und uns mit viel besseren Werten und Fähigkeiten gehörig den Marsch blasen. Oder der Umstand, dass wir zu Beginn einer Session nur den Spielmodus, nicht aber die konkrete Karte auswählen können. Wer also direkt ein bestimmtes Setting erleben möchte, erhält von den Programmieren nicht die Möglichkeit, diese Wahl tatsächlich frei zu treffen, sondern muss hoffen, von den Servern entsprechend verlagert zu werden. Eine Unfreiheit, wie sie dem Imperator vielleicht gefallen würde. Spielern sicher nicht.

Wenn man dann in einer Schlacht angekommen ist, ärgert man sich wiederum über die völlig unnötigen statischen Respawn-Punkte, sobald man das Zeitliche gesegnet hat. Die bedeuten nämlich gerne längere Wege, bis man wieder im Herz des Kampfgetümmels angekommen ist. Das Warten auf den Wiedereintritt versüßt uns Dice nur mit einem ablaufenden Timer, ohne uns beispielsweise das aktuelle Geschehen der Teammitglieder beobachten zu lassen. Dass dies alles weder förderlich für ein strategisches Vorgehen noch ein dauerhaftes Einklinken in die Welt von Battlefront 2 ist, dürfte in Summe auf der Hand liegen.

Unverständlich bleibt ebenso, warum sich das Gameplay nicht mehr Mühe gibt, den Teamgedanken in den Matches zumindest halbwegs zu stärken. Wenn wir etwa mit bestimmten Charakteren Supportskills wie Heilung bei anderen Mitspielern einsetzen, werden wir dafür nicht belohnt. Am Ende eines Matches werden bei der Punkteverteilung gute und weniger erfolgreiche Mitglieder eines Teams kaum unterschiedlich behandelt, sodass es nicht notwendig erscheint, sich in den Duellen in irgendeiner Weise hervorzutun oder helfend einzugreifen. Im Bereich Balancing fällt weiterhin auf, wie ungleich bestimmte Figurenklassen ausfallen. Gerade Jedis wie Luke und Yoda wirken vom Start weg wesentlich robuster und angriffsintensiver als andere Figuren und verlagern so unnötig Spielerpräferenzen zugunsten bestimmter Klassen. Es bleibt schlussendlich auch beim Multiplayer der Eindruck hängen, man würde es mit einem Titel zu tun haben, bei dem sich Designfehler eingeschlichen haben, die die den Funfaktor unnötig ausbremsen und für eine aktuelle Blockbuster-Produktion geradezu anachronistisch wirken.

Fazit

Erst das PR-Desaster um gebührenpflichtige Zufallsboxen, dann die Ernüchterung nach Veröffentlichung: Battlefront 2 verpasst es trotz erstmals hinzugefügter Story und einer atemberaubend cineastischen Atmosphäre, die wirklich kaum filmische Wünsche entsprechend der Vorlage offenlässt, in Sachen Gameplay, Spieltiefe oder zumindest Komfortabilität zumindest solide unterhaltendes Shooter-Niveau dauerhaft zu erreichen.

Wer sich nicht voll und ganz als Franchisefan bezeichnet und so über viel Frust und ein in der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr akzeptables Shooter-Konzept aus Levelschläuchen, dümmlichen Schießbudengegnern und fehlenden (Spiel-)Highlights hinwegsieht, sollte einen Bogen um diesen Titel machen. Gerade weil die Macher mit ihrer Battlefield-Reihe schon mehrfach nachweisen durften, zu den besten Spezialisten gerade in diesem Genre zu gehören, bleibt einfach nur eine riesige Enttäuschung übrig.

Star Wars: Battlefront 2 • Dice/EA • Shooter

Abb. © Dice/EA

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Zeitreise einmal anders: Durch Raum und Zeit geht es für die beiden Hauptfiguren zwar auch in Makoto Shinkais fantastischem Anime „Your Name“, doch das japanische Multitalent mischt diesen Ansatz mit einer Körpertauschgeschichte. Die auch noch mit einer melodramatischen Teenie-Romanze und einem Katastrophenfilm vermischt wird. Dass das nicht zuviel wird ist ein kleines Wunder, macht „Your Name“ im Gegenteil zu so einem reichen, vielschichtigen Film.

Hauptfiguren sind die beiden Teenager Mitsuha und Taki, die eines Tages beginnen, im Körper des jeweils anderen aufzuwachen. Während jedoch Mitsuha im verschlafenen Ort Itomori ein beschauliches Leben führt, das ihr oft viel zu langweilig erscheint, lebt Taki in Tokio. Anfangs sind die Teenager noch irritiert davon, nun plötzlich ein Junge bzw. ein Mädchen zu sein, andere Freundeskreise zu haben, nicht zuletzt andere Körper. Doch schnell genießen sie die anderen Leben, die neuen Umgebungen, die ungewohnten Erfahrungen.

Erinnern können sie sich nach der Rückkehr in den „richtigen“ Körper jedoch nur wenig an den jeweils anderen, sehr zum Bedauern von Taki, der mit Mädchen zwar nicht besonders viel Erfahrung hat, Mitsuha jedoch unbedingt kennenlernen will. Eine Zeichnung von Itomori, einem kleinen Ort an einem See, ist sein einziger Hinweis, dem er kurzentschlossen nachgeht. Doch bald muss er feststellen, dass Itomori vor einigen Jahren von einem Kometen zerstört wurde, der auch Mitsuha getötet hat. Der Körpertausch passierte also nicht nur über die Grenzen des Raums, sondern auch der Zeit hinweg, was Taki vor eine schwierige Aufgabe stellt: Irgendwie in die Vergangenheit kommen und dort dafür sorgen, dass das Dorf – und damit auch Mitsuha – evakuiert und gerettet wird, damit sich das bislang nur quasi virtuell existierende Paar doch noch finden kann.

Ziemlich kopflastig hört sich an, was sich Makoto Shinkai für seinen zweiten Langfilm ausgedacht hat, der sich in Japan inzwischen zum erfolgreichsten Film aller Zeiten entwickelt hat. Selbst die Filme des legendären Hayao Miyazaki hat Shinkai damit übertrumpft, was ihm erst recht den Ruf als legitimer Nachfolger des Altmeisters einbrachte.

Was jedoch nicht nur am Erfolg liegt, sondern auch an Stil und Stimmung seiner Filme. Zwar entstehen Shinkais Filme ausschließlich an Tablets und Computern, doch ihr Stil wirkt in gewissermaßen auf moderne Weise altmodisch. Detailreich und lebendig wirkt die Welt, gerade das ländliche Itomori, das wie ein Verwandter der kleinen, von Holzhäusern und Shinto-Schreinen geprägten Städtchen aus Miyazaki-Filmen wirkt. Und auch die zarte Romanze zwischen den beiden Teenagern wirkt in ihrer Unschuld fast altmodisch, auch wenn sie im Konstrukt eines aufwändigen Science-Fiction-Films daherkommt.

Diese beiden Ebenen zu vereinen, nahtlos zwischen visuell überbordenden Bildern und einer intimen Geschichte zu wechseln, macht die besondere Qualität von „Your Name“ aus, einem in jeder Hinsicht fantastischem Film.

Nur am 11. und 14. Januar in ausgewählten Kinos!

Your Name: Gestern, heute und für immer• Japan 2017 • Regie: Makoto Shinkai

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Merke: Tentakelmonster sind die besseren Liebhaber

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„The Untamed“ ist einer dieser Filme, die mit ein paar dermaßen eindrücklichen Was-in-drei-Teufels-Namen-hab-ich-denn-da-bitte-gerade-gesehen-Momenten gewürzt sind, dass man sich, aus Angst ein Partysprenger zu sein, an eine Review fast nicht rantraut, deswegen ein kleiner Hinweis vorweg: Vielleicht erst anschauen, dann den Text lesen – soviel schon mal: Auch der neue Film von „Heli“-Regisseur Amat Escalante  kommt nicht ohne Delle aus, ist aber trotzdem hervorragend gemacht, packend und man wird sich garantiert drei Tage später noch fragen, was in drei Teufels Namen man da eigentlich gerade gesehen hat. Das ist durchaus eine ganze Menge wert.

Der kurze, knallige Anheizer (Frau! nackt! erregt! Andeutung eines Tentakels!) führt in die Irre, in den folgenden sechzig Minuten wird erstmal ein geerdetes, ruhiges Familiendrama aufgefächert, das zwar von subtilen Mystery-Elementen umwabert wird, sich allerdings erstmal weigert die Karten offen auf den Tisch zu legen.

Erzählt wird von der jungen Mutter Alejandra, eine berufstätige, sexuell unterversorgte Hausfrau, die mit dem lieblosen Proll-Ehemann Angel verheiratet ist. Ihr Bruder Fabian ist als Krankenpfleger im örtlichen Krankenhaus tätig und schwul. Letzteres ist im erzkonservativen Mexiko nicht ganz unproblematisch, richtig schwierig wird die Situation allerdings dadurch, dass Fabian ausgerechnet ein Verhältnis mit Angel hat, der seine Homosexualität mit einem betont aggressiven Macho-Auftreten zu übertünchen versucht. Eines Tages gerät Fabian im Krankenhaus an die mysteriöse Veronica, die behauptet von einem Hund gebissen worden zu sein, allerdings ist das nicht die ganze Wahrheit: In einer Hütte im nahe gelegenen Wald lauert ein Tentakelwesen aus dem All, das mittels Meteoriteneinschlag auf die Erde gekommen ist und seinen Opfern, die ihn von einem hippiesken Forscherpärchen zugeführt werden, die Erfüllung aller sexuellen Sehnsüchte verspricht, aber ebenso Gefahr für Leib und Leben bedeuten kann, denn auch außerirdische Sex-Aliens langweilen sich irgendwann mit ihren Geschlechtspartnern.

Wer nun an Andrzej Zulawskis „Possession“ (1983) denkt liegt nicht ganz falsch, allerdings fährt „The Untamed“ dennoch auf einer eigenen Autobahn, ist trotz deutlicher Ambitionen in diese Richtung weniger Kunstfilm als bizarrer Genremix, der es nicht so ganz schafft seine beiden disparaten Elemente komplett unter einen Hut zu bringen. Dass zum Beispiel das Monster für das Animalische im Menschen steht, liegt auf der Hand, ebenso, dass ein rigoroser Katholizismus die Menschen ins Verderben stürzt, aber Escalante strickt die angerissenen Themen nicht weiter, gewinnt keine neuen Erkenntnissen aus dem Gegebenen, weswegen sein Film auf halber Strecke zwischen ambitionierten Drama und Exploitation stehen bleibt.

Dass das leicht bröckelige Fundament aber trotzdem nicht zusammenkracht liegt an der tadellosen Umsetzung. Es ist kaum zu glauben, dass die vier tragenden Rollen von Newcomern gespielt werden, vor allem Jesús Meza lässt als Angel die Angst und Verzweiflung hinter seiner eigentlich unsympathischen Figur mehr und mehr hervorsickern und schafft es so seinen undankbaren Part mit einer gewissen Tragik zu unterfüttern. Eingekleidet ist das zwischen sprödem Realismus und lovecraftscher Morbidität hin- und her pendelnde Kuriosum in tollen Bildern von Manuel Alberto Claro („Melancholia“, „Nymphomaniac“), der in seinen besten Momenten genau die Motive findet, die man beim Genuss der literarischen Hinterlassenschaften des Cosmic-Horror-Gurus aus Providence schon immer im Kopf hatte.    

Auch wenn „The Untamed“ kurz vor der Ziellinie stehen bleibt, handelt es sich doch um einen ungemein faszinierende Film, der sich was traut. In einer besseren Welt sollten dafür deutschlandweit zum Bersten volle Kinosäle zur Belohnung winken, aber natürlich – es ist zum Heulen – gibt’s mal wieder nur extrem wenige Möglichkeiten sich im Lichtspieltheater so richtig durchbügeln zu lassen (alle Termine hier!)

„The Untamed“ startet am 11.01.2017 im Kino.

The Untamed(Mexiko/Dänemark/Frankreich/Deutschland/Norwegen/Schweiz 2016) • Regie: Amat Escalante • Darsteller: Ruth Ramos, Simone Bucio, JesúsMeza, Eden Villavicenio, Andrea Peláez, Oscar Escalante, Bernarda Trueba, Fernando Corona, Kenny Johnston

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Im Bahnhof der Zukunft

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Es gibt englischsprachige Bücher, von denen man als Fan verlockender Zukunftsliteratur im Grunde gar nicht zu hoffen wagt, dass sie je auf Deutsch erscheinen. Bei „Central Station“ aus der Feder des in London Lebenden Israeli Lavie Tidhar (im Shop), der für seinen Parallelweltroman „Osama“ mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet wurde und seit Jahren eine ganz spannende Stimme der internationalen Genre-Literatur stellt, handelt es sich eigentlich um genau so ein Buch. Doch nun können deutschsprachige Leser seit Anfang des Jahres die Heyne-Ausgabe des ursprünglich 2016 veröffentlichen Werks in Händen halten oder auf ihren Reader beamen lassen …

Central Station ist der Name eines gigantischen Weltraumbahnhofs im futuristischen Tel Aviv, aber auch des Multikulti-Viertels, das um ihn herum wuchert und pulsiert. Während die Menschheit längst das All besiedelt hat, lebt man auf der Erde von Morgen sowohl in der Realität, als auch in der Virtualität. Die permanente UNTERHALTUNG, die aus den Leben und Gedanken der durch Implantate vernetzten Menschen und der digitalen Lebensformen gespeist wird, scheint überall zu sein – immer online, immer hörbar, immer abtastbar, immer verfolgbar, immer lesbar, immer erfahrbar. Dazu kommen uralte Cyborg-Veteranen, Tentakelsüchtige, Robotpriester, Datenvampire, altmodische Buchliebhaber ohne Netzimplantat, aus Codes und Genen bestehende Wunderkinder, adaptive Pflanzensiedlungen, Goldfarmer in einer virtuellen Game-Realität, gehackte und im Labor gezüchtete Lebensformen, kluge Schrottsammler, programmierende und handwerkende Göttermacher, Orakel mit einem digitalen Symbionten sowie Heimkehrer vom Mars, die ein parasitäres Aug am Hals haben, das ihre Wahrnehmung verändert und erweitert …

Die Kapitel, die Lavie Tidhar zu seinem faszinierenden, vor Ideen überbordenden Episodenroman „Central Station“ verstrickt hat, erschienen in ihrer ursprünglichen Form ab 2011 als einzelne Kurzgeschichten in amerikanischen Science-Fiction-Magazinen wie „Clarkesworld“, „Strange Horizons“ und „Interzone“, oder in Anthologien wie „Robots. The Recent A.I.“ und „Dark Faiths. Invocations“. Außerdem sind die Geschichten über Central Station Teil einer großen, traditionellen Future History namens ‚The Continuity Universe’, innerhalb dem Tidhar all seine SF-Erzählungen ansiedelt, ob sie nun im All oder auf der Erde spielen. Im zusammengesetzten Mosaik „Central Station“ geht es dabei weniger um die Sehnsucht nach der Weite und den Möglichkeiten des besiedelten Weltraums, sondern viel mehr um die weiterentwickelte Gesellschaft auf Erden. Immerhin findet um den Weltraumbahnhof, der die jüdischen und arabischen Konfliktparteien der Stadt wie ein Puffer voneinander trennt, ein permanentes Ringen um die Frage statt, was Menschlichkeit und was Realität bedeutet. Beides lässt sich schließlich nicht mehr so leicht definieren.

Tidhars Fiction sprüht nur so vor Bildern und Aufzählungen, die eine lebendige Zukunft zwischen digitaler Intelligenz, realer Virtualität und vollzogenem Transhumanismus formen – dazu muss der Weltbürger Tidhar gar nicht viel ausformulieren, ja genügt es meistens schon, genug anzureißen und auf die Vorstellungkraft und auf alle Sinne des Lesers einzustürmen. Die einzelnen Elemente und Einfälle erscheinen zudem wie ein Streifzug durch die großen Epochen der SF-Literatur und verweisen auf die Themen der wichtigsten und interessantesten Autoren des Sujets: Arthur C. Clarke, Isaac Asimov, Robert Heinlein (Expansion, Roboter), Philip K. Dick (die Frage nach der Realität, dem Anrecht künstlicher Menschlichkeit und nach Gott), Ray Bradbury (der altmodische Bücherfreund, der Mars, das Lyrische), William Gibson (Cyberpunk um die virtuelle Realität), Paolo Bacigalupi (Biopunk mit Leben, das wie Software gehackt und reproduziert wird), Jeffrey Tomas (die Punktown-Mischung aus Horror und SF), Richard Morgan (das Bewusstsein in künstlichen Körpern), James S. A. Corey (Abenteuer, Kolonien und Mächte im Gürtel und darüber hinaus), und aufgrund des jüdischen Settings natürlich Michael Chabon. Zumal die verknüpften Lebensgeschichten aus der Welt um und über dem Weltraumbahnhof Erinnerungen an „Babylon 5“ wecken …

„Central Station“ ist kein stringenter, klassischer Roman, aber klassische Science-Fiction und vor allem hervorragende und aktuelle Ideenliteratur – ein reichhaltiger Episodenroman für Liebhaber der SF-kurzgeschichte, und zwar aller Generationen, Epochen und Subgenres.

Lavie Tidhar: Central Station• Aus dem Englischen von Friedrich Mader • Heyne, München 2018 • 352 Seiten • E-Book: 8,99 Euro (im Shop)

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Hoffnungsvoll in eine dunkle Zukunft

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Dass wir bei diezukunft.de für technologischen Fortschritt einstehen, sollte jedem ersichtlich sein. Dass wir bei den rasanten Entwicklungen jedoch schnell den Überblick verlieren können, passiert wohl jedem von uns. Um unsere Moral in einer technisierten Welt zu sichern, muss uns hin und wieder vielleicht etwas Einhalt geboten werden mit einem Blick in einen düsteren Spiegel. Und genau hier setzt die britische Erfolgsserie „Black Mirror“ das I-Tüpfelchen und offenbart uns makabere, aber äußerst spitzfindige Versionen von technisch versierten, dystopischen Zukünften, die nicht so weit entfernt scheinen.

Längst aus dem Nischenbereich eines Geheimtipps entstiegen, richtet „Black Mirror“ den Blick auf ein technisches Konzept, oder soziale Strukturentwicklungen, die sich aus unseren heutigen Gepflogenheiten entwickeln könnten. Sei es Cyberterrorismus, der Wahn um Social Media und soziale Netzwerke oder gar Alterssterblichkeit. Jede Folge funktioniert eigenständig und unabhängig voneinander und beleuchtet einen Aspekt unserer Gesellschaft auf dramaturgisch überspitzte Weise. Nach drei Staffeln, einem Special und insgesamt 13 Episoden ist nun auch die gesamte vierte Staffel erschienen (in Deutschland beim Streaming-Dienst Netflix in einem Happen zu verschlingen) und bietet sechs weitere Stunden die Möglichkeit per Fernrohr in eine noch abwendbare, dunkle Zukunft zu blicken. Aber wie schlägt sie sich?

Nach einer durchwachsenen dritten Staffel, die viel zu häufig auf Plottwists beharrte, richtet sich die vierte Staffel wieder an alten Werten der ersten zwei Staffeln aus, prescht mutig in ungeahnte Weiten voran – und hinterlässt sogar ein unerwartetes Fünkchen Hoffnung.


„USS Callister“

Die erste Episode, „USS Callister“, wirkt zunächst absichtlich wie eine blanke „Star Trek“-Homage. Aber „Black Mirror“ wäre nicht „Black Mirror“, wenn nicht nach kurzer Zeit der Teppich unter den Füßen entrissen wird und wir in die wahren Hintergründe blicken: Die virtuelle Realität des Videogames „Infinity“ und den einsamen und übergangenen Chefentwickler Robert Daly. Während Daly ein Leben auf dem Abstellgleis führt, tyrannisiert er seine KI-Mitarbeiter in der virtuellen Welt und ergreift sich so die ihm fehlende Autorität. Mit der Folge „USS Callister“ bringt „Black Mirror“ ein Novum in die sonst so düstere Atmosphäre, welche die drei vorhergegangenen Staffeln durchdrang: Humor und gar ein Funken Hoffnung. Neben Wortwitz und hervorstechenden Figuren prahlt die erste Episode aber allem voran mit ihren Spezialeffekten. Wenn Bordpersonal auf Planetenoberflächen gebeamt wird oder sich die „USS Callister“ durch tiefen Weltraum bewegt: Für eine britische TV-Serie sehen die Effekte phänomenal aus. Wenn es um einen umwerfenden Ersteindruck geht, trifft Serien-Erfinder Charlie Brooker mit „USS Callister“ voll ins Schwarze.

„Arkangel“, die zweite Episode, besinnt sich am meisten alter Stärken der ersten Staffeln, indem ein bereits heute diskutiertes Thema als Grundlage genommen und dramaturgisch auf die Spitze getrieben wird. Die junge Sara wird auf Geheiß ihrer Mutter mit einem Chip ausgestattet, der nicht nur sämtliche Vitalwerte Saras überwacht, sondern sie jederzeit aufspüren kann und sogar ihr direktes Sichtfeld auf einer Steuereinheit projiziert und dieses beeinflusst mit einem „Filter“ gegen Gewalt und „verstörende“ Eindrücke. Jodie Foster führte bei der Episode Regie und ist die erste weibliche Regisseurin bei „Black Mirror“. In ihrer strukturiert-aufgebrochenen Erzählweise, die diverse Lebensabschnitte Saras zeigt, ist die Folge zwar erfolgreich, fühlt sich aber hier und da eher wie eine Coming-Of-Age-Story an. Die Reaktionen Saras und ihrer Mutter sind zunächst verständlich und nachvollziehbar, werden aber mit voranschreitender Zeit immer absurder und wirken wie ein reines Mittel zum Zweck um den Plot voranzutreiben.


„Krokodil“

In der dritten Episode, „Krokodil“, wird die erfolgreiche Architektin Mia von einem folgenschweren Fehler ihrer Vergangenheit heimgesucht, während Versicherungsagentin Shazia mit Hilfe eines „Recallers“, einer Maschine, die Erinnerungen per Monitor einsehbar macht, einen Unfall klären will. Auf dem Regiestuhl befindete sich John Hillcoat (The Road) und führt gekonnt die beiden unwissenden Kontrahentinnen Mia und Shazia schleichend zueinander. Das Aufeinandertreffen ist unausweichlich, aber dennoch ist das „wie“ und „warum“ letztlich der spannendste Aspekt der Folge, während man eine fantastische Andrea Riseborough (Oblivion) als Mia langsam in den Abgrund driften sieht. Besonders Mias besagter verzweifelter Abstieg wird durch das Ende hervorragend auf den Punkt gebracht. Da tut selbst das voraussehbare Skript der Spannung keinen Abbruch.


„Metallkopf“

Das Herzstück der Staffel erwartet den Zuschauer jedoch im äußerst charmanten „Hang the DJ“, der vierten Folge. Eine neue Dating-App, samt hilfsbereitem Gizmo, verspricht dem User den perfekten Partner zu finden. Dazu müssen jedoch angeordnete Beziehungen geführt werden, die von einem wenige Stunden andauernden Flirt bis hin zur jahrelangen quälenden Partnerschaft gehen können. Die User erfahren die angeordnete Dauer erst, wenn sie auf den Datingpartner treffen und müssen dem System Folge leisten, um irgendwann den „perfekten Partner“ zugeteilt zu bekommen. Siri, Amazons Echo und Tinder kommen sofort in den Sinn und „Hang the DJ“ wirft intelligente Fragen auf und liefert zudem zufriedenstellende Antworten. Aber die Show stehlen im wahrsten Sinne die beiden App-User Amy und Frank, die über die Jahre immer wieder zueinander finden und sich nicht loslösen können. Die brodelnde Chemie zwischen den Figuren und Schauspielern ist unverkennbar und löst sich von den oft tristen, verzweifelten und brütenden Charakteren der Serie komplett los. Der vordergründige Humor Franks und Amys kecke, liebreizende Art geben der Episode einen unerwarteten Aufwind, den man so nicht von „Black Mirror“ gewohnt ist und als Zuschauer sehnt man sich nach dem nächsten Aufeinandertreffen der beiden und der logischen aber cleveren Auflösung der Story.

Mit Episode 5, „Metallkopf“, zeigt „Black Mirror“ wohl am deutlichsten seine Wurzeln der klassischen Anthologie-Serie der 60er - „Twilight Zone“ von Rod Serling. An Rod Serlings Klassiker erinnert jedoch nicht nur die hervorstechende Schwarz-Weiß-Optik der Folge. Auch die Handlung wird auf ihr wesentlichstes reduziert und funktioniert fast gänzlich mit einer einzigen Protagonistin, die von einem hundeähnlichen Roboter gejagt und malträtiert wird. Stilistisch ist „Metallkopf“ wohl eine der auffälligsten Folgen „Black Mirrors“ und erinnert eher an einen Hitchcock-Thriller als an eine Sci-Fi-Story. Wäre da eben nicht besagter Roboter.


„Black Museum“

Auch mit der letzten Episode, „Black Museum“ wird Neuland beschritten, indem es die erste Folge der Serie ist, die offensichtliche Bezüge zu anderen Einstündern „Black Mirrors“ herstellt. Das titelgebende „Black Museum“ ist im Besitz von Kurator Rolo Haynes, der „authentische kriminologische Artefakte“ ausstellt und Besuch von einer jungen in der Wüste gestrandeten Frau bekommt. Die Episode ist in mehrere kleine, zunächst unabhängige Geschichten unterteilt, die Haynes der jungen Frau erzählt, welche selbst an und für sich Plots für eigenständige „Black Mirror“-Folgen hätten sein können. Rolo Haynes erinnert an eine enigmatische Version Rod Serlings in seiner Rolle als Kurator und man könnte sich die Figur als wiederkehrende Rolle in „Black Mirror“ gut vorstellen. „Black Museum“ klingt auf dem Papier zunächst etwas zusammenhangslos, entpuppt sich durch äußerst cleveres Writing und ein funktionierendes Ende als eine der besten Episoden der neuen Staffel.

Mit der vierten Staffel betritt „Black Mirror“ erneut neue Dimensionen und zeigt viel Mut, der sich in fast allen Fällen bezahlt macht. Ein Gefühl von Frische macht sich breit, wie es seit der ersten Staffel nicht mehr vorhanden war. Und auch die gewagteren Experimente wie „Metallkopf“ zeigen, dass die Regeln, die einst „Twilight Zone“ setzte, heute immer noch funktionieren: Nämlich mit wenigen Ressourcen etwas Fantastisches zu schaffen.

Die vierte Staffel von „Black Mirror“ ist seit dem 29. Dezember 2017 auf Netflix erhältlich.

Black Mirror: Season 4• Großbritannien 2017 • Regie: u.a. Jodie Foster • Darsteller: Jesse Plemons, Cristin Milioti, Georgina Campbell, Joe Cole, u.v.m

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Jeder ist sich selbst der Nächste

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Ein Titel wie ein Horrorthriller, der eine Bedrohung ankündigt, ein wie auch immer geartetes Etwas, das des Nachts sein Unwesen treibt. Das Trey Edward Shults „It Comes at Night“ zudem fast ausschließlich in einer Hütte im Wald spielt, lässt ihn erst recht wie ein Epigone unzähliger Filme machen, in denen die fast schon sprichwörtliche Cabin in the Woods der Ort des Grauens ist.

Gleich die erste Szene lässt jedoch ahnen, dass es hier um ein etwas anderes Grauen geht, das weniger bestimmt als ein Zombie oder sonst wie besessene oder dämonische Kreaturen ist, aber viel bedrohlicher: Da sieht man Paul (Joel Edgerton) mit dauerhaft ernster Mine, hinter einem dichten Bart versteckt, einen Mann in der Schubkarre in den Wald fahren, begleitet von seinem Teenager-Sohn Travis (Kelvin Harrison Jr.) und den Mann, der Travis Großvater ist, mit einem gezielten Schuss töten, bevor er ihn verbrennt.

Kein Mord, sondern ein Gnadentod ist dies, denn die Welt, in der „It Comes at Night“ spielt, ist verseucht, von einer nicht weiter definierten Plage bedroht, einer Seuche, die sich offenbar durch die Luft verteilt. Zusammen mit seiner Frau Sarah (Carmen Ejogo) lebt Paul verbarrikadiert in eben jener Hütte, ständig auf der Hut vor einer Bedrohung. Die sich eines Nachts durch Will (Christopher Abbott) zu bewahrheiten scheint, der jedoch um Hilfe bittet. Nach langem Zögern willigt Paul ein, weniger aus Mitmenschlichkeit, als des Versprechens wegen, dass Will und seine Frau Kim (Riley Keough) ein paar Ziegen und Hühner besitzen und so zur Hausgemeinschaft beitragen können. Zusammen mit ihrem kleinen Sohn Andrew (Griffin Robert Faulkner) ziehen sie also in die Hütte ein und für ein paar Tage scheint es so, als könnte hier eine Gemeinschaft entstehen.

Was natürlich eine Utopie ist, die in diesem düsteren, dystopischen Blick auf die Gegenwart keinen Platz hat. Von Misstrauen geprägt, ständig auf der Hut vor Verrat, belauschen sich die beiden Paare und mittendrin die Kinder, die in einer Welt aufgewachsen sind, in der Mitmenschlichkeit kaum noch existiert. Bezüge zur Gegenwart sind leicht zu finden, die Eindringlinge als Flüchtlinge zu lesen, die sich in ein gemachtes Nest setzen, liegt auf der Hand, das Paul und Sarah ein weiß-schwarzes Paar sind öffnet weitere interessante Konnotationen, die Trey Edward Shults jedoch nicht explizit macht.

Statt dessen hält er eine feine Balance zwischen konkreten Informationen und vagen Andeutungen, gibt genug Hintergrund, um seine Geschichte nicht allzu unbestimmt wirken zu lassen, bleibt aber doch unbestimmt genug, um nicht die vielen Möglichkeiten zu negieren, die in seiner Versuchsanordnung stecken. Trotz mancher hervorragend inszenierter Spannungsmomente ist „It Comes at Night“ am Ende weniger ein Thriller, als ein psychologisches Kammerspiel, das auf subtile Weise andeutet, wie ein konstantes Gefühl der Bedrohung, dauerhaftes Misstrauen, das Gemeinschaftsgefühl einer Gesellschaft zerstört.

„It Comes at Night“ startet am 18. Januar im Kino

It Comes at Night• USA 2017 • Regie: Trey Edward Shults • Darsteller: Joel Edgerton, Carmen Ejogo, Kelvin Harrison Jr.

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Size DOES matter!

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Seitdem Hollywood 2014 mal wieder den Versuch unternommen hat, eines der populärsten japanischen Kulturgüter zu amerikanisieren, scheint sich bei der Produktionsfirma Toho der Kampfgeist geregt zu haben: „Wir nehmen zwar gerne euer Geld, aber UNSER Godzilla ist immer noch der einzig Wahre und vor allem der Größte!“

Shin Godzilla“ läutete 2016 mit einer ungewöhnlichen Mischung aus satirisch angehauchtem Katastrophenthriller und Oldschool-Kaijū Eiga die Rückkehr unser aller Lieblingsmonsterechse erfolgreich ein – kein Film hat in diesem Jahr die japanischen Kinokassen mehr zum klingeln gebracht! Außerdem wurde Godzilla um satte 10,5 Meter gegenüber der mit 108 Meter bis dato größten US-Variante aufgestockt – eine eindeutigere Kampfansage kann man wohl kaum machen!

Die nächste US-Version wird wohl nicht vor 2019 über die Leinwand trampeln, Toho schickt mit „Godzilla – Planet der Monster“ bereits jetzt einen weiteren Titel, den ersten Anime der Franchise, ins Rennen und hat noch eine Schippe drauf gelegt: Der Godzilla in diesem Film ragt satte 300 Meter in die Höhe! Natürlich handelt es sich „nur“ um eine CGI-Variante, aber sie funktioniert prächtig: Der Widererkennungswert ist sofort da, der Look ist dankenswerterweise relativ klassisch gehalten, zugleich wirkt das Kult-Viech wirklich gigantischer und darüber hinaus kräftiger, massiger und kantiger als zuvor, quasi wie ein Arnold Schwarzenegger unter den Monstern. Das extrem pompöse Erscheinungsbild liegt darin begründet, dass die Atombomben-Allegorie des ersten Films von 1954 maximal potenziert wurde. Godzilla ist hier eine Allmacht, eine Art gottgesandte Bestrafung für die Arroganz der Menschheit, gegen die weder die Bevölkerung, noch zur Hilfe eilende Bewohner anderer Galaxien eine Chance haben.

„Planet der Monster“ ist nicht nur der erste Anime-Film, sondern auch der erste reinrassige Science-Fiction-Film der Reihe: Die Geschichte spielt im Jahr 2048, die Menschheit will auf den Planeten Tau Ceti e auswandern, weil Godzilla die Erde nahezu komplett zerstört hat. Als die Vorhut nach einer 20jährigen Reise allerdings dort ankommt, muss man entsetzt feststellen, dass die vermeintliche Zuflucht mittlerweile unbewohnbar geworden ist, weswegen der rebellische und von Hass auf das Monster völlig zerfressene Haruo beschließt die Erde zurückzuerobern. Wieder zurück erwartet die Truppe allerdings eine große Überraschung: Mittlerweile sind 20.000 Jahre vergangen, ein neues Ökosystem hat sich entwickelt und der Herrscher dieser neuen Welt ist: Godzilla!

Die Geschichte ist ganz zeitgemäß als Trilogie angelegt, Drehbuchautor Gen Urobuchi („Psycho Pass“) lehnt sich mit seinem Skript aber recht weit aus dem Franchise-Fenster und wagt auch für den ersten Teil einer Trilogie, der ja eigentlich die Hauptaufgabe hat, das Publikum fix an die Leine zu legen, recht viel. Was nämlich auf dem Papier wie eine simple Vorlage für einen spaßigen Monster-Klopper klingt, wird als eher spröder, finsterer Quasi-Kriegsfilm mit einer miesepetrigen, unzugänglichen Hauptfigur präsentiert, der die ersten Zweidrittel der Laufzeit viel mit Besprechungen zum richtigen Vorgehen im Kampf gegen Godzilla verbringt. Dieser, wie beim letzten Realfilm, erneut ziemlich trockene, „realistische“ Anstrich, ist nicht ohne Reiz, sorgt aber dafür, dass man emotional so gut wie gar nicht andockt (anders als in „Shin Godzilla“ wurden auch keinerlei Humorkrümel zur Auflockerung drübergestreut). Selbst ein vermeintlich tragischer Todesfall sorgt lediglich für ein Schulterzucken. Die wirklich schönen, stilvollen, stellenweise mit originellen Details (unter anderem schießen aus den Triebwerken der Raumschiffe rosaschimmernde Strahlen) aufwartenden Bilder und vor allem die lange Zeit zwar genüsslich aufgesparten, glücklicherweise aber dann sehr starken Auftritte der Hauptattraktion lassen einen schlussendlich doch auf die Fortsetzungen hoffen, der Große mit dem markanten Organ ist und bleibt einfach unwiderstehlich!

„Godzilla – Planet der Monster“ ist mitsamt einer mäßigen deutschen Synchronisation seit dem 17.01.2018 auf Netflix abrufbar.

Godzilla – Planet der Monster(Japan 2017) • Regie: Hiroyuki Seshita, Kôbun Shizuno • Sprecher: Kana Hanazawa, Yuki Kaji, Kenta Miyake, Mamoru Miyano, Daisuke Ono, Tomokazu Sugita

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Weniger ist mehr

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Alexander Payne ist der große Humanist unter den heute arbeitenden Regisseuren des amerikanischen Mainstream-Kinos. Filme wie About Schmidt, Sideways, The Descendants, sein Beitrag zur Anthologie Paris, je t’aime oder zuletzt Nebraska sind hellwache Observationen und Explorationen der Conditio humana voller Empathie, narrativer Kompetenz und extratrockenem Humor. Ein wahrer Menschenfreund, dessen nicht besonders umfangreiches Werk – gerade mal neun Regiearbeiten in den letzten 26 Jahren – in erster Linie von der Sympathie zu seinen Protagonisten geprägt ist, von ihren großen und kleinen Problemen bei dem Versuch, mit den Irrungen und Wirrungen des Lebens klarzukommen. Es sind oft ganz gewöhnliche Menschen an neuralgischen Punkten ihrer Biografie, deren etablierte Routinen und Gewohnheiten ihnen plötzlich keine Stabilität mehr bieten, Charaktere, die sich aus den verschiedensten Gründen plötzlich außerhalb ihrer Komfortzone wiederfinden.

Insofern steht Paul Safranek, der Held seines ersten Ausflugs in SF-nahe Gebiete,  durchaus in der Tradition von Jack Nicholsons frischgebackenem Rentner Warren R. Schmidt oder George Clooneys Matt King. Doch sind es hier nicht scheinbar profane Ereignisse wie der Eintritt in den Ruhestand oder Erbschaftsprobleme auf Hawaii, die den Protagonisten auf eine Reise ins eigene Ich schicken. In seiner ersten Regiearbeit seit vier Jahren will Payne mehr – und genau das ist das Kernproblem dieses leider recht unfokussierten Films, dessen Prämisse zu seinen größten positiven Qualitäten zählt.

Wir befinden uns irgendwann in naher Zukunft, und norwegische Forscher haben den Schlüssel zur Lösung von Problemen wie Überbevölkerung und Ressourcenknappheit gefunden. Und der lautet: „Downsizing“. In diesem speziellen Fall bedeutet dies: Menschen können auf Fingergöße geschrumpft werden, was ihre Umweltverträglichkeit deutlich verbessert. Die Bezeichnung dieser Prozedur ist großartig doppeldeutig gewählt; denn während der Begriff im englischen Sprachgebrauch eher metaphorisch gebraucht wird, um besseres Haushalten und mehr Bescheidenheit (aber auch: Personalreduzierung) auszudrücken, kommt mit dem Downsizing in dieser Welt der soziale Aufstieg. Und den hat auch der abgebrochene Medizinstudent und Betriebsphysiotherapeut Safranek im Blick, der mit seiner Frau gerade so über die Runden kommt. Die körperliche Verkleinerung jedoch verspricht eine signifikante Vergrößerung des Bankkontos, denn weniger Verbrauch bedeutet mehr Geldwert. Also entscheidet sich das Mittelstands-Ehepaar für die Prozedur, um in Zukunft eine feudale Villa in der Gated Community Leisureland zu bewohnen. Doch als Pauls Frau kalte Füße bekommt, entwickeln sich die Dinge deutlich anders als geplant. 

Bis zu diesem Zeitpunkt ist Downsizing, der Film, ein erstaunlich effektives Stück milder Satire, deren leicht absurder Tonfall erstaunlich gut mit Paynes Sensibilität korrespondiert. Die akkurate Darstellung des amerikanischen bürgerlichen Milieus, der Realismus der Schauspieler, die sanfthumorige Halbernsthaftigkeit, mit der die im Grunde völlig abstruse Prozedur gezeigt wird – man nimmt ihm das alles ab. Die erste halbe Stunde macht einfach Spaß und neugierig auf alles, was Payne mit seiner vielversprechenden SF-Idee noch so vorhat.

Und das ist leider eine ganze Menge. Denn kaum hat Paul sein Domizil im Miniaturwunderland bezogen, erkennt er schnell, dass auch hier nicht alles so sauber läuft wie in der Puppenstube. Auch in Leisureland gibt es die „working poor“, gibt es Ghettos vor den Toren der Stadt, gibt es Krankheit, Ausgrenzung und gesellschaftliche Ungleichheit. Der Film verschiebt seinen Fokus nun von der munteren Satire hin zum Sozialdrama; doch das ist nicht der einzige ungelenke Haken, den er innerhalb seiner sehr langen Laufzeit (fast zweieinhalb Stunden) so schlägt. Spätestens auf einem Trip nach Norwegen zur ersten Minikolonie der Welt verlässt Payne die Grenzen seines immer größer werdenden Personalkarussells und begibt sich auf das Terrain der globalen Apokalypsevision. Von wegen klein: Hier geht es am Ende um das Große Ganze, um das letzte Aufbäumen der Menschheit, um alles oder nichts.

Mittendrin immer der staunende Matt Damon, der leider irgendwann kaum noch eine tragende Rolle in seinem eigenen Film mehr spielt. Sehr bedauernswert, denn Payne ist immer dann gut, wenn er nah an seinen Figuren bleibt. Doch auch die werden hier mit äußerst variierendem Erfolg gezeichnet: Für jede großartige Hong Chau, die eine pragmatische vietnamesische Dissidentin mit resolutem Charme verkörpert, gibt es einen scheel grimassierenden Christoph Waltz, der zum x-ten Mal sein patentiertes Hollywood-Programm abspult (These: Sind Waltz’ sämtliche US-Kino-Auftritte ein einziger Witz?) Downsizing verliert sich in seinen zahllosen Ansätzen, ist Ideenkino ohne Idee wohin, ist gut gemeint und gut gemacht, aber letzten Endes doch ziel- und kraftlos. Selten zuvor hat Alexander Payne seine empathische Message so explizit wie hier vorgetragen: An einer Stelle des Films hält eine der Figuren tatsächlich einen Vortrag über die Größe des Menschen im Angesicht scheinbar unüberwindbarer Herausforderungen. In gewissem Sinne ist Downsizing somit vielleicht sogar Paynes humanistischstes Werk. Schade nur, dass er seine kleinen Figuren dabei irgendwann aus den Augen verloren hat.

„Downsizing“ ist seit dem 18. Januar bei uns im Kino zu sehen.

Downsizing• USA 2017 • Regie: Alexander Payne • Darsteller: Matt Damon, Hong Chau, Christoph Waltz, Kristen Wiig, Jason Sudeikis, Rolf Lassgård, Udo Kier

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Knochenleser und Sonnensegler

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Der 1966 geborene Waliser Alastair Reynolds (im Shop), der jahrelang als Astrophysiker für die Europäische Raumfahrt Agentur tätig war, zählt zu den bekanntesten und beliebtesten britischen Science-Fiction-Autoren seiner Generation. Neben einem Roman zum Kult-Franchise „Doctor Who“ und der Arthur-C.-Clarke-Hommage „Die Medusa-Chroniken“ (im Shop) – einem Gemeinschaftsprojekt mit Stephen Baxter – verfasste Reynolds zahlreiche eigenständige, erfolgreiche SF-Romane. Seine zwischen den Subgenres der Hard-Science-Fiction und der Space Opera verorteten Werke werden auf der ganzen Welt gelesen, und so gewann Reynolds bisher nicht nur den British Science Fiction Award, sondern erhielt er auch den japanischen Selun Award und Nominierungen für den amerikanischen Hugo. Sein Roman „Revenger“, der von Irene Holicki ins Deutsche übertragen wurde und im Januar unter dem Titel „Rache“ bei Heyne erschienen ist, steht aktuell auf der Shortlist für den Philip K. Dick Award und wurde 2017 bereits mit dem Locus Award als bestes Young-Adult-Buch ausgezeichnet.

„Rache“ setzt viele, viele Jahre in der Zukunft ein. In einem von der Menschheit erschlossenen Universum, in dem die Erde und die Alte Sonne nur noch ferne Erinnerungen sind, wird zwischen den Raumschiffen mithilfe uralter Alien-Schädel per Funk kommuniziert. Die siebzehnjährige Fura und ihre nicht viel ältere Schwester Adrana scheinen ein Talent fürs Knochenlesen zu haben, also für die Arbeit mit den Brückenkappen und Schädeln im gruseligen Knochenraum eines Schiffes. Ohne die Erlaubnis ihres bankrotten Vaters heuern die beiden Schwestern auf Kapitän Rackmores fischförmigem, stacheligem Schiff Monettas Weh an, das in einem Raumhafen ihrer Heimatwelt liegt. Rack und seine kleine Crew fliegen dank Ionenantrieb und Sonnensegeln durch den Weltraum und haben es auf die Blasen abgesehen, temporräre Zugänge zu alten Welten, die Rackmore und Co. um ihre Artefakte und Schätze erleichtern – ein risikoreicher, aber lukrativer Job. Die Konkurrenz ist groß, folgt jedoch wenigstens einem gewissen Codex. Allerdings lauern in der Finsternis des Alls zugleich berüchtigte und blutrünstige Piraten. Ich-Erzählerin Fura spürt schnell, dass ihr ein großes, gefährliches Abenteuer bevorsteht, und plötzlich treibt die belesene Tochter aus gutem Hause sogar der Durst nach Rache an …

Mit all dem bedient und verknüpft Alastair Reynolds mal wieder mehrere Sujets der Zukunftsliteratur. Zunächst ist „Rache“ ein klassisches SF-Abenteuer und eine schöne traditionelle Space Opera. Doch Reynolds wäre nicht Reynolds, würde er zwischendurch nicht immer mal einen Brocken kosmischer Hard-SF in sein fremdartiges Universum werfen. Die Sonnensegler und die altmodischen, zusammengestückelten Raumanzüge in „Rache“ haben indes einen Touch von Far-Future-Steampunk im All. Der astronomisch bewanderte Genre-Crack braucht rund dreißig Seiten, bis er in seiner weit entfernten Zukunft angekommen ist, und hin und wieder könnte der Plot ein bisschen mehr Licht und Wind in den Segeln vertragen – dafür hat der Waliser seine Story von Anfang bis Ende souverän konstruiert und positioniert die entscheidenden Details seiner Geschichte auf den gesamten 550 äußerst geschickt. Dazu kommt, dass Reynolds es versteht, ein vages Gefühl für seinen riesigen Kosmos zu vermitteln, ohne gleich alles vollständig zu enthüllen oder zu erklären. Er spielt geradezu mit der Genre-Intuition seines Lesers, kitzelt und lockt seine Vorstellungskraft, anstatt jeden Zusammenhang oder Begriff augenblicklich haarklein zu erläutern, während er noch Aliens, Finanzcrashs, Roboter und Phantomwaffen einwebt. Das macht es spannend, Reynolds Zukunftssetting zu erkunden und zu erfahren.

Angesichts der Hard-SF-Elemente und der Brutalität einiger Szenen wundert es ein wenig, dass „Rache“ als bestes Werk für junge Erwachsene den Locus Award erhielt. Selbst Reynolds zeigte sich erstaunt über diese Einordnung seines Romans, die übrigens von keinem seiner internationalen Verlage vorgenommen oder übernommen wurde. Höchstwahrscheinlich spielen hier das Alter und die Entwicklung der siebzehnjährigen Ich-Erzählerin Fura eine Rolle; und vermutlich wollte man mit dem Award zurecht primär hervorheben, wie zugänglich „Rache“ als oldfashioned SF-Einzelroman inmitten all der seriellen bzw. speziellen Geschichten auf dem Markt geraten ist. Inzwischen steht gleichwohl fest, dass 2019 mit „Revealer“ im englischen Original ein Sequel aus der Welt der Knochenleser und Sonnensegler kommen soll. An der Zugänglichkeit von „Rache“, das als Einteiler konzipiert war, ändert das natürlich nichts.

Wer immer mal ein Buch von Alastair Reynolds lesen wollte und sich an abenteuerlichen Space Operas erfreut, der ist bei „Rache“ deshalb schon jetzt richtig.

Alastair Reynolds: Rache• Heyne, München 2018 • 557 Seiten • E-Book: 9,49 Euro

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Merke: Tentakelmonster sind die besseren Liebhaber

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„The Untamed“ ist einer dieser Filme, die mit ein paar dermaßen eindrücklichen Was-in-drei-Teufels-Namen-hab-ich-denn-da-bitte-gerade-gesehen-Momenten gewürzt sind, dass man sich, aus Angst ein Partysprenger zu sein, an eine Review fast nicht rantraut, deswegen ein kleiner Hinweis vorweg: Vielleicht erst anschauen, dann den Text lesen – soviel schon mal: Auch der neue Film von „Heli“-Regisseur Amat Escalante  kommt nicht ohne Delle aus, ist aber trotzdem hervorragend gemacht, packend und man wird sich garantiert drei Tage später noch fragen, was in drei Teufels Namen man da eigentlich gerade gesehen hat. Das ist durchaus eine ganze Menge wert.

Der kurze, knallige Anheizer (Frau! nackt! erregt! Andeutung eines Tentakels!) führt in die Irre, in den folgenden sechzig Minuten wird erstmal ein geerdetes, ruhiges Familiendrama aufgefächert, das zwar von subtilen Mystery-Elementen umwabert wird, sich allerdings erstmal weigert die Karten offen auf den Tisch zu legen.

Erzählt wird von der jungen Mutter Alejandra, eine berufstätige, sexuell unterversorgte Hausfrau, die mit dem lieblosen Proll-Ehemann Angel verheiratet ist. Ihr Bruder Fabian ist als Krankenpfleger im örtlichen Krankenhaus tätig und schwul. Letzteres ist im erzkonservativen Mexiko nicht ganz unproblematisch, richtig schwierig wird die Situation allerdings dadurch, dass Fabian ausgerechnet ein Verhältnis mit Angel hat, der seine Homosexualität mit einem betont aggressiven Macho-Auftreten zu übertünchen versucht. Eines Tages gerät Fabian im Krankenhaus an die mysteriöse Veronica, die behauptet von einem Hund gebissen worden zu sein, allerdings ist das nicht die ganze Wahrheit: In einer Hütte im nahe gelegenen Wald lauert ein Tentakelwesen aus dem All, das mittels Meteoriteneinschlag auf die Erde gekommen ist und seinen Opfern, die ihn von einem hippiesken Forscherpärchen zugeführt werden, die Erfüllung aller sexuellen Sehnsüchte verspricht, aber ebenso Gefahr für Leib und Leben bedeuten kann, denn auch außerirdische Sex-Aliens langweilen sich irgendwann mit ihren Geschlechtspartnern.

Wer nun an Andrzej Zulawskis „Possession“ (1983) denkt liegt nicht ganz falsch, allerdings fährt „The Untamed“ dennoch auf einer eigenen Autobahn, ist trotz deutlicher Ambitionen in diese Richtung weniger Kunstfilm als bizarrer Genremix, der es nicht so ganz schafft seine beiden disparaten Elemente komplett unter einen Hut zu bringen. Dass zum Beispiel das Monster für das Animalische im Menschen steht, liegt auf der Hand, ebenso, dass ein rigoroser Katholizismus die Menschen ins Verderben stürzt, aber Escalante strickt die angerissenen Themen nicht weiter, gewinnt keine neuen Erkenntnissen aus dem Gegebenen, weswegen sein Film auf halber Strecke zwischen ambitionierten Drama und Exploitation stehen bleibt.

Dass das leicht bröckelige Fundament aber trotzdem nicht zusammenkracht liegt an der tadellosen Umsetzung. Es ist kaum zu glauben, dass die vier tragenden Rollen von Newcomern gespielt werden, vor allem Jesús Meza lässt als Angel die Angst und Verzweiflung hinter seiner eigentlich unsympathischen Figur mehr und mehr hervorsickern und schafft es so seinen undankbaren Part mit einer gewissen Tragik zu unterfüttern. Eingekleidet ist das zwischen sprödem Realismus und lovecraftscher Morbidität hin- und her pendelnde Kuriosum in tollen Bildern von Manuel Alberto Claro („Melancholia“, „Nymphomaniac“), der in seinen besten Momenten genau die Motive findet, die man beim Genuss der literarischen Hinterlassenschaften des Cosmic-Horror-Gurus aus Providence schon immer im Kopf hatte.    

Auch wenn „The Untamed“ kurz vor der Ziellinie stehen bleibt, handelt es sich doch um einen ungemein faszinierende Film, der sich was traut. In einer besseren Welt sollten dafür deutschlandweit zum Bersten volle Kinosäle zur Belohnung winken, aber natürlich – es ist zum Heulen – gibt’s mal wieder nur extrem wenige Möglichkeiten sich im Lichtspieltheater so richtig durchbügeln zu lassen (alle Termine hier!)

„The Untamed“ startet am 11.01.2017 im Kino.

The Untamed(Mexiko/Dänemark/Frankreich/Deutschland/Norwegen/Schweiz 2016) • Regie: Amat Escalante • Darsteller: Ruth Ramos, Simone Bucio, JesúsMeza, Eden Villavicenio, Andrea Peláez, Oscar Escalante, Bernarda Trueba, Fernando Corona, Kenny Johnston

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Im Bahnhof der Zukunft

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Es gibt englischsprachige Bücher, von denen man als Fan verlockender Zukunftsliteratur im Grunde gar nicht zu hoffen wagt, dass sie je auf Deutsch erscheinen. Bei „Central Station“ aus der Feder des in London Lebenden Israeli Lavie Tidhar (im Shop), der für seinen Parallelweltroman „Osama“ mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet wurde und seit Jahren eine ganz spannende Stimme der internationalen Genre-Literatur stellt, handelt es sich eigentlich um genau so ein Buch. Doch nun können deutschsprachige Leser seit Anfang des Jahres die Heyne-Ausgabe des ursprünglich 2016 veröffentlichen Werks in Händen halten oder auf ihren Reader beamen lassen …

Central Station ist der Name eines gigantischen Weltraumbahnhofs im futuristischen Tel Aviv, aber auch des Multikulti-Viertels, das um ihn herum wuchert und pulsiert. Während die Menschheit längst das All besiedelt hat, lebt man auf der Erde von Morgen sowohl in der Realität, als auch in der Virtualität. Die permanente UNTERHALTUNG, die aus den Leben und Gedanken der durch Implantate vernetzten Menschen und der digitalen Lebensformen gespeist wird, scheint überall zu sein – immer online, immer hörbar, immer abtastbar, immer verfolgbar, immer lesbar, immer erfahrbar. Dazu kommen uralte Cyborg-Veteranen, Tentakelsüchtige, Robotpriester, Datenvampire, altmodische Buchliebhaber ohne Netzimplantat, aus Codes und Genen bestehende Wunderkinder, adaptive Pflanzensiedlungen, Goldfarmer in einer virtuellen Game-Realität, gehackte und im Labor gezüchtete Lebensformen, kluge Schrottsammler, programmierende und handwerkende Göttermacher, Orakel mit einem digitalen Symbionten sowie Heimkehrer vom Mars, die ein parasitäres Aug am Hals haben, das ihre Wahrnehmung verändert und erweitert …

Die Kapitel, die Lavie Tidhar zu seinem faszinierenden, vor Ideen überbordenden Episodenroman „Central Station“ verstrickt hat, erschienen in ihrer ursprünglichen Form ab 2011 als einzelne Kurzgeschichten in amerikanischen Science-Fiction-Magazinen wie „Clarkesworld“, „Strange Horizons“ und „Interzone“, oder in Anthologien wie „Robots. The Recent A.I.“ und „Dark Faiths. Invocations“. Außerdem sind die Geschichten über Central Station Teil einer großen, traditionellen Future History namens ‚The Continuity Universe’, innerhalb dem Tidhar all seine SF-Erzählungen ansiedelt, ob sie nun im All oder auf der Erde spielen. Im zusammengesetzten Mosaik „Central Station“ geht es dabei weniger um die Sehnsucht nach der Weite und den Möglichkeiten des besiedelten Weltraums, sondern viel mehr um die weiterentwickelte Gesellschaft auf Erden. Immerhin findet um den Weltraumbahnhof, der die jüdischen und arabischen Konfliktparteien der Stadt wie ein Puffer voneinander trennt, ein permanentes Ringen um die Frage statt, was Menschlichkeit und was Realität bedeutet. Beides lässt sich schließlich nicht mehr so leicht definieren.

Tidhars Fiction sprüht nur so vor Bildern und Aufzählungen, die eine lebendige Zukunft zwischen digitaler Intelligenz, realer Virtualität und vollzogenem Transhumanismus formen – dazu muss der Weltbürger Tidhar gar nicht viel ausformulieren, ja genügt es meistens schon, genug anzureißen und auf die Vorstellungkraft und auf alle Sinne des Lesers einzustürmen. Die einzelnen Elemente und Einfälle erscheinen zudem wie ein Streifzug durch die großen Epochen der SF-Literatur und verweisen auf die Themen der wichtigsten und interessantesten Autoren des Sujets: Arthur C. Clarke, Isaac Asimov, Robert Heinlein (Expansion, Roboter), Philip K. Dick (die Frage nach der Realität, dem Anrecht künstlicher Menschlichkeit und nach Gott), Ray Bradbury (der altmodische Bücherfreund, der Mars, das Lyrische), William Gibson (Cyberpunk um die virtuelle Realität), Paolo Bacigalupi (Biopunk mit Leben, das wie Software gehackt und reproduziert wird), Jeffrey Tomas (die Punktown-Mischung aus Horror und SF), Richard Morgan (das Bewusstsein in künstlichen Körpern), James S. A. Corey (Abenteuer, Kolonien und Mächte im Gürtel und darüber hinaus), und aufgrund des jüdischen Settings natürlich Michael Chabon. Zumal die verknüpften Lebensgeschichten aus der Welt um und über dem Weltraumbahnhof Erinnerungen an „Babylon 5“ wecken …

„Central Station“ ist kein stringenter, klassischer Roman, aber klassische Science-Fiction und vor allem hervorragende und aktuelle Ideenliteratur – ein reichhaltiger Episodenroman für Liebhaber der SF-kurzgeschichte, und zwar aller Generationen, Epochen und Subgenres.

Lavie Tidhar: Central Station• Aus dem Englischen von Friedrich Mader • Heyne, München 2018 • 352 Seiten • E-Book: 8,99 Euro (im Shop)

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Hoffnungsvoll in eine dunkle Zukunft

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Dass wir bei diezukunft.de für technologischen Fortschritt einstehen, sollte jedem ersichtlich sein. Dass wir bei den rasanten Entwicklungen jedoch schnell den Überblick verlieren können, passiert wohl jedem von uns. Um unsere Moral in einer technisierten Welt zu sichern, muss uns hin und wieder vielleicht etwas Einhalt geboten werden mit einem Blick in einen düsteren Spiegel. Und genau hier setzt die britische Erfolgsserie „Black Mirror“ das I-Tüpfelchen und offenbart uns makabere, aber äußerst spitzfindige Versionen von technisch versierten, dystopischen Zukünften, die nicht so weit entfernt scheinen.

Längst aus dem Nischenbereich eines Geheimtipps entstiegen, richtet „Black Mirror“ den Blick auf ein technisches Konzept, oder soziale Strukturentwicklungen, die sich aus unseren heutigen Gepflogenheiten entwickeln könnten. Sei es Cyberterrorismus, der Wahn um Social Media und soziale Netzwerke oder gar Alterssterblichkeit. Jede Folge funktioniert eigenständig und unabhängig voneinander und beleuchtet einen Aspekt unserer Gesellschaft auf dramaturgisch überspitzte Weise. Nach drei Staffeln, einem Special und insgesamt 13 Episoden ist nun auch die gesamte vierte Staffel erschienen (in Deutschland beim Streaming-Dienst Netflix in einem Happen zu verschlingen) und bietet sechs weitere Stunden die Möglichkeit per Fernrohr in eine noch abwendbare, dunkle Zukunft zu blicken. Aber wie schlägt sie sich?

Nach einer durchwachsenen dritten Staffel, die viel zu häufig auf Plottwists beharrte, richtet sich die vierte Staffel wieder an alten Werten der ersten zwei Staffeln aus, prescht mutig in ungeahnte Weiten voran – und hinterlässt sogar ein unerwartetes Fünkchen Hoffnung.


„USS Callister“

Die erste Episode, „USS Callister“, wirkt zunächst absichtlich wie eine blanke „Star Trek“-Homage. Aber „Black Mirror“ wäre nicht „Black Mirror“, wenn nicht nach kurzer Zeit der Teppich unter den Füßen entrissen wird und wir in die wahren Hintergründe blicken: Die virtuelle Realität des Videogames „Infinity“ und den einsamen und übergangenen Chefentwickler Robert Daly. Während Daly ein Leben auf dem Abstellgleis führt, tyrannisiert er seine KI-Mitarbeiter in der virtuellen Welt und ergreift sich so die ihm fehlende Autorität. Mit der Folge „USS Callister“ bringt „Black Mirror“ ein Novum in die sonst so düstere Atmosphäre, welche die drei vorhergegangenen Staffeln durchdrang: Humor und gar ein Funken Hoffnung. Neben Wortwitz und hervorstechenden Figuren prahlt die erste Episode aber allem voran mit ihren Spezialeffekten. Wenn Bordpersonal auf Planetenoberflächen gebeamt wird oder sich die „USS Callister“ durch tiefen Weltraum bewegt: Für eine britische TV-Serie sehen die Effekte phänomenal aus. Wenn es um einen umwerfenden Ersteindruck geht, trifft Serien-Erfinder Charlie Brooker mit „USS Callister“ voll ins Schwarze.

„Arkangel“, die zweite Episode, besinnt sich am meisten alter Stärken der ersten Staffeln, indem ein bereits heute diskutiertes Thema als Grundlage genommen und dramaturgisch auf die Spitze getrieben wird. Die junge Sara wird auf Geheiß ihrer Mutter mit einem Chip ausgestattet, der nicht nur sämtliche Vitalwerte Saras überwacht, sondern sie jederzeit aufspüren kann und sogar ihr direktes Sichtfeld auf einer Steuereinheit projiziert und dieses beeinflusst mit einem „Filter“ gegen Gewalt und „verstörende“ Eindrücke. Jodie Foster führte bei der Episode Regie und ist die erste weibliche Regisseurin bei „Black Mirror“. In ihrer strukturiert-aufgebrochenen Erzählweise, die diverse Lebensabschnitte Saras zeigt, ist die Folge zwar erfolgreich, fühlt sich aber hier und da eher wie eine Coming-Of-Age-Story an. Die Reaktionen Saras und ihrer Mutter sind zunächst verständlich und nachvollziehbar, werden aber mit voranschreitender Zeit immer absurder und wirken wie ein reines Mittel zum Zweck um den Plot voranzutreiben.


„Krokodil“

In der dritten Episode, „Krokodil“, wird die erfolgreiche Architektin Mia von einem folgenschweren Fehler ihrer Vergangenheit heimgesucht, während Versicherungsagentin Shazia mit Hilfe eines „Recallers“, einer Maschine, die Erinnerungen per Monitor einsehbar macht, einen Unfall klären will. Auf dem Regiestuhl befindete sich John Hillcoat (The Road) und führt gekonnt die beiden unwissenden Kontrahentinnen Mia und Shazia schleichend zueinander. Das Aufeinandertreffen ist unausweichlich, aber dennoch ist das „wie“ und „warum“ letztlich der spannendste Aspekt der Folge, während man eine fantastische Andrea Riseborough (Oblivion) als Mia langsam in den Abgrund driften sieht. Besonders Mias besagter verzweifelter Abstieg wird durch das Ende hervorragend auf den Punkt gebracht. Da tut selbst das voraussehbare Skript der Spannung keinen Abbruch.


„Metallkopf“

Das Herzstück der Staffel erwartet den Zuschauer jedoch im äußerst charmanten „Hang the DJ“, der vierten Folge. Eine neue Dating-App, samt hilfsbereitem Gizmo, verspricht dem User den perfekten Partner zu finden. Dazu müssen jedoch angeordnete Beziehungen geführt werden, die von einem wenige Stunden andauernden Flirt bis hin zur jahrelangen quälenden Partnerschaft gehen können. Die User erfahren die angeordnete Dauer erst, wenn sie auf den Datingpartner treffen und müssen dem System Folge leisten, um irgendwann den „perfekten Partner“ zugeteilt zu bekommen. Siri, Amazons Echo und Tinder kommen sofort in den Sinn und „Hang the DJ“ wirft intelligente Fragen auf und liefert zudem zufriedenstellende Antworten. Aber die Show stehlen im wahrsten Sinne die beiden App-User Amy und Frank, die über die Jahre immer wieder zueinander finden und sich nicht loslösen können. Die brodelnde Chemie zwischen den Figuren und Schauspielern ist unverkennbar und löst sich von den oft tristen, verzweifelten und brütenden Charakteren der Serie komplett los. Der vordergründige Humor Franks und Amys kecke, liebreizende Art geben der Episode einen unerwarteten Aufwind, den man so nicht von „Black Mirror“ gewohnt ist und als Zuschauer sehnt man sich nach dem nächsten Aufeinandertreffen der beiden und der logischen aber cleveren Auflösung der Story.

Mit Episode 5, „Metallkopf“, zeigt „Black Mirror“ wohl am deutlichsten seine Wurzeln der klassischen Anthologie-Serie der 60er - „Twilight Zone“ von Rod Serling. An Rod Serlings Klassiker erinnert jedoch nicht nur die hervorstechende Schwarz-Weiß-Optik der Folge. Auch die Handlung wird auf ihr wesentlichstes reduziert und funktioniert fast gänzlich mit einer einzigen Protagonistin, die von einem hundeähnlichen Roboter gejagt und malträtiert wird. Stilistisch ist „Metallkopf“ wohl eine der auffälligsten Folgen „Black Mirrors“ und erinnert eher an einen Hitchcock-Thriller als an eine Sci-Fi-Story. Wäre da eben nicht besagter Roboter.


„Black Museum“

Auch mit der letzten Episode, „Black Museum“ wird Neuland beschritten, indem es die erste Folge der Serie ist, die offensichtliche Bezüge zu anderen Einstündern „Black Mirrors“ herstellt. Das titelgebende „Black Museum“ ist im Besitz von Kurator Rolo Haynes, der „authentische kriminologische Artefakte“ ausstellt und Besuch von einer jungen in der Wüste gestrandeten Frau bekommt. Die Episode ist in mehrere kleine, zunächst unabhängige Geschichten unterteilt, die Haynes der jungen Frau erzählt, welche selbst an und für sich Plots für eigenständige „Black Mirror“-Folgen hätten sein können. Rolo Haynes erinnert an eine enigmatische Version Rod Serlings in seiner Rolle als Kurator und man könnte sich die Figur als wiederkehrende Rolle in „Black Mirror“ gut vorstellen. „Black Museum“ klingt auf dem Papier zunächst etwas zusammenhangslos, entpuppt sich durch äußerst cleveres Writing und ein funktionierendes Ende als eine der besten Episoden der neuen Staffel.

Mit der vierten Staffel betritt „Black Mirror“ erneut neue Dimensionen und zeigt viel Mut, der sich in fast allen Fällen bezahlt macht. Ein Gefühl von Frische macht sich breit, wie es seit der ersten Staffel nicht mehr vorhanden war. Und auch die gewagteren Experimente wie „Metallkopf“ zeigen, dass die Regeln, die einst „Twilight Zone“ setzte, heute immer noch funktionieren: Nämlich mit wenigen Ressourcen etwas Fantastisches zu schaffen.

Die vierte Staffel von „Black Mirror“ ist seit dem 29. Dezember 2017 auf Netflix erhältlich.

Black Mirror: Season 4• Großbritannien 2017 • Regie: u.a. Jodie Foster • Darsteller: Jesse Plemons, Cristin Milioti, Georgina Campbell, Joe Cole, u.v.m

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Ein Titel wie ein Horrorthriller, der eine Bedrohung ankündigt, ein wie auch immer geartetes Etwas, das des Nachts sein Unwesen treibt. Das Trey Edward Shults „It Comes at Night“ zudem fast ausschließlich in einer Hütte im Wald spielt, lässt ihn erst recht wie ein Epigone unzähliger Filme machen, in denen die fast schon sprichwörtliche Cabin in the Woods der Ort des Grauens ist.

Gleich die erste Szene lässt jedoch ahnen, dass es hier um ein etwas anderes Grauen geht, das weniger bestimmt als ein Zombie oder sonst wie besessene oder dämonische Kreaturen ist, aber viel bedrohlicher: Da sieht man Paul (Joel Edgerton) mit dauerhaft ernster Mine, hinter einem dichten Bart versteckt, einen Mann in der Schubkarre in den Wald fahren, begleitet von seinem Teenager-Sohn Travis (Kelvin Harrison Jr.) und den Mann, der Travis Großvater ist, mit einem gezielten Schuss töten, bevor er ihn verbrennt.

Kein Mord, sondern ein Gnadentod ist dies, denn die Welt, in der „It Comes at Night“ spielt, ist verseucht, von einer nicht weiter definierten Plage bedroht, einer Seuche, die sich offenbar durch die Luft verteilt. Zusammen mit seiner Frau Sarah (Carmen Ejogo) lebt Paul verbarrikadiert in eben jener Hütte, ständig auf der Hut vor einer Bedrohung. Die sich eines Nachts durch Will (Christopher Abbott) zu bewahrheiten scheint, der jedoch um Hilfe bittet. Nach langem Zögern willigt Paul ein, weniger aus Mitmenschlichkeit, als des Versprechens wegen, dass Will und seine Frau Kim (Riley Keough) ein paar Ziegen und Hühner besitzen und so zur Hausgemeinschaft beitragen können. Zusammen mit ihrem kleinen Sohn Andrew (Griffin Robert Faulkner) ziehen sie also in die Hütte ein und für ein paar Tage scheint es so, als könnte hier eine Gemeinschaft entstehen.

Was natürlich eine Utopie ist, die in diesem düsteren, dystopischen Blick auf die Gegenwart keinen Platz hat. Von Misstrauen geprägt, ständig auf der Hut vor Verrat, belauschen sich die beiden Paare und mittendrin die Kinder, die in einer Welt aufgewachsen sind, in der Mitmenschlichkeit kaum noch existiert. Bezüge zur Gegenwart sind leicht zu finden, die Eindringlinge als Flüchtlinge zu lesen, die sich in ein gemachtes Nest setzen, liegt auf der Hand, das Paul und Sarah ein weiß-schwarzes Paar sind öffnet weitere interessante Konnotationen, die Trey Edward Shults jedoch nicht explizit macht.

Statt dessen hält er eine feine Balance zwischen konkreten Informationen und vagen Andeutungen, gibt genug Hintergrund, um seine Geschichte nicht allzu unbestimmt wirken zu lassen, bleibt aber doch unbestimmt genug, um nicht die vielen Möglichkeiten zu negieren, die in seiner Versuchsanordnung stecken. Trotz mancher hervorragend inszenierter Spannungsmomente ist „It Comes at Night“ am Ende weniger ein Thriller, als ein psychologisches Kammerspiel, das auf subtile Weise andeutet, wie ein konstantes Gefühl der Bedrohung, dauerhaftes Misstrauen, das Gemeinschaftsgefühl einer Gesellschaft zerstört.

„It Comes at Night“ startet am 18. Januar im Kino

It Comes at Night• USA 2017 • Regie: Trey Edward Shults • Darsteller: Joel Edgerton, Carmen Ejogo, Kelvin Harrison Jr.

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Seitdem Hollywood 2014 mal wieder den Versuch unternommen hat, eines der populärsten japanischen Kulturgüter zu amerikanisieren, scheint sich bei der Produktionsfirma Toho der Kampfgeist geregt zu haben: „Wir nehmen zwar gerne euer Geld, aber UNSER Godzilla ist immer noch der einzig Wahre und vor allem der Größte!“

Shin Godzilla“ läutete 2016 mit einer ungewöhnlichen Mischung aus satirisch angehauchtem Katastrophenthriller und Oldschool-Kaijū Eiga die Rückkehr unser aller Lieblingsmonsterechse erfolgreich ein – kein Film hat in diesem Jahr die japanischen Kinokassen mehr zum klingeln gebracht! Außerdem wurde Godzilla um satte 10,5 Meter gegenüber der mit 108 Meter bis dato größten US-Variante aufgestockt – eine eindeutigere Kampfansage kann man wohl kaum machen!

Die nächste US-Version wird wohl nicht vor 2019 über die Leinwand trampeln, Toho schickt mit „Godzilla – Planet der Monster“ bereits jetzt einen weiteren Titel, den ersten Anime der Franchise, ins Rennen und hat noch eine Schippe drauf gelegt: Der Godzilla in diesem Film ragt satte 300 Meter in die Höhe! Natürlich handelt es sich „nur“ um eine CGI-Variante, aber sie funktioniert prächtig: Der Widererkennungswert ist sofort da, der Look ist dankenswerterweise relativ klassisch gehalten, zugleich wirkt das Kult-Viech wirklich gigantischer und darüber hinaus kräftiger, massiger und kantiger als zuvor, quasi wie ein Arnold Schwarzenegger unter den Monstern. Das extrem pompöse Erscheinungsbild liegt darin begründet, dass die Atombomben-Allegorie des ersten Films von 1954 maximal potenziert wurde. Godzilla ist hier eine Allmacht, eine Art gottgesandte Bestrafung für die Arroganz der Menschheit, gegen die weder die Bevölkerung, noch zur Hilfe eilende Bewohner anderer Galaxien eine Chance haben.

„Planet der Monster“ ist nicht nur der erste Anime-Film, sondern auch der erste reinrassige Science-Fiction-Film der Reihe: Die Geschichte spielt im Jahr 2048, die Menschheit will auf den Planeten Tau Ceti e auswandern, weil Godzilla die Erde nahezu komplett zerstört hat. Als die Vorhut nach einer 20jährigen Reise allerdings dort ankommt, muss man entsetzt feststellen, dass die vermeintliche Zuflucht mittlerweile unbewohnbar geworden ist, weswegen der rebellische und von Hass auf das Monster völlig zerfressene Haruo beschließt die Erde zurückzuerobern. Wieder zurück erwartet die Truppe allerdings eine große Überraschung: Mittlerweile sind 20.000 Jahre vergangen, ein neues Ökosystem hat sich entwickelt und der Herrscher dieser neuen Welt ist: Godzilla!

Die Geschichte ist ganz zeitgemäß als Trilogie angelegt, Drehbuchautor Gen Urobuchi („Psycho Pass“) lehnt sich mit seinem Skript aber recht weit aus dem Franchise-Fenster und wagt auch für den ersten Teil einer Trilogie, der ja eigentlich die Hauptaufgabe hat, das Publikum fix an die Leine zu legen, recht viel. Was nämlich auf dem Papier wie eine simple Vorlage für einen spaßigen Monster-Klopper klingt, wird als eher spröder, finsterer Quasi-Kriegsfilm mit einer miesepetrigen, unzugänglichen Hauptfigur präsentiert, der die ersten Zweidrittel der Laufzeit viel mit Besprechungen zum richtigen Vorgehen im Kampf gegen Godzilla verbringt. Dieser, wie beim letzten Realfilm, erneut ziemlich trockene, „realistische“ Anstrich, ist nicht ohne Reiz, sorgt aber dafür, dass man emotional so gut wie gar nicht andockt (anders als in „Shin Godzilla“ wurden auch keinerlei Humorkrümel zur Auflockerung drübergestreut). Selbst ein vermeintlich tragischer Todesfall sorgt lediglich für ein Schulterzucken. Die wirklich schönen, stilvollen, stellenweise mit originellen Details (unter anderem schießen aus den Triebwerken der Raumschiffe rosaschimmernde Strahlen) aufwartenden Bilder und vor allem die lange Zeit zwar genüsslich aufgesparten, glücklicherweise aber dann sehr starken Auftritte der Hauptattraktion lassen einen schlussendlich doch auf die Fortsetzungen hoffen, der Große mit dem markanten Organ ist und bleibt einfach unwiderstehlich!

„Godzilla – Planet der Monster“ ist mitsamt einer mäßigen deutschen Synchronisation seit dem 17.01.2018 auf Netflix abrufbar.

Godzilla – Planet der Monster(Japan 2017) • Regie: Hiroyuki Seshita, Kôbun Shizuno • Sprecher: Kana Hanazawa, Yuki Kaji, Kenta Miyake, Mamoru Miyano, Daisuke Ono, Tomokazu Sugita

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Alexander Payne ist der große Humanist unter den heute arbeitenden Regisseuren des amerikanischen Mainstream-Kinos. Filme wie About Schmidt, Sideways, The Descendants, sein Beitrag zur Anthologie Paris, je t’aime oder zuletzt Nebraska sind hellwache Observationen und Explorationen der Conditio humana voller Empathie, narrativer Kompetenz und extratrockenem Humor. Ein wahrer Menschenfreund, dessen nicht besonders umfangreiches Werk – gerade mal neun Regiearbeiten in den letzten 26 Jahren – in erster Linie von der Sympathie zu seinen Protagonisten geprägt ist, von ihren großen und kleinen Problemen bei dem Versuch, mit den Irrungen und Wirrungen des Lebens klarzukommen. Es sind oft ganz gewöhnliche Menschen an neuralgischen Punkten ihrer Biografie, deren etablierte Routinen und Gewohnheiten ihnen plötzlich keine Stabilität mehr bieten, Charaktere, die sich aus den verschiedensten Gründen plötzlich außerhalb ihrer Komfortzone wiederfinden.

Insofern steht Paul Safranek, der Held seines ersten Ausflugs in SF-nahe Gebiete,  durchaus in der Tradition von Jack Nicholsons frischgebackenem Rentner Warren R. Schmidt oder George Clooneys Matt King. Doch sind es hier nicht scheinbar profane Ereignisse wie der Eintritt in den Ruhestand oder Erbschaftsprobleme auf Hawaii, die den Protagonisten auf eine Reise ins eigene Ich schicken. In seiner ersten Regiearbeit seit vier Jahren will Payne mehr – und genau das ist das Kernproblem dieses leider recht unfokussierten Films, dessen Prämisse zu seinen größten positiven Qualitäten zählt.

Wir befinden uns irgendwann in naher Zukunft, und norwegische Forscher haben den Schlüssel zur Lösung von Problemen wie Überbevölkerung und Ressourcenknappheit gefunden. Und der lautet: „Downsizing“. In diesem speziellen Fall bedeutet dies: Menschen können auf Fingergöße geschrumpft werden, was ihre Umweltverträglichkeit deutlich verbessert. Die Bezeichnung dieser Prozedur ist großartig doppeldeutig gewählt; denn während der Begriff im englischen Sprachgebrauch eher metaphorisch gebraucht wird, um besseres Haushalten und mehr Bescheidenheit (aber auch: Personalreduzierung) auszudrücken, kommt mit dem Downsizing in dieser Welt der soziale Aufstieg. Und den hat auch der abgebrochene Medizinstudent und Betriebsphysiotherapeut Safranek im Blick, der mit seiner Frau gerade so über die Runden kommt. Die körperliche Verkleinerung jedoch verspricht eine signifikante Vergrößerung des Bankkontos, denn weniger Verbrauch bedeutet mehr Geldwert. Also entscheidet sich das Mittelstands-Ehepaar für die Prozedur, um in Zukunft eine feudale Villa in der Gated Community Leisureland zu bewohnen. Doch als Pauls Frau kalte Füße bekommt, entwickeln sich die Dinge deutlich anders als geplant. 

Bis zu diesem Zeitpunkt ist Downsizing, der Film, ein erstaunlich effektives Stück milder Satire, deren leicht absurder Tonfall erstaunlich gut mit Paynes Sensibilität korrespondiert. Die akkurate Darstellung des amerikanischen bürgerlichen Milieus, der Realismus der Schauspieler, die sanfthumorige Halbernsthaftigkeit, mit der die im Grunde völlig abstruse Prozedur gezeigt wird – man nimmt ihm das alles ab. Die erste halbe Stunde macht einfach Spaß und neugierig auf alles, was Payne mit seiner vielversprechenden SF-Idee noch so vorhat.

Und das ist leider eine ganze Menge. Denn kaum hat Paul sein Domizil im Miniaturwunderland bezogen, erkennt er schnell, dass auch hier nicht alles so sauber läuft wie in der Puppenstube. Auch in Leisureland gibt es die „working poor“, gibt es Ghettos vor den Toren der Stadt, gibt es Krankheit, Ausgrenzung und gesellschaftliche Ungleichheit. Der Film verschiebt seinen Fokus nun von der munteren Satire hin zum Sozialdrama; doch das ist nicht der einzige ungelenke Haken, den er innerhalb seiner sehr langen Laufzeit (fast zweieinhalb Stunden) so schlägt. Spätestens auf einem Trip nach Norwegen zur ersten Minikolonie der Welt verlässt Payne die Grenzen seines immer größer werdenden Personalkarussells und begibt sich auf das Terrain der globalen Apokalypsevision. Von wegen klein: Hier geht es am Ende um das Große Ganze, um das letzte Aufbäumen der Menschheit, um alles oder nichts.

Mittendrin immer der staunende Matt Damon, der leider irgendwann kaum noch eine tragende Rolle in seinem eigenen Film mehr spielt. Sehr bedauernswert, denn Payne ist immer dann gut, wenn er nah an seinen Figuren bleibt. Doch auch die werden hier mit äußerst variierendem Erfolg gezeichnet: Für jede großartige Hong Chau, die eine pragmatische vietnamesische Dissidentin mit resolutem Charme verkörpert, gibt es einen scheel grimassierenden Christoph Waltz, der zum x-ten Mal sein patentiertes Hollywood-Programm abspult (These: Sind Waltz’ sämtliche US-Kino-Auftritte ein einziger Witz?) Downsizing verliert sich in seinen zahllosen Ansätzen, ist Ideenkino ohne Idee wohin, ist gut gemeint und gut gemacht, aber letzten Endes doch ziel- und kraftlos. Selten zuvor hat Alexander Payne seine empathische Message so explizit wie hier vorgetragen: An einer Stelle des Films hält eine der Figuren tatsächlich einen Vortrag über die Größe des Menschen im Angesicht scheinbar unüberwindbarer Herausforderungen. In gewissem Sinne ist Downsizing somit vielleicht sogar Paynes humanistischstes Werk. Schade nur, dass er seine kleinen Figuren dabei irgendwann aus den Augen verloren hat.

„Downsizing“ ist seit dem 18. Januar bei uns im Kino zu sehen.

Downsizing• USA 2017 • Regie: Alexander Payne • Darsteller: Matt Damon, Hong Chau, Christoph Waltz, Kristen Wiig, Jason Sudeikis, Rolf Lassgård, Udo Kier

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