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Knochenleser und Sonnensegler

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Der 1966 geborene Waliser Alastair Reynolds (im Shop), der jahrelang als Astrophysiker für die Europäische Raumfahrt Agentur tätig war, zählt zu den bekanntesten und beliebtesten britischen Science-Fiction-Autoren seiner Generation. Neben einem Roman zum Kult-Franchise „Doctor Who“ und der Arthur-C.-Clarke-Hommage „Die Medusa-Chroniken“ (im Shop) – einem Gemeinschaftsprojekt mit Stephen Baxter – verfasste Reynolds zahlreiche eigenständige, erfolgreiche SF-Romane. Seine zwischen den Subgenres der Hard-Science-Fiction und der Space Opera verorteten Werke werden auf der ganzen Welt gelesen, und so gewann Reynolds bisher nicht nur den British Science Fiction Award, sondern erhielt er auch den japanischen Selun Award und Nominierungen für den amerikanischen Hugo. Sein Roman „Revenger“, der von Irene Holicki ins Deutsche übertragen wurde und im Januar unter dem Titel „Rache“ bei Heyne erschienen ist, steht aktuell auf der Shortlist für den Philip K. Dick Award und wurde 2017 bereits mit dem Locus Award als bestes Young-Adult-Buch ausgezeichnet.

„Rache“ setzt viele, viele Jahre in der Zukunft ein. In einem von der Menschheit erschlossenen Universum, in dem die Erde und die Alte Sonne nur noch ferne Erinnerungen sind, wird zwischen den Raumschiffen mithilfe uralter Alien-Schädel per Funk kommuniziert. Die siebzehnjährige Fura und ihre nicht viel ältere Schwester Adrana scheinen ein Talent fürs Knochenlesen zu haben, also für die Arbeit mit den Brückenkappen und Schädeln im gruseligen Knochenraum eines Schiffes. Ohne die Erlaubnis ihres bankrotten Vaters heuern die beiden Schwestern auf Kapitän Rackmores fischförmigem, stacheligem Schiff Monettas Weh an, das in einem Raumhafen ihrer Heimatwelt liegt. Rack und seine kleine Crew fliegen dank Ionenantrieb und Sonnensegeln durch den Weltraum und haben es auf die Blasen abgesehen, temporräre Zugänge zu alten Welten, die Rackmore und Co. um ihre Artefakte und Schätze erleichtern – ein risikoreicher, aber lukrativer Job. Die Konkurrenz ist groß, folgt jedoch wenigstens einem gewissen Codex. Allerdings lauern in der Finsternis des Alls zugleich berüchtigte und blutrünstige Piraten. Ich-Erzählerin Fura spürt schnell, dass ihr ein großes, gefährliches Abenteuer bevorsteht, und plötzlich treibt die belesene Tochter aus gutem Hause sogar der Durst nach Rache an …

Mit all dem bedient und verknüpft Alastair Reynolds mal wieder mehrere Sujets der Zukunftsliteratur. Zunächst ist „Rache“ ein klassisches SF-Abenteuer und eine schöne traditionelle Space Opera. Doch Reynolds wäre nicht Reynolds, würde er zwischendurch nicht immer mal einen Brocken kosmischer Hard-SF in sein fremdartiges Universum werfen. Die Sonnensegler und die altmodischen, zusammengestückelten Raumanzüge in „Rache“ haben indes einen Touch von Far-Future-Steampunk im All. Der astronomisch bewanderte Genre-Crack braucht rund dreißig Seiten, bis er in seiner weit entfernten Zukunft angekommen ist, und hin und wieder könnte der Plot ein bisschen mehr Licht und Wind in den Segeln vertragen – dafür hat der Waliser seine Story von Anfang bis Ende souverän konstruiert und positioniert die entscheidenden Details seiner Geschichte auf den gesamten 550 äußerst geschickt. Dazu kommt, dass Reynolds es versteht, ein vages Gefühl für seinen riesigen Kosmos zu vermitteln, ohne gleich alles vollständig zu enthüllen oder zu erklären. Er spielt geradezu mit der Genre-Intuition seines Lesers, kitzelt und lockt seine Vorstellungskraft, anstatt jeden Zusammenhang oder Begriff augenblicklich haarklein zu erläutern, während er noch Aliens, Finanzcrashs, Roboter und Phantomwaffen einwebt. Das macht es spannend, Reynolds Zukunftssetting zu erkunden und zu erfahren.

Angesichts der Hard-SF-Elemente und der Brutalität einiger Szenen wundert es ein wenig, dass „Rache“ als bestes Werk für junge Erwachsene den Locus Award erhielt. Selbst Reynolds zeigte sich erstaunt über diese Einordnung seines Romans, die übrigens von keinem seiner internationalen Verlage vorgenommen oder übernommen wurde. Höchstwahrscheinlich spielen hier das Alter und die Entwicklung der siebzehnjährigen Ich-Erzählerin Fura eine Rolle; und vermutlich wollte man mit dem Award zurecht primär hervorheben, wie zugänglich „Rache“ als oldfashioned SF-Einzelroman inmitten all der seriellen bzw. speziellen Geschichten auf dem Markt geraten ist. Inzwischen steht gleichwohl fest, dass 2019 mit „Revealer“ im englischen Original ein Sequel aus der Welt der Knochenleser und Sonnensegler kommen soll. An der Zugänglichkeit von „Rache“, das als Einteiler konzipiert war, ändert das natürlich nichts.

Wer immer mal ein Buch von Alastair Reynolds lesen wollte und sich an abenteuerlichen Space Operas erfreut, der ist bei „Rache“ deshalb schon jetzt richtig.

Alastair Reynolds: Rache• Heyne, München 2018 • 557 Seiten • E-Book: 9,49 Euro

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Galaxee

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Sich als eine Art Robinson Crusoe allein auf fremden Welten herumzutreiben und um sein Überleben zu kämpfen, gehörte schon immer zu den Standardsituationen zahlreicher Games. Was liegt schließlich eher in der Natur des Spiels, als sich in einer noch unerschlossenen Umgebung auszutoben, in und mit ihr neue Möglichkeiten zu entdecken und die eigene Figur ebenso weiter auszubauen wie den frisch erkundeten Raum? Diesem ureigenen Gameplay-Konzept gelingt es nun, mit Subnautica in ein angenehm unverbrauchtes Setting aus Sci-Fi und Unterwasserwelt buchstäblich einzutauchen. Nach gut fünf Jahren Entwicklungszeit ist das Survival-Adventure aus dem Hause Unknown Worlds (wie passend by the way) nun endlich final für PC und Xbox One erschienen (eine PS4-Version folgt). Und das sogar zum relativ kleinen Add-on-Preis, wenn man allein den Umfang des Games in Betracht zieht.

Nach einem dramatischen Absturz des Mutterschiffs finden wir uns in den Wrackteilen auf der Oberfläche eines fremden Planeten wieder. Fieserweise nicht nur von den Begleitumständen des Absturzes bedroht, fällt uns nach kurzer Zeit vor allem eines auf: der Planet scheint fast vollständig von Wasser bedeckt zu sein und nur wenig Landfläche zu bieten. Einfach auf der begrenzten Inselfläche in den Überresten des Schiffes auf Hilfe zu warten, ist daher schon bald keine Option mehr.

Dafür sorgt bereits die Biologie. Nahrung will schließlich aufgenommen werden und die ist in der Welt von Subnautica ebenso selbst herzustellen wie darauf zu achten, den Körper etwa in Sachen Flüssigkeitshaushalt in Schuss zu halten. Können wir aus einfachen Zutaten mittels Generator schon einige Leckerbissen zaubern, müssen wir langfristig abwägen, wie wir Mahlzeiten zubereiten, um beispielsweise deren Verderblichkeit zu senken oder Ressourcen möglichst effizient zu verwalten. Aber wie sieht es mit anderen Rohstoffen aus? Wie gewinne ich etwa Treibstoff für die Kapsel, bleibe vor Infektionen geschützt und wohin soll ich mich eigentlich begegben?

Doch das sind eigentlich schon relativ fortgeschrittene Gedanken, denn das Gameplay erfordert von uns zunächst erstmas, im wahrsten Sinne den Sprung ins Unbekannte zu wagen und sich in den unendlichen Weiten des Ozean-Planeten mit seiner Flora und Fauna auseinanderzusetzen. Zivilisation in Form von ausgewachsenen Städten mit ansprechbaren Bewohnern erwartet uns dabei übrigens nicht. Um uns in der Welt zurechtzufinden, sind wir in Ego-Perspektive mit einer Unterwasserkapsel oder auch mit unserem bloßen Körper unterwegs, wobei wir vor allem über das klasse Designkonzept einer Sci-Fi-Waterworld staunen dürfen.

Unser Ziel besteht zwar hauptsächlich im Überleben, doch Subnautica setzt vor diesem Hintergrund nicht erwartungsgemäß auf Action oder Kämpfe, sondern auf unseren Entdeckerdrang, den die Macher sehr geschickt über die locker 50 Stunden Spielzeit zu kitzeln verstehen. Eine Story ist zwar in Grundzügen vorhanden (etwa anhand einiger Leitfragen wie: Warum ist das Raumschiff gerade hier abgestürzt? Was ist mit den anderen Besatzungsmitgliedern passiert?), doch ein geradeliniges Storytelling fehlt ebenso wie viele Cutscenes. Subnautica begnügt sich damit, mithilfe seiner Umgebung, einigen Logs, PDAs und vor allem unserer Vorstellungskraft seine kleinen und größeren Dramen zu platzieren. 

Die eigentliche Qualität des Titels liegt aber ohnehin eher in der Inszenierung der Spielwelt und ihrer Möglichkeiten. So erleben wir im Grunde eine echte Evolutionsgeschichte, da wir mit unserer Figur zunächst nur einfache Werkzeuge herstellen können, es jedoch schon bald daran geht, den eigenen Tauchanzug zu optimieren oder später sogar eigene U-Boote und eine Unterwasser-Station zu bauen. Das geht - wie angedeutet - nur über die Erweiterung der Ressourcenpalette und das wiederum erfordert ein möglichst mutiges Erforschen des Ozeans. Um unseren Adrenalinpegel dabei immer wieder mal ordentlich nach oben zu treiben, erwarten uns verschiedene Fressfeinde, denen wir speziell zu Beginn nur mit viel Geschick entkommen können.

Auch hier hängt unsere Wehrhaftigkeit maßgeblich von unserem Entwicklungsfortschritt ab, sodass Subnautica gerade anfangs schwieriger ist als im späteren Verlauf der Kampagne. Wenn wir erstmal soweit sind, aus jeder Art von Schrott hochwertige Materialien zu gewinnen, mit denen wir wiederum unsere Geräte für alle elementaren und weniger elementaren Bedürfnisse weiter aufrüsten können, fühlen wir uns trotz latenter Bedrohung durch potenziell unmittelbar bevorstehende Riesenfischattacken durchaus mächtig und gar nicht mehr wie ein kleiner Robinson. 

Ein paar macken fallen naturgemäß dann doch auf: Die lange Entwicklungszeit ist dem Titel leider im negativen Sinne anzusehen. Zwar stimmen Atmosphäre und Präsentation gleichermaßen, doch gerade die Texturen und das ständige Nachladen von Objekten hinterlassen rein technisch keinen runden Gesamteindruck. Darüber hinweg helfen allerdings die liebevoll gestalteten Wesen oder eine sehr stimmige Lichtsetzung, die im Zusammenspiel mit den Farben oft markante Akzente setzt.

Aber viel wichtiger: Selbst nach mehreren Stunden beschleicht uns nicht das Gefühl, schon im Ansatz alles gesehen zu haben und das Gameplay lockt immer wieder mit kleinen, versteckten Wegen und Hinweisen, denen wir nachgehen sollten - es lohnt sich eigentlich immer, Neues auszuprobieren und dafür mit frischen Items,Techniken oder Effekten versorgt zu werden, die wir wiederum reinvestieren können. Dass in diesem Balanceakt aus Erforschen, Craften und Überleben kaum Leerlauf entsteht und es stets etwas zu tun gibt, wir aber trotz fehlender Daueranleitung nur zu Beginn (passenderweise) phasewnweise das Gefühl der Überforderung spüren, sollte ebenfalls unbedingt als große Leistung der Entwickler hervorgehoben werden. 

Fazit

Stimmungsvolles Unterwasser-Setting mit motivierendem Crafting-System und knackigen Survival-Elementen - so ließe sich Subnautica kurz und knapp beschreiben, ohne damit nur ansatzweise die vielen kleinen Qualitäten des Titels innerhalb seiner Spielmechanik auch nur angerissen zu haben. Der Titel mag weder einen Technikpreis gewinnen noch Fans fordernder Action hinter dem Ofen hervorlocken. Doch wer sich für eine ungemein fesselnde Erfahrung mit Gameplay-Tiefgang interessiert, ist in der Welt von Subnautica genau richtig.

Subnautica  • Unknown Worlds • Survival-Adventure

Abb. © Unknown Worlds

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Cogito ergo sum!

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Wenn ein Buch binnen kürzester Zeit in seine dritte Auflage geht, hat der Verlag einen wahren Glücksgriff getan und der Autor den Nerv der Zeit getroffen. Dieses Kunststück ist Karl Olsberg mit seinem Jugendroman „Boy in a White Room“ gelungen, einem der interessantesten Technothriller der letzten Jahre. In ihm wird der Dämon aus Réne Descartes Erkenntnistheorie mit den neuesten technologischen Entwicklungen verknüpft. Das Ergebnis? Nichts ist so, wie es scheint…

Der 15-jährige Manuel erwacht eines Tages in einem quadratischen weißen Raum. Weder erinnert er sich daran, wer er ist, noch hat er eine Idee, wie er in das Zimmer gelangen konnte. Zudem sind seine Sinne eingeschränkt. Zwar kann er sehen und hören und die Wände auch berühren, er hat jedoch keinerlei Gefühl in seinen Händen oder seiner Stimme, die sich computergeneriert anhört. Seine einzige Kommunikationspartnerin ist zunächst das Computerprogramm „Alice“, das ihn als „Patienten“ bezeichnet. Nachdem Manuel herausgefunden hat, dass die Wände als Touchscreens fungieren mit deren Hilfe er ins Internet gelangen kann, erscheint sein Vater im Raum. Er offenbart seinem Sohn, dass er einer gescheiterten Entführung zum Opfer fiel, bei der seine Mutter ums Leben kam und er so schwer verletzt wurde, dass er seinen Körper nie wieder benutzen könne. Um seinem Sohn eine „Existenz“ zu ermöglichen, habe der erfolgreiche IT-Geschäftsmann und Multimillionär keinerlei Kosten und Mühen gescheut, und eine virtuelle Realität erschaffen, in der sein Sohn weiter leben kann, während dessen Gehirn durch Implantate mit dem digitalen Raum verbunden ist. Doch obwohl sein Vater alles erdenkliche tut und sogar eine Kopie von Mittelerde erstellen lässt, kommen Manuel erste Zweifel an der Geschichte. Als er bei seinen digitalen Streifzügen durch Hamburg auf seine (angeblich nicht existierende) Schwester Julia und den Ex-Geschäftspartner seines Vaters trifft, ahnt er, dass mit ihm ein falsches Spiel gespielt wird. Manuel beschließt aus dem Raum auszubrechen…

Seit seinem Romandebüt 2007 („Das System“, Aufbau Verlag) beschäftigt sich der studierte Betriebswissenschaftler und Start-Up-Gründer (Papego) mit dem Einfluss moderner Technologien auf den Menschen. Wer wie er über Künstliche Intelligenz promoviert hat, kennt sich mit deren Chancen und Risiken aus. Zuletzt hat er sich 2016 in „Mirror“ (Aufbau Verlag) mit digitalen Avataren und ihre Wirkung auf reale Personen befasst. In „Boy in a White Room“ analysiert Olsberg jugendgerecht  philosophische Probleme im digitalen Zeitalter. Dabei spannt er einen großen Bogen von der Medizinethik über die Gefahren perfekter Imitationen der realen Welt im virtuellen Raum, bis hin zu den Risiken von KI. So entwickelt sich aus dem anfänglichen Technikthriller ein philosophisches Lehrstück über Menschlichkeit und Wahrheit. Am Ende steht die Frage, was den Menschen als Menschen ausmacht. Descartes fasste dies im 17. Jahrhundert mit „Cogito ergo sum“ zusammen, „Ich denke, also bin ich.“ Bis Manuel zu der Erkenntnis gelangt, wer bzw. was er ist, werden er und die Leser über seine Identität im Dunkeln gelassen. Und selbst der überraschende Schluss lässt offen, ob der jugendliche Held nicht bloß einen weiteren Test bestehen muss, um den Schein vom Sein trennen zu können.

Obwohl „Boy in a White Room“ als Jugendbuch konzipiert wurde, zieht der Roman auch Erwachsene in seinen Bann. Karl Orlsberg entwickelt aus dem wohl abgedroschensten Ausgangsszenario der Phantastik einen eindringlichen und lesenswerten philosophischen Exkurs über Realität, Wahrheit und Identität – eine Geschichte, die nach dem Lesen noch lange nachhalt.

Karl Olsberg: Boy in a White Room• Loewe, Bindlach, 2017 •  288 Seiten • 14,95 € • Empfohlen ab 14 Jahren

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Raus aus dem Labyrinth

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Ein wenig abgeflaut scheint momentan die Hysterie um sogenannte Young Adult-Bücher und ihre Verfilmungen, die mit dem gigantischen Erfolg der „Hunger Games“-Saga begann. In der Folge suchten Produzenten verzweifelt nach wenn möglich mehrteiligen Roman-Serien, die sich für eine Verfilmung anboten und stießen dabei auch auf James Dashners Trilogie „Die Auserwählten“, deren erste Verfilmung 2014 ins Kino kam.

Wie eine aufgepeppte Variante des Jugendbuchklassikers „Herr der Fliegen“ wirkte die Geschichte um eine Gruppe von Auserwählten, die am Rande eines Labyrinths gefangen waren. Dort hinein gingen sie immer wieder mehr oder weniger freiwillig, kämpften gegen bizarre Kreaturen, suchten aber vor allem nach Antworten auf die Frage, wer sie anführen sollte. Ein Duell zwischen dem Neuling Thomas (Dylan O’Brien) und dem etablierten Gally (Will Poulter) entwickelte sich, das auch dann noch ungelöst blieb, als sich die Geheimnisse des Labyrinths offenbart hatten: Die Jugendlichen waren Versuchskaninchen für eine subtil Wicked genannte Firma, die nach einem Gegengift gegen eine Plage forschte, die die Welt zunehmend erfasste.

Und „Death Cure“ lautet auch der englische Untertitel zu diesem finalen Teil, der die überlebenden Jugendlichen, angeführt von Thomas, in die letzte bewohnte Stadt der Erde führt. Dort hat sich Wicked verschanzt, dort führt Ava Paige (Patricia Clarkson) ihre Experimente durch, assistiert von Thomas Schwarm Teresa (Kaya Scodelario), die ihre Freunde verraten hatte, im Dienst der guten Sache, und dorthin wird auch Minho (Ki Hong Lee) gebracht, ein Mitglied der Clique.

Alle Handlungsfäden laufen also in der an sich uneinnehmbaren, durch riesige Mauern geschützten Stadt zusammen (bei der man sich zwar fragt, wo die ganzen Rohstoffe und Lebensmittel herkommen, um die augenscheinlich zehntausenden Bewohner zu ernähren und zu kleiden…), die am Ende aber doch recht leicht zu überwinden ist. Einerseits erzählt Wes Ball diesen finalen Teil seiner Trilogie schnörkellos, andererseits mit ausufernder, epischer Länge. Fast fühlt man sich an den letzten „Herr der Ringe“-Teil erinnert, in dem Peter Jackson ebenso viel Mühe hatte, zum Ende zu kommen, wie hier Wes Ball. Was allerdings auch daran liegen mag, dass die Figuren zwar auserwählt sein mögen, aber im Kern kaum mehr als Teenagerprobleme durchleiden. Eine ganze Weile ist das nett anzusehen, kaschiert die schön ausgestattete dystopische Welt die erzählerischen Mängel. Im Kern bleibt „Maze Runner 3 – Die Auserwählten in der Todeszone“ jedoch ein Film für Fans. Bruchlos setzt der Film ein, wer nicht weiß, wer hier was warum tut, ist schon nach wenigen Minuten verloren, Neueinsteigern bleibt nur das Rätseln über Zusammenhänge und Motivationen.

„Maze Runner - Die Auserwählten in der Todeszone“ läuft ab dem 1. Februar im Kino.

Maze Runner - Die Auserwählten in der Todeszone• USA 2017 • Regie: Wes Ball • Darsteller: Dylan O’Brien, Kaya Scodelario, Patricia Clarkson, Will Poulter, Ki Hong Lee

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Es werde Licht!

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Was ist über diesen Titel nicht schon alles geschrieben worden? Mit Fumito Uedas ursprünglich bereits 2005 auf der PS2 erschienenem Action-Adventure Shadow of the Colossus verbindet sich wie bei kaum einem anderen Game ein Diskurs, von dem die ganze Branche bis heute gerne zehrt. Denn die Reise des nur von seinem treuen Pferd Agro begleiteten Wander in das karge Land des verbannten Dämons Dormin, um ein totes Mädchen mithilfe der Vernichtung von 16 einzigartigen Kolossen zurück ins Leben zu holen, gilt als der Inbegriff eines Meisterwerks, das sich mit zahlreichen Attributen der Kultur- und Kunstkritik schmücken darf. Da war und ist von einem konsequenten Konzept abseits üblicher Klischeestandards, subtilen Symbolstrukturen, einem an die Thematik wunderbar angepasstem Gameplay voller Interpretationsspielraum und sogar von einer Ästhetik des Erhabenen die Rede.

Mag man im Zuge mancher damaliger Argumente über diese vielleicht fast zu sehr um künstlerischen Gusto bemühte Rhetorik trotz ihres zutreffenden Kerns ein wenig den Kopf geschüttelt haben, bleibt eines allerdings unbestritten: Shadow of the Colossus sorgte gerade im Zusammenspiel mit seinem kaum weniger brillanten Vorgänger Ico und dem famosen Nachfolger The Last Guardian dafür, dass selbst das Feuilleton Games zumindest grundsätzlich auch als ein „kunstfähiges“ Medium akzeptierte und darin nicht mehr nur vorwiegend eine digitale Verdummungsmaschine globalen Ausmaßes erblickte. Außerdem konnte sich die etwas interessiertere Öffentlichkeit nun mithilfe des Game Designers Fumito Ueda am Bild des an (s)einem Gesamtwerk spinnenden „Autors“ laben, da Ueda für alle drei genannten Titel maßgeblich verantwortlich zeichnete. Kein Wunder, dass einem der Begriff Arthaus-Game so ohne verschämte Einschränkung durchaus locker über die Kritikerlippen gleiten konnte. Nicht unerheblich unterstützt und weiter am Leben gehalten wurde der Mythos um Uedas Werk unter anderem mit einer Remaster-Version von Shadowof the Colossus für PS3, die mit detaillierteren Texturen dem Original etwas mehr Grafikpracht entlockte, ohne den zuweilen charakteristisch-störrischen Charme des wenig komfortablen Gameplays mit mehr oder minder behutsamen Modernisierungen anzutasten. Des Meisters Werk blieb unangetastet. Wer würde schließlich im nun ja vergleichbaren Fall schon wagen, Coppola oder Scorsese umzuschneiden oder bei Thomas Mann ein paar Seiten zu kürzen?

Vor diesem Hintergrund erstaunte die Ankündigung seitens Sony allerdings dann doch, ihren Arthaus-Klassiker nicht nur nochmal für die PS4 zu remastern, sondern tatsächlich ein echtes Remake beim darauf spezialisierten Studio Bluepoint Games in Auftrag gegeben zu haben. Wanders Geschichte also komplett neu inszenieren? Vielleicht sogar mit neuen Features und weiteren Giganten? Also richtig Hand anlegen an das bisher Unantastbare? Weit gefehlt! Das nun in bester Ueda-Tradition natürlich wieder exklusiv für PS4 erschienene Ergebnis konzentriert sich penibel darauf, das Original zwar technisch komplett neu aufzusetzen, dabei jedoch bis in die Kameraeinstellungen der Cut-Scenes oder deren schwindend geringer Anzahl innerhalb der gut 6 bis 7 Spielstunden etwas zu verändern. Welchen Sinn hat so gesehen ein Remake wie dieses dann eigentlich, wenn es den ursprünglichen Inhalt doch weder neu interpretiert noch frische Akzente setzt oder mit bedeutsamen Neuboni aufwartet?

Die Antwort fällt erstaunlich simpel und gleichzeitig doch komplexer aus als es auf den ersten Blick scheint. Mag die Aufwertung der Grafik in Richtung zeitgemäßem HD-Look bei anderen Titeln wie bloße Kosmetik wirken, verleiht sie in diesem Fall all den Vorstellungen und Deutungen, die das Original damals hervorrief, eine wesentlich tiefere Dimension. Oder anders gesagt: Wo früher mehr subjektive Perspektive vorherrschte, die manchmal buchstäblich mehr sehen und damit interpretieren wollte, als manchmal grafisch vorhanden war, zaubert uns das Remake nun die entsprechende Grafikmaterie leibhaftig auf den Bildschirm. Die leblose Welt von Shadow ist nämlich nun im Gegensatz zu früher mit all den Details vitalisiert, die uns früher mangels Technikpower der Vorgängerkonsolen gefehlt haben. Sowohl die nach wie vor imposanten Kolosse als auch die gesamte Flora und Fauna wirken nun wesentlich plastischer, regelrecht organisch und damit glaubwürdiger. Letzteres meint vor allem, dass wir nun beim Durchstreifen der endlosen Weiten des von der Außenwelt abgeschotteten Teufelsgebiets den Zahn der Zeit, der an diesem mystischen Land seine Bissspuren allüberall hinterlassen hat, endlich auch tatsächlich sehen können. Das Remake fügt sozusagen markant hinzu, anstatt nur einfach die Pixelanzahl zu erhöhen.

Anders als im Original spürt man daher den Geist einer Vergangenheit einer archaischen Welt, die – aus welchen Gründen auch immer – unterging und nur noch das Böse mitsamt einer von davon diabolisch gespeisten Hoffnung auf magische Erlösung in der Überlieferung übrigließ. Der einsame Wander ist ja letztlich nur das Sinnbild einer unstillbaren Verzweiflung nach Hilfe und somit Agitator eines Wunsches nach Erlösung seiner Liebsten, dem er alles unterzuordnen gewillt ist. Das ist wie damals auch die erzählerisch größte Stärke des Games: Uns mittels des völlig reduzierten Ansatzes darauf zurückzuwerfen, mit einer Figur einen von Anfang an gefährlichen Teufelspakt einzugehen, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen (können). Wenn wir mit Wander die Riesen nacheinander aufstöbern, erlegen, ihren finalen Fall zu höchst melancholischen Klängen bestaunen und uns mit dem unverwüstlich treuen Agro danach wieder auf die Suche nach dem nächsten Ungetüm begeben, ohne außerhalb dieser 16 Ziele irgendetwas anderes erwarten oder erhoffen zu können, erleben wir im Remake nun endlich die Fülle an Eindrücken, die uns diese Tragik wesentlich besser vorführt als es auf PS2 oder 3 möglich war.

Doch auch an der höchst unbequemen Steuerung gerade von Agro haben die Macher zumindest ein wenig gefeilt. Klar, auch dieses Gameplay-Element hatte letztlich einen Sinn im Gesamtkonzept, doch ist im Jahre 2018 schlicht vieles, was man früher in Games einfach akzeptieren musste (wie eben eine völlig unpräzise Steuerung) heute glücklicherweise nicht mehr alternativlos. So ist es sicher nicht unklug von den Machern, uns die Wahl zwischen dem Spielgefühl des Originals und einer leicht verbesserten Steuerung zu überlassen – dem Kern von Shadow erweist beides keinen Bärendienst.

Auch sonst gibt sich das Remake keine Blöße, reiht das schon damals Geliebte oder für überbewertet Gehaltene in emphatischer Monotonie aneinander und lässt selbst Kenner des Originals Jahre später darüber staunen, dass es zwischen Pro- und Epilog tatsächlich nur eine echte zusätzliche Story-Cut-Scene gab und gibt. Welch beeindruckender Minimalismus, wenn man gleichzeitig nun an vielleicht mehr Stellen als früher innerhalb der Spielwelt einfach stehenbleibt, um innezuhalten und über das Gezeigte und dessen Bedeutungshorizont zu kontemplieren. Was vermitteln die nun wesentlich klarer definierten Monumente und Lichtstimmungen? Was kann man darin lesen? Was wird gerade vom zeitlos famosen Orchestersoundtrack evoziert? Und über diese und einige weitere potenzielle Provokationen funktioniert das Remake ebenso für Spieler, die beide oder zumindest eine der bisherigen Versionen schon gespielt haben.

Fazit

Wer Shadow of the Colossus noch nicht kennt und (spätestens) nach diesen Zeilen auf den Geschmack nach einem auch heute noch ungewöhnlichen Game gekommen ist, sollte endlich zuschlagen. Allein schon die Tatsache, dass man es „nur“ mit 16 einzigartigen Geschöpfen mit jeweils eigener Taktik, aber ohne gerne mal nervig spielzeitstreckenden Firlefanz wie Sidequests, Fähigkeiten-Entwicklungen oder auch nur irgendeiner Form von Hektik zu tun hat, ist nach wie vor die Erfahrung dieses in mehrfacher Hinsicht hochklassigen Titels wert. Schon allein der Abspann gehört mit all seinen Facetten zum Tiefgründigsten, was Games bis heute hergegeben und an Emotionen jenseits plumper Jump-and-Shoot-Affekte adressieren. Und ein letzter, sehr persönlicher Punkt: Obwohl ich beim Spielen natürlich genau wusste, was mich kurz vor dem letzten Koloss erwartet, überkam mich bei einer ganz bestimmten Situation das gleiche Gefühl der Trauer wie damals – große (Remake-)Kunst!

Shadow of the Colossus• Bluepoint Games/Sony • Action-Adventure

Abb. © Bluepoint Games/Sony

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Digitalisierte Seelen

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Endlich steht die erste Staffel der Netflix-Serienadaption von Richard Morgans Cyberpunk-Krimi „Altered Carbon“ alias „Das Unsterblichkeitsprogramm“ (im Shop) zum Streamen bereit! Doch wird die TV-Fassung des mit dem Philip K. Dick Award ausgezeichneten Romans von 2002 der Vorfreude und dem Hype gerecht? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden: Eintauchen und aufsaugen …

Eintauchen und aufsaugen, anpassen und infiltrieren und manipulieren – genau das sind die gefürchteten Qualitäten von Takeshi Kovacs (Will Yun Lee aus „Wolverine: Weg des Kriegers“ und „Falling Water“), einem ehemaligen Envoy-Elitesoldaten, der schließlich als Terrorist verhaftet und lebenslang weggesperrt wurde. Satte 250 Jahre nach seiner gewaltsamen Festnahme wird Kovacs‘ Bewusstsein jedoch dank der Stack-Technologie in einen neuen, besonders robusten und kampferprobten Körper (Joel Kinnaman aus „Suicide Squad“ und „RoboCop“) transferiert und wiedererweckt. Der stinkreiche, dank seines Wohlstandes über Gebühr alte Laurens Bancroft (James Purefoy aus „Hap & Leonard“ und „The Following“) hat Kovacs aus dem Eis holen und in den neuen „Sleeve“ (= Ersatzkörper) stecken lassen. Bancroft lädt alle zwei Tage ein Back-up seines eigenen Bewusstseins auf einem privaten Satelliten hoch und weiß daher nicht, wer seinen vorherigen Sleeve ermordet hat, und genau das soll Kovacs herausfinden. Dabei kreuzt der ausgebildete Kämpfer und Killer nicht nur den Weg der hartnäckigen Polizistin Kristin Ortega (Martha Higareda aus „Royal Pains“), deren Karriere durch den Fall Bancroft bereits einigen Schaden genommen hat …

Eines kann man mit Gewissheit sagen: Die Story von Richard Morgans Roman, dem der Engländer übrigens noch zwei weitere Bücher über Takeshi Kovacs folgen ließ, wurde äußerst gewissenhaft für das hippe, moderne Medium Serienfernsehen umgesetzt – klar, der 1965 geborene Morgan hatte ja bereits Anfang 2016 angekündigt, selbst im Writer’s Room Platz zu nehmen. „Altered Carbon“ folgt seiner literarischen Vorlage zudem dahingehend, was die Treffsicherheit der faszinierenden Ideen angeht, die obendrein gleich moralische und philosophische Aspekte des technologischen Fortschritts bedienen. Zugleich gelingt es den Machern immer wieder, absolut atmosphärische Momente innerhalb ihrer detailreichen Zukunft zu kreieren, die wie ein Querschnitt der multimedialen Science-Fiction wirkt und natürlich zuallererst immer an „Blade Runner“ erinnern will. Was der Netflix-Adaption leider komplett abgeht, ist echtes Blockbuster-Feeling. Rund zehn Stunden reichen einer der bis dato teuersten Netflix-Produktionen aller Zeiten nicht, um beim Zuschauer das Gefühl hervorzurufen, mehr als eine Genre-Serie von vielen zu schauen. Etwas, das z. B. der exzellenten Westernshow „Godless“ Ende 2017 bravourös gelungen ist.

„Altered Carbon“ kann mit den Ideen, den Bildern und dem allgemeinen Ambiente seiner Zukunft punkten, wann immer die Serie sich furchtlos ins futuristische Getümmel aus Klassenkampf, Gewalt, Drogen, Glaube, Sex und Künstlicher Intelligenz stürzt. Überhaupt steht dem serialisierten Krimi-Gemisch aus den bewährten Zutaten Cyberpunk und Hardboiled die Unberechenbarkeit der Handlung gut zu Gesicht, die mal in unglaublich brutalen, mal in richtig coolen und hin und wieder auch mal in ein paar eher seltsamen Szenen enden kann. Dass nicht jede Teilstrecke oder Erzähleinheit der ersten Season überzeugt, könnte man ebenso wie die genre-obligatorischen Stereotypen freilich verschmerzen, wäre das alles nur etwas zackiger und packender. So hat das Unsterblichkeitsprogramm auf Netflix häufig einfach nicht genügend Schmiss – und wenn man als Genre-Fan schon viel zu oft auf die Anzeige der verbleibenden Minuten oder gar Episoden schielt, fragt man sich durchaus, wie es einem weit weniger wohlgesinnten Mainstream-Zuschauer gehen muss. Da greift man lieber noch einmal zum Roman, der diese Schwächen nicht hat.

Alle zehn Folgen der kompletten ersten Staffel von „Altered Carbon“ stehen seit dem 2. Februar zum Streamen bereit.

Bilder: Netflix

Altered Carbon: Das Unsterblichkeitsprogramm – Staffel 1 • Darsteller: Joel Kinnaman, James Purefoy, Martha Higareda, Will YunLee • Laufzeit: 10 Episoden mit je ca. 50–55 Min.

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Das neue Kino?

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Irgendwie passt es ja zur Geheimniskrämerei, die die Cloverfield-Reihe seit ja begleitet, dass nun der dritte Beitrag (von Teil zu sprechen würde zu weit führen) praktisch ohne Vorankündigung auf Netflix startete. Ein Spot während des Super Bowls und nach dem Spiel war der Film Online auf der ganzen Welt verfügbar. In gewisser Weise ein Coup für die Plattform, deren Taktik, fertige Filme aufzukaufen und den schon geplanten Kinostart abzusagen, in den letzten Monaten für einigen Unmut und auch zu Sorge geführt hat.

Alex Garlands heiß erwarteter „Ex-Machina“ Nachfolger „Annihilation“ ergeht es so, ab 23. Februar auf Netflix zu sehen, aber nicht im Kino, bei Duncan Jones „Mute“ liegt die Sache ein wenig anders, dieser Film wurde direkt von Netflix in Auftrag gegeben, doch man hätte auch ihn gerne im Kino, auf der großen Leinwand gesehen, ebenso wie nun den dritten Teil der losen Cloverfield-Reihe, die 2008 mit Matt Reeves spektakulär gutem Alien-Invasions-Thriller begann. Angesichts des großen Erfolgs war eine Fortsetzung eigentlich ausgemachte Sache, doch die ließ auf sich warten, bis 2016 „10 Cloverfield Lane“ ins Kino kam, eher eine Fortsetzung im Geiste. Ursprünglich ein eigenständiger Film namens „The Cellar“, schufen nur ein paar finale Szenen einen unmittelbaren Bezug zum Cloverfield-Universum, eine Taktik, die nun fortgesetzt führt, allerdings weit weniger überzeugend.

„The God Particle“ hieß das Drehbuch, das der Nigerianer Julius Onah als „The Cloverfield Paradox“ verfilmt hat. In nicht allzu ferner Zukunft spielt die Geschichte, die Menschheit befindet sich durch akute Probleme der Energieversorgung an der Schwelle zu einem Weltkrieg, einzige Hoffnung ist eine internationale Weltraummission, die mittels eines Teilchenbeschleunigers unermessliche Mengen an Energie produzieren soll. Doch das Experiment misslingt und die Crew um den Deutschen Schmidt (Daniel Brühl), die Chinesin Tan (Zhang Ziyi) und die Britin Hamilton (Gugu Mbatha-Raw) befindet sich plötzlich in einem Paralleluniversum, unweit einer anderen Ede, die von ihren Doppelgängern bewohnt wird.

Eigentlich ein hübsches Konzept, das zwar mit dem Cloverfield-Universum rein gar nichts zu tun hat – und nein, ein wirklicher Bezug wird auch nicht hergestellt –, das Onah aber nur zum Anlass für einen wenig erbaulichen Mix aus Sci-Fi, Horror und Thriller-Klischees benutzt. Kurz gesagt: „The Cloverfield Paradox“ ist ein belangloser, konfuser Film, so dass man dem ursprünglichen Produzenten Paramount eigentlich nur dazu gratulieren kann, das unweigerliche Verlustgeschäft an Netflix abgestoßen zu haben.

Was solche Deals allerdings für das Kino bedeuten bleibt abzuwarten, denn auch wenn es auf dem Papier vielleicht egal sein mag, ob ein Film nun für das Kino, für die große Leinwand intendiert ist und erst in späterer Auswertung auf Netflix und anderen Heim-Formaten verfügbar sein wird oder direkt für kleinere Monitore gedreht wird: Eigentlich kann man sich nicht vorstellen, dass Regisseure nicht zumindest unterbewusst anders inszenieren, wenn sie von Anfang an wissen, dass ihre Filme nicht mehr als Content sind und kein Kino-Ereignis.

The Cloverfield Paradox• USA 2018 • Regie: Julius Onah • Darsteller: Zhang Ziyi, Daniel Brühl, Gugu Mbatha-Raw

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(Cyber-) PUNK!

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Wer je die frühen (Cyber-)Punkfilme von Sogo Ishii (eigentlich Toshihiro Ishii, alternativer Künstlername: Gakuryû Ishii) gesehen hat, weiß in etwa, was in „That’s It“ auf ihn zukommt. Denn es waren Streifen wie „Crazy Thunder Road“ (1980) und vor allem „Burst City“ (1982)  – später ergänzt durch „Electric Dragon 80.000 V“ (2001) –, die auch heute noch ziemlich singulär in der japanischen (Film-) Landschaft stehen. Denn Ishii verbreitete Rebellion, Krach, Chaos, Energie, Hektik, Gewalt; diese Filme hatten eine beinahe körperliche Präsenz, sie sprangen dem Zuschauer direkt an die Gurgel. Story oder Kohärenz waren dem 1957 geborenen Filmemacher ziemlich egal, hier ging es vor allem um „Haltung“.

Ishii beruhigte sich im Laufe der Jahre und fand zu einem meist eher kontemplativen Stil (man denke an Angel Dust, Labyrinth der Träume oder Isn’t Anyone Alive?), umso überraschender ist da die plötzliche Rückkehr zu seinen Anfängen. „That’s It“ (2015) ist wie ein Sturz in die Vergangenheit, technisch auf einem ganz anderen Niveau als die für kein Geld entstandenen Frühwerke, aber im Geiste ganz bei ihnen.

Hier begleiten wir ein ziemlich seltsames Pärchen auf einer ziemlich seltsamen Odyssee durch ein praktisch menschenleeres Tokio. Daikoku ist auf der Suche nach seiner Geburtsurkunde (ohne die er in Japan im Grunde nicht existiert) und nach seinem Vater. Ami weicht ihm nicht von der Seite, selbst als die Dinge zunehmend brutaler und bizarrer werden. Die beiden legen sich mit Gangstern an, die etwas haben wollen, was Daikoku eher zufällig in die Hände gefallen ist – eine Festplatte mit Identitätsdaten. Das dahinter noch viel mehr steckt, braucht man vielleicht nicht extra betonen.

Auch in „That’s It“ geht es vornehmlich um Haltung und Stil. Es beginnt (s.u.) mit hektischem Gerenne (eine Art Markenzeichen von Ishii) und für eine Stunde hält der Film einen desaturierten Look durch, der ganz knapp vor reinem Schwarzweiß die Bremse zieht, bevor Ishii etwa auf der Mitte der Laufzeit zu kräftigen Farben wechselt und auch danach visuell noch einige Überraschungen bereit hält. Auch alles andere wechselt, Ton, Motive, immer wieder wird man durchgeschüttelt und muss sich neu einstellen, bis man sich irgendwann einfach fallenlässt und am Schluss reichlich durchgebügelt erschöpft zur Fernbedienung greift – falls man die Energie noch aufbringt. Was man da eigentlich gesehen hat – eine Mischung aus Thriller, Melodrama, Mystery, Superhelden, Manga, Dystopie – ist eher unklar, aber genau das macht ja den Reiz aus. „that’s it“ heißt es am Ende, schöner kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Wer also auf der Suche nach einem wohlkonstruierten Narrativ mit klugen Dialogen ist, dürfte nicht einmal die ersten zehn Minuten überstehen. Wer aber etwas offener ist, sollte einfach die Fenster schließen und die Anlage auf „10“ stellen – denn erst dann entfaltet der Film seine Wirkung, die viel mit der Musik der Punkrock-Band Bloodthirsty Butchers zu tun hat, die seit Mitte der 1980er aktiv ist. Ihre Musik ist der Ausgangspunkt des Films gewesen – was auch deshalb interessant ist, weil die Band sich auf die frühen Filme Ishiis als Inspiration beruft. (Viel mehr erfährt man übrigens im tollen Booklet des Mediabooks, an dem unser Kollege Thorsten Hanisch mitgearbeitet hat.)

Das Mediabook (DVD + Blu-ray) gibt es in zwei Versionen bei Midori-Impuls: Als Normalausgabe (weißes Cover) und als limitierte Ausgabe (500 Ex.; schwarzes Cover) mit handsignierter Autogrammkarte von Manga-Künstler You Mukada. Dessen Manga ist dem Mediabook beigeheftet. Den Film selbst gibt’s im Original mit deutschen Untertiteln.

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Frauenbewegung unter Strom

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Vor einigen Wochen saß ich am frühen Abend, es war schon dunkel, an der Trambahnhaltestelle, als mich ein Mann ansprach – weiß, Mitte 40, angetrunken. Er fragte, wie er von hier aus zum Hauptbahnhof käme. Ich erklärte ihm, wo er umsteigen müsse, und wandte mich wieder meinem Buch zu. Doch für den Mann war das Gespräch noch nicht vorbei. Er erkundigte sich, ob ich aus München sei (Ja), ob ich wisse, wie die Sechziger gespielt hätten (Nein), und hach, ich sei ja so nett, komm, wir gehen einen trinken, nur nen Kurzen, „aber denk jetzt nicht, es geht um Sex, nein, so einer bin ich nicht. Ich bin verheiratet. Aber gefallen tust mir ja schon!“ Zwischendrin rief ihn noch ein Kumpel an, dem er erklärte, er käme später, weil er „so ne Schnitte“ kennengelernt hätte, und warum stehe ich da eigentlich rum, „komm jetzt, setz‘ dich doch, hier neben mir ist noch ein Platz frei. Traust du dich nicht? Du bist ja feige!“. Die Fahrt dauerte nur zehn Minuten, und etwa ab der Hälfte kreisten meine Gedanken nur noch um ein Thema: was mache ich, wenn ich den Typen nicht los werde? Denn die Station, an der er umsteigen musste, war zugleich die Station, an der ich aussteigen musste.

Wäre ich ein Mann, ich wäre nie in eine Situation gekommen, in der ich im Geiste verschiedene Flucht- und Rettungsszenarien hätte durchspielen müssen. Wäre ich eine Figur aus Naomi Aldermans „Die Gabe“ (im Shop), auch nicht. Dann hätte ich einen Strang, ein neues Organ, das plötzlich überall auf der Welt in jungen Frauen aktiv wird. Sie können damit Stromstöße abgeben, die stark genug sind, einen Menschen zu töten. Diese Vorstellung weckt in mir ein regelrechtes Verlangen nach einem Strang, nach dieser Art von Macht – aber würde ich sie zum Wohle der Menschheit einsetzen? Oder Sexsklavinnen in Moldawien? Oder Politikerinnen? Wer Macht hat, wird korrumpiert, das gilt auch für physische Macht. Deswegen wird in „Die Gabe“ am Ende keine bessere, friedlichere, harmonischere Welt erschaffen, sondern es droht der Zusammenbruch, die ultimative Katastrophe. Wie es dazu kommt, schildert Alderman anhand vier Protagonisten: Roxy, die Tochter eines Londoner Unterweltbosses, übernimmt das Familienunternehmen, nachdem sie die Mörder ihrer Mutter getötet hat, und verkauft spezielle Drogen, die den Strang noch stärker machen. Allie, eine Waise, die von ihrem Pflegevater missbraucht wird und Stimmen hört, erfindet sich als „Mother Eve“ als Begründerin einer neuen Religion neu – und lernt schnell, ihre Gegenüber zu manipulieren. In den USA arbeitet eine kluge Senatorin daran, militärisch geführte Trainingszentren einzurichten, um den Mädchen den Umgang mit der Gabe beizubringen. Überall auf der Welt berichtet Journalist Tunde, der einzige männliche Protagonist, von den Entwicklungen, bis ihm eine Frau seine Arbeit stiehlt und ihm einen Knebel verpasst.

Die vom Strang ausgelöste Katastrophe sorgte dafür, dass in der Zukunft tatsächlich die Frauen unumstritten als das starke Geschlecht gelten, während die Männer eher Heim und Herd hüten. Nicht alle Männer: „Die Gabe“, das erfahren wir durch einen Briefwechsel vor und nach dem Roman, stammt eigentlich aus der Feder eines Historikers, der Tausende Jahre nach der Katastrophe lebt. Neil Adam Armon ist ein Mann, der sich, ganz unerhört, künstlerisch betätigt. Er schickt Naomi, einer toleranten Frau, die ihn fördert, sein Manuskript, warnt aber vor unkonventionellen Inhalten wie bewaffneten Männerbanden, die Frauen unter ihrer Kontrolle haben. Verrückt, findet Naomi, aber auch irgendwie sexy. Ob er darüber nachgedacht hätte, unter einem weiblichen Pseudonym zu schreiben? Es sind genau diese Details, die im Gedächtnis bleiben: das Fernsehmoderatorenduo, bestehend aus einer kompetenten Frau und einem hübschen, aber etwas doofen Kerl. Die neue Männermode, die vor allem die Beule im Schritt betont. Männer, die gegen ihren Willen Sex mit Frauen haben. Klingt abstoßend? Wären die Rollen vertauscht, wir würden einfach darüber hinweglesen. So „normal“ erscheint uns das.

Den Betrunkenen in der Straßenbahn wurde ich übrigens los, indem ich eine letzte Einladung auf einen Schnaps höflich ausschlug und bei Rot über die Ampel lief, in der Hoffnung, dass der Feierabendverkehr auf einer vierspurigen Straße ihn davon abhalten würde, mir nachzulaufen. Als ich mich auf der anderen Seite umdrehte, war er verschwunden. Das wirklich Schlimme an dieser Geschichte ist aber, dass ich sie bisher niemandem erzählt habe. Ich hielt es einfach nicht für bemerkenswert genug – ist ja eigentlich nichts passiert. Ist mir auch nicht zum ersten Mal passiert. Oder zum letzten Mal. Das muss sich ändern, und Bücher wie „Die Gabe“ können eine solche Veränderung mit anstoßen. Time’s up.

Naomi Alderman: Die Gabe• Roman • Aus dem Englischen von Sabine Thiele • Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 • 464 Seiten • Preis des E-Books: € 13,99 • im ShopLeseprobe

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Black Power?

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Es sind merkwürdige Zeiten für Hollywood und das Mainstreamkino. Viel wichtiger, als einen guten Film zu drehen, scheint es zu sein, nichts falsch zu machen, keine Gruppe zu beleidigen, möglichst progressiv zu erscheinen, die richtigen Knöpfe zu drücken, im richtigen Moment auf den richtigen Zug aufzuspringen. Letztes Jahr gelang das Warner Bros./ DC mit „Wonder Woman“, der vor allem dafür gefeiert wurde, dass zum ersten Mal eine Frau Regie bei einem Superheldenfilm führte, in dem auch noch eine Frau die Hauptrolle spielte. In diesem Jahr ist es „Black Panther“ der schon vorab zum praktisch wichtigsten Moment der schwarzen Geschichte stilisiert wurde seit Barack Obama Präsident wurde. Ein schwarzer Superheld! Ein schwarzer Regisseur bei einem megateuren Franchise-Film! Das muss ja super werden!

Nun ist Black Panther zwar nicht wirklich der erste schwarze Comic-Superheld, der auf die Leinwand springt – diese Ehre gebührt Wesley Snipes „Blade“ und eigentlich auch manchen Blaxploitation-Helden – aber Ryan Cooglers Film ist fraglos die größte Produktion, in deren Hauptrollen fast ausnahmslos Schwarze zu sehen sind. Etablierte Mimen wie Forest Whitaker und Angela Bassett und relative Newcomer wie Michel B. Jordan, Lupita Nyong’o, Daniel Kaluuya und in der Titelrolle Chadwick Boseman, der in den letzten Jahren immer wieder gefragt wurde, wenn es um die Besetzung schwarzer Helden ging: Erst der Baseballspieler Jackie Robinson, dann Soul-Legende James Brown, schließlich Thurgood Marshall, der erste schwarze Richter des Obersten Gerichtshofes der USA. Nun also T’Challa, besser bekannt als Black Panther, Thronfolger der fiktiven afrikanischen Nation Wakanda, die durch das Mineral Vibranium zu ungeahnter technologischer Macht gekommen ist. Das aber dennoch ein Land ist, dass ganz den Afrika-Klischees entspricht, die seit Jahrzehnten im westlichen Kino wiederholt werden: Atemberaubende Landschaft, schöne, spärlich bekleidete Menschen, die farbenfrohe Kostüme tragen, gezeichnet von exotischem Narbenschmuck und Tattoos, stets bereit die Speere und Schilder zu schlagen, zu trommeln, singen und tanzen. Diese merkwürdig exotisierende Darstellung des afrikanischen Staates deutet schon an, welch bizarre, widersprüchliche Ideologie „Black Panther“ innewohnt.

Denn auch wenn hier ein schwarzer Held im Mittelpunkt steht: Mit der westlichen Welt, mit der Welt der Avengers, wie man sie inzwischen aus zahllosen Marvel-Filmen kennt, hat diese Erzählung kaum etwas zu tun. Das mag man als Stärke sehen, das Fehlen von Verbindungen zum restlichen MCU lässt „Black Panther“ zu einem sehr eigenständigen Film werden, man könnte es aber auch als Versuch betrachten, bestimmten Fragen und Themen auszuweichen und vor allem zu vermeiden, einen wirklichen schwarzen Superhelden ins Herz des zeitgenössischen Amerikas zu lassen. Die einzigen Szenen des Films, die in Amerika spielen, finden dann auch in einem Ghetto in Oakland statt, wo Eric Killmonger (Michael B. Jordan) aufwächst, der Neffe von T’Challa, der nach dem Thron verlangt. Den hat nach dem Tod des alten Königs – kurz in „Captain America: Civil War“ zu sehen – T’Challa übernommen, der die Politik seines Vaters fortsetzen will und Wakandas Fähigkeiten und Möglichkeiten vor der Welt Geheimhalten möchte. Ganz im Gegensatz zu Killmonger, der Wakandas Stärke ausnutzen will, um zum Führer der Welt zu avancieren.

Eine Variation des Streites zwischen Martin Luther King und Malcolm X. meinten manche amerikanischen Kritiker hier zu entdecken und ignorierten dabei, dass King nicht etwa Isolationismus propagierte, sondern friedlichen Widerstand. Widerstand gegen die weiße Unterdrückung, die in der Welt von „Black Panther“ jedoch praktisch nicht existiert. Statt dessen kämpfen Schwarze gegen Schwarze, jedoch nicht etwa auf eine Art, die die technologische Überlegenheit von Wakanda verrät, sondern ganz traditionell mit Speeren und „typisch“ afrikanischen, Macheteähnlichen Waffen. Geritten wird dazu auf Nashörnern, während die Kriegsbemalung jedem Zulu-Krieger zur Ehre gereichen würde. Merkwürdig weltfremd wirken diese Bilder und stehen in scharfen Kontrast zum eigentlichen Ansatz, eine schwarze Heldengeschichte zu erzählen. Das ist „Black Panther“ vor allem auf dem Papier, in den Rahmenbedingungen, doch jenseits der Oberfläche, jenseits der eindrucksvollen, wenn auch allzu bunten, folkloristischen Kostüme und Ausstattung – André Heller hätte seine Freude daran – reicht das emanzipatorische Element des weißen Hollywoods dann doch nicht soweit, seine schwarzen Helden wirklich mit dem Rassismus der Gegenwart zu konfrontieren.

„Black Panther“ startet am 15. Februar 2018 im Kino. Abb. © Marvel/Disney 2018

Black Panther• USA 2018 • Regie: Ryan Coogler • Darsteller: Chadwick Boseman, Forest Whitaker, Angela Bassett, Michel B. Jordan, Lupita Nyong’o, Daniel Kaluuya

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Restore the World

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Klassische RPGs sind nach wie vor sehr beliebt. Viele erwachsene Gamer verbinden mit Titeln wie Secret of Mana (jetzt auch wieder als Remake in aller Munde), Chrono Trigger oder den frühen Final Fantasy-Episoden einige ihrer schönsten Spieleerinnerungen und da nicht jeder Nachwuchszocker automatisch ein Geschichtsverweigerer ist, erblicken auch heutzutage noch Titel wie I am Setsuna oder nun dessen geistiger Nachfolger Lost Sphear das Licht der digitalen Welt. Beide Classic- bzw. Retro-RPGs stammen aus der Entwicklerschmiede von Tokyo RPG Factory, wobei sie ein konsequent anachronistisches Design verbindet, das sich allerdings gleichzeitig auch der Gegenwart verpflichtet fühlt.

Konkret bedeutet das, dass wir gerade in Lost Sphear, das jüngst für PS4, Switch und PC erschienen ist, viele Segnungen eines komfortableren Gamings wie freies Speichern, eine Vorspulfunktion für die Dialoge oder das Fehlen von nervigen Zufallskämpfen dankend annehmen können und die bewusst retrohafte, dennoch sehr pittoreske Grafik zumindest einen leicht modernen Anstrich aufweist. Doch wer beispielsweise mit Textblöcken ohne Sprachausgabe ebenso wenig anfangen kann wie mit völlig statischen Charaktermodellen, deren Emotionen sich außerhalb der Texte nur über schwebende Frage- oder Ausrufezeichen erschließen lassen, dürfte bei Lost Sphear definitiv an der falschen Adresse sein.

Die Story des gut 20-stündigen Abenteuers fällt sehr genretypisch aus. Die drei Freunde Kanata, Lumina und Locke werden aus ihrem beschaulichen Leben in ihrer kleinen Stadt herausgerissen, als eines Tages immer mehr Orte ihrer Welt einfach verschwinden und nichts als weiße Flecken auf der Landkarte übrigbleiben. Außerdem erscheinen immer mehr Monster in der eigentlich friedlichen Gegend und so wächst die Angst vor einer nahenden Apokalypse.

Da Kanata nach einem seltsamen Traum dazu plötzlich über die Fähigkeit verfügt, mithilfe eingesammelter Erinnerungen Orte, Menschen und Objekte wieder zurückzuholen, begeben sich die drei auf eine Reise über den gesamten Globus. Ganz im Stil der oben genannten Titel, dürfen wir bald auch auf ein Schiff und später auch auf einen hochtechnisierten Gleiter zurückgreifen, um schneller von einem Kartenpunkt zum nächsten zu gelangen. Natürlich treffen unsere Helden auf ihrem Weg mehrere neue Mitstreiter mit ihrer jeweils eigenen Backstory und Motivation, sodass die Party bis auf acht Charaktere anwächst, die wir für die Kämpfe jeweils zu einer maximal vierköpfigen Truppe frei zusammenstellen können.

Erzählerisch bewegt sich Lost Sphear mit seinen sympathischen, aber trotz vieler Dialoge nicht zwingend tiefgründigen Figuren und den üblichen Klischees a la arroganter General, dusslige Soldaten, größenwahnsinniger Oberschurke oder auch Twists wie einem völlig vorhersehbaren Verrat im Mittelfeld der Story-Liga. Das liegt vor allem daran, dass uns die Macher mit ihren permanent ausschweifenden Dialogorgien, die oft genug jeden Spielfluss ersticken, ordentlich Nerven abverlangen.

Viel zu häufig liegen zwischen minutenlangem und völlig sinnlosem Blabla buchstäblich nur wenige Schritte, die wir mit unserer Party machen dürfen, bis die nächste unnötige Sequenz beginnt. Auch wenn für die Dialoge in weiser Voraussicht der Entwickler eine Vorspulfunktion vorhanden ist  – die Autoren hätten den Redefluss zügeln müssen. Trotzdem unterhält die Story um Verlust, Freundschaft und Wagemut unter den angegeben Vorzeichen sowie der Inkaufnahme einiger Merkwürdigkeiten wie z.B. kleineren Logiklöchern oder unnötigem Hin-und-Herlaufen zwischen manchen Ereignissen.

Das Kampfsystem baut auf dem Grundgerüst des (inhaltlich nicht mit Lost Sphear verbundenen) Vorgängers I am Setsuna auf und punktet mit ein paar netten Überarbeitungen. Wie für viele RPGs üblich, müssen wir in den Schlachten vor einer Aktion mit Magie, Waffe oder Spezialattacke darauf warten, dass sich der jeweilige ATB-Balken unserer Figuren in unterschiedlicher Geschwindigkeit auflädt und so ein flüssiger Mix aus eigenen und gegnerischen Attacken entsteht.

Doch in Lost Sphear können wir auch zwischen den Aktionen unsere vier Akteure ohne Einschränkungen innerhalb des Kampfbildschirms bewegen und uns so eventuell einen offensiv wie defensiv nicht unerheblichen taktischen Vorteil verschaffen. Für weitere Variabilität und Abwechslung sorgen nach ein paar Stunden Spielzeit die sogenannten Vulcosuits, eine Art Roboterrüstung mit weiteren Aktionsmöglichkeiten, auf die wir allerdings nur solange zurückgreifen können, wie es die Anzeige eines extra dafür vorhandenen Punktekontos zulässt (das wir merkwürdigerweise mit Übernachtungen in den völlig untechnisierten Dorfhotels wieder aufladen können).

Leider verpasst es der Titel, diese und weitere Feinheiten des Kampfsystems genau zu erklären, denn speziell die Ausrüstung verschiedener Zusatzfähigkeiten oder das Artefaktsystem, bei dem wir auf der Weltkarte verschiedene Bauwerke zur Freischaltung von weiteren Fähigkeiten an vorgegebenen Orten errichten können, fällt im Detail fast überladen aus. Bei allem Verständnis für Komplexität: Gerade in einem eigentlich so simpel präsentierten Retro-Game wirkt das tendenziell deplatziert.

Die Kämpfe finden ausschließlich in storyrelevanten Dungeons statt, die wir aber zwecks Level-Grinding immer wieder besuchen können. Am Ende der flächenmäßig eher überschaubaren Areale, in denen auch einige kleinere Knobeleinlagen wie Tür-Schalter oder Ebenenbeams warten, geht es gegen einen größeren Endboss. Hier setzt einer der größten Kritikpunkte des Gameplays an, nämlich das Balancing. Während die Standardgegner nämlich selbst gegen Ende fast immer zu leicht ausfallen und nur durch teils unfaire Sofort-Kills halbwegs Gefahr ausstrahlen, geraten die Endbosse, etwa mit ihren oft genug starken Statuszaubern, zu unverhältnismäßig harten Hindernissen, die in dieser Mischung Frust hervorrufen.

Und ein weiterer Tropfen Wasser im Wein: Der malerischen Welt mangelt es an Sidequests oder echten Mini-Games. Zwar dürfen wir als Sammler seltener Kochrezepte oder in einem arg einfachen Fischfang-Spielchen auf Beutejagd gehen. Das ist allerdings deutlich zu wenig und in sich zu reduziert, um wirklich für zusätzlichen Spaß zu sorgen.

Fazit

Auch wenn die einzelnen Kritikpunkte negativ ins Gewicht fallen, sollte man insgesamt aber nicht zu hart mit dem jüngstem Streich von Tokyo RPG Factory ins Gericht gehen. Lost Sphear gelingt schließlich mitsamt seinen behutsamen Modernisierungen, einer sympathischen Story inklusive charmanter Präsentation sowie ordentlich umgesetztem Kampfsystem in der Nachfolge von I am Setsuna ein letztlich gutes Classic-RPG, das sich Fans solcher Titel definitiv zulegen können. Wenn dann beim nächsten Mal das Balancing besser wird, mehr Quests hinzukommen, ein paar unnötig komplizierte Features entschlackt sind und die Figuren in ihrem Mitteilungsbedürfnis gezähmt werden, steht als Ergebnis sicher ein rundum befriedigendes Rollenspiel-Erlebnis.

Lost Sphear• Tokyo RPG Factory/Square Enix • Classic-RPG

Abb. © Tokyo RPG Factory/Square Enix

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Der Fischfroschkönig, oder: A Love Supreme

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Besteht da möglicherweise zaghafter Anlass zur Hoffnung, eine kleine Renaissance wahrer und guter und schöner Horror-Kunst bahne sich an? In Amerika erscheinen in so rasanter Taktung so viele (mindestens:) lesenswerte Bücher von Vertreterinnen und Vertretern der literarischen (New) Weird Fiction, dass man durchaus von einer Blüte sprechen kann. Dank der ersten Staffel von „True Detective“ und deren Genese-Kontext hörte man auch hierzulande an ungewöhnlich prominenten Orten Namen wie Robert W. Chambers, Laird Barron oder Thomas Ligotti. Die von gewissen Kompromissen gezeichnete, aber insgesamt beachtlich geist- und geschmackvoll konstruierte Verfilmung von Stephen Kings Roman „Es“ wurde nicht nur der dunkelfantastischen Erzähl-Extravaganz des berühmtesten Horror-Autors der Gegenwart gerecht, sondern entwickelte sich zu einem der kommerziell erfolgreichsten Horrorfilme aller Zeiten. Schließlich schien Jordan Peeles „Get Out“ (ebenfalls 2017) bei nicht wenigen Uneingeweihten keine geringe Verblüffung darüber auszulösen, dass es so etwas wie filmischen Freestyle-Indie-Horror mit Hirn gibt – in der ostwestfälischen Provinzmetropole, der diese Rezension entstammt, wurde dieser zunächst unauffällige bis Spezialinteressen bedienende Film kurioserweise flächendeckend mit Plakaten beworben.

Und dann ist da noch Guillermo del Toro, unser Mann in Hollywood, jener aus Mexiko stammende, empfindsam-romantische Genre-Auteur, dessen großes Humanisten-Herz vornehmlich für Monster schlägt. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt arbeitete del Toro nach dem Einen-fürs-Publikum-und-einen-für-mich-Prinzip, indem er üppig budgetierte und mehr oder minder muskelprotzige Franchise-Produktionen wie „Blade II“ (2002) oder „Hellboy“ (2004) übernahm, um zwischendurch entschieden persönlich gefärbte Perlen wie „The Devil’s Backbone“ (2001) und „Pan’s Labyrinth“ (2006) realisieren zu können, im Zweifel in seiner ursprünglichen Heimat und mit überwiegend spanisch-mexikanischer Besetzung und Crew. Wie der Regisseur in seinem Vorwort zu dem den letztgenannten zwei Filmen gewidmeten Band der Studies-in-the-Horror-Film-Reihe aus dem wundersamen US-Kleinverlag Centipede Press im Rückblick auf sein Schaffen bis einschließlich „Crimson Peak“ (2015) gesteht: „I felt that each film completed a picture of the world the way I saw it, but that the bigger the films the smaller the pieces were.“ Spätestens mit „Hellboy – Die goldene Armee“ von 2008 zeichnet sich dementsprechend ab, dass del Toros Bereitschaft, sich irgendwelchen Studio-Auflagen zu beugen, im Schwinden begriffen ist bzw. sein Ehrgeiz wächst, die eigene Handschrift durchzudrücken, Genre-Aficionados mit Arthaus-Mainstream zu versöhnen und seine einzigartig gewobenen Märchen-Träume konsequent so auf die Leinwand zu bringen, wie sie ihm vorschweben, notfalls im Rahmen bescheidenerer finanzieller Rückendeckung. Nie zuvor ist ihm das derart meisterlich gelungen wie mit seinem neuesten Werk, dem bereits preisberegneten und völlig zu Recht jauchzend bejubelten „The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“.

Die Geschichte der zwar stummen, aber nicht tauben sowie elegantes Schuhwerk wie Filme und Musicals gleichermaßen innig liebenden Putzfrau Elisa (Sally Hawkins), die über einem alten Kino wohnt, während der Hochphase des Kalten Krieges in Baltimore ein geheimes Hochsicherheitslabor säubert und aus diesem einen am Amazonas eingefangenen Amphibienmann befreit, dem der Tod durch den monströs psychotischen Sicherheitschef Strickland (Michael Shannon) droht, ist – und diese Kunstfertigkeit beherrscht Guillermo del Toro wohl wie kein anderer gegenwärtiger Filmemacher – gleichzeitig volksmärchenhaft-schlicht-generisch und exzentrisch-unvergleichlich. Einerseits sind die Referenzen unübersehbar; als wichtigste wie augenscheinlichste wären Jean Cocteaus „Es war einmal“ von 1946, Jack Arnolds „Der Schrecken vom Amazonas“ von 1954, Merian C. Coopers und Ernest B. Schoedsacks „King Kong und die weiße Frau“ von 1933 sowie James Whales „Frankenstein“ von 1931 zu nennen. Andererseits generiert del Toro aus diesem alles andere als Kanon-fernen Quellenmaterial etwas, das gänzlich aus dem Nichts zu kommen scheint, das nur echte Weltenschöpfer können, das man in dieser makellosen Form noch nicht gesehen hat, etwas, in dem das Bizarr-Fremde wie selbstverständlich ins Wahrhaftig-Vertraute verwandelt erscheint – nichts als glückselig stimmendes Überwältigungs-Kino, in welchem jedes Ausstattungsdetail (einer grünlichblau-bernsteinfarben schillernden, wie einst aus dem Wasser emporgetauchten Welt, deren heimelige Teile man unverzüglich bewohnen möchte), jede mimische Nuance (das Ensemble spielt ausnahmslos auf den Punkt grandios) und jede dramaturgische Volte (einer Erzählung, deren entschiedene Sentimentalität wehrlos macht und so raffiniert wie überraschungsreich auf ihre vermeintliche Naivität pfeift) stimmig sind. Die entscheidende Pointe dabei: „The Shape of Water“ ist ein Liebesfilm. Elisa liebt ihren Kiemenmenschen und wird zurückgeliebt, einschließlich (einer Art offenem) Happy End. Del Toro hat uns endlich, endlich den überfälligen Horrorfilm geschenkt, in dem die Schönheit des Monsters sich kein Stück hinter ihrer missbräuchlichen Indienstnahme als Objekt der Angst und des Schreckens verstecken muss. Hier ist der Film, der King Kong die weiße Frau endlich in die Arme schließen lässt, der Film, in dem aus dem Froschkönig nach dem Kuss glücklicherweise kein schnöder Prinz wird (man erinnere die deutliche Enttäuschung im Gesicht der Schönen, nachdem sich ihr Biest in „Es war einmal“ in einen ebensolchen verwandelt hat…) Und sie – das Monster und die Menschenfrau – dürfen sich nicht nur küssen und lieben, sondern, in der in ihrer liebenswürdigen Dreistigkeit vielleicht atemberaubendsten Sequenz des Films, sogar miteinander tanzen!

In H. P. Lovecrafts Kurzroman „Schatten über Innsmouth“ paaren sich Fischfrösche und Froschfische (also dem von del Toro erdachten und von Doug Jones in herrlich analoger Maske grazil gegebenen Kiemenmann offenbar nicht unähnliche Kreaturen) mit Menschen, und der bekanntermaßen die Furcht als stärkste menschliche Gemütsregung betrachtende Fantast muss sich große Mühe geben, um seinem latent prickelnd-utopischen Subtext nicht das Grauen auszutreiben. Lovecraft tickte eben nicht humanistisch, sondern nachgerade konträr zu del Toro (und in mehrerlei Hinsicht sowieso ziemlich problematisch, wie man weiß). Für del Toro ist die stärkste menschliche Gemütsregung die Liebe, und diese bei „The Shape of Water“ zutiefst spürbare Haltung wäre darüber hinaus mit der Wahrheit einer Äußerung von Tim Burton kurzzuschließen, eines mit del Toro nicht bloß entfernt geistesverwandten Regisseurs: „I’ve always loved monsters and monster movies. I was never terrified of them, I just loved them from as early as I can remember.” Mit Elisa unterschreiben wir auch Vincent Prices Diktum aus der Muppet-Show: „I never met a monster I didn’t like.”

P.S.: Mit einem Budget von nicht einmal 20 Millionen Dollar kostete dieses bezaubernde, betörend dahinfließende, feuchte Augen zeugende Wunderwerk ein Zehntel dessen, was für Marvel-Getöse wie „Black Panther“ aus dem Fenster gehauen wird. In der ostwestfälischen Provinzmetropole, der diese Rezension entstammt, lief „The Shape of Water“ zum Deutschlandstart in keinem der beiden Multiplex-Kinos, deren Säle mit ebenjenem Superhelden-Radau und „Fifty Shades of Grey 3 – Befreite Lust“ (sic! – die Ironie, die dieser Filmtitel bezogen auf „The Shape of Water“ entwickelt, macht wirklich melancholisch) bespielt wurden. Im kleinen feinen Programmkino saßen am Abend dann ungefähr 15 Leute, um sich von del Toro verwünschen und zeigen zu lassen, wie klug und wahr und schön sich befreite Lust imaginieren und inszenieren lässt. Horror-Renaissance? Mal abwarten. Vielleicht noch eine ganze Weile.

„The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ ist seit dem 15.02. bei uns im Kino zu sehen.

The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers USA 2017 · Regie: Guillermo del Toro Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Octavia Spencer, Doug Jones

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Tiefgaragenkoller

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Harry und Michel sind zwei Wachmänner, die ihren Job äußerst ernst nehmen und deshalb sogar davon träumen, zur personenschützenden Elite ihrer Zunft befördert zu werden, welche die abgelegenen Anwesen der Reichen und Schönen sichert. Bis dahin patrouillieren die beiden bewaffneten Männer in Blau rund um die Uhr aufmerksam durch ihr dunkles, karges Hoheitsgebiet in der Stadt: Die riesige Tiefgarage eines entsprechend gewaltigen Komplexes voller Luxuswohnungen, der sich auf vierzig Stockwerken erstreckt. Die Garage ist der einzige Eingang zum Gebäude, den Aufzügen und den Appartements, deren betuchte, auf Anonymität und Komfort bedachte Bewohner sich einen herrlichen Rundumservice inklusive Dienstboten und Köchen leisten.

Im und unter dem Haus sind die Rollen also klar verteilt, die Grenzen klar gezogen. Was jedoch auf der anderen Seite des schweren Stahltors und jenseits der riesigen Tiefgarage wartet, in der Harry und Michel zwischen ihren Runden und Schichten einen kleinen Kabuff bewohnen, ist ganz und gar nicht klar. Denn noch ehe die namenlose Organisation hinter den Profi-Wachmännern anfängt, den Lastwagen mit den spärlichen Vorratslieferungen später zu schicken als üblich, fangen die Wächter aus Leidenschaft und Überzeugung an zu grübeln: Hat dort draußen ein Krieg stattgefunden? Kam eine biologische Waffe zum Einsatz? Gab es einen nuklearen Vernichtungsschlag samt verhängnisvollem Fallout? Kommen demnächst Plünderer oder Schlimmeres? Sie wissen es nicht. Sie wissen nur, dass sie die Tiefgarage bewachen müssen – bis ihre merkwürdige, selbstkonstruierte Scheinwelt aus Düsternis und Dienstbeflissenheit eines Tages komplett auf den Kopf gestellt wird, als u. a. die Bewohner das Haus wie in einem Exodus verlassen … 

Draußen womöglich Weltuntergang, drinnen definitiv Wahnsinn: Für seinen Roman „Der Wachmann“ erhielt der belgische Autor Peter Terrin 2010 den Literaturpreis der Europäischen Union. Jetzt ist das Buch, das bereits 2012 auf Englisch veröffentlicht wurde, in der Übersetzung von Rainer Kersten bei Liebeskind als Hardcover und als E-Book auf Deutsch erschienen. Schon nach den ersten paar Seiten fühlt man sich unweigerlich an den großen J. G. Ballard erinnert – „Der Block“ alias „High Rise“ ragt wie ein gutmütiger Genre-Großvater über Terrins Geschichte und Charakteren auf, wobei die beklemmende Atmosphäre, die klare Prosa sowie die kritische Perspektive auf den Menschen und die Gesellschaft ebenfalls an den legendären New-Wave-Schriftsteller Ballard gemahnen.

Terrin nutzt viele kurze, nicht zwingend chronologisch arrangierte Szenen, um durch die schrecklich begrenzte physische und psychische Welt von Ich-Erzähler Michel und seinem Kollegen Harry zu springen, die in ihrem wichtigtuerischen Verantwortungsgefühl, ihrer fehlgeleiteten Loyalität und ihrer eskalierenden Paranoia jeden Realitätssinn und jede Bodenhaftung verloren haben. Damit nimmt Terrin, der 1968 in Tielt geboren wurde, die oft seltsame Dynamik beruflicher Hierarchien und sozialer Strukturen aufs Korn, während sein satirischer Roman zwischendurch immer mal heftig mit dem endzeitlichen oder gar apokalyptischen Genre kokettiert, ohne sich je festzulegen. 

Das wäre an sich gar nicht weiter schlimm und viel mehr sogar sehr reizvoll. Allerdings merkt man beim Lesen früh, dass trotz der tollen Idee und der stilistischen Versiertheit des Belgiers selbst überschaubare 250 Seiten zu viel sind für diese Geschichte. Wie eine zu lange Nachtschicht, die im Dunkeln unweigerlich eine ganz besondere Atmosphäre hat, durch die man sich zwischendurch jedoch auch mal ganz schön quälen muss.

Peter Terrin: Der Wachmann• Liebeskind, München 2018 • 252 Seiten • Hardcover: 20,00 Euro

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Singing in the Wood

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Waren sogenannte Indie-Games, die dennoch von großen Publishern herausgebracht wurden, bis vor einigen Jahren noch eher die Ausnahme, haben Hits wie Journey, Inside oder Unravel längst dafür gesorgt, dass vermeintlich kleinere Titel ähnlich stark im Rampenlicht stehen wie mittelgroße Blockbuster. Die typischen Indie-Zutaten eines eher unkonventionellen Designs, einer meist einfachen Spielmechanik und einer technisch weniger bombastischen, dafür aber besonders durchdachten Inszenierung, gelten heute für zahlreiche Vertreter und so haben es viele Neuerscheinungen schwer, noch den Zauber der oben genannten Vorreiter zu erreichen.

So gesehen auch wieder beim Plattformer Fe, das vom kleinen Studio Zoink entwickelt und im Rahmen der Originals-Reihe von EA nun frisch für PS4, Xbox One, PC und Switch das Licht der Welt erblickthat (hier unser damaliger Ersteindruck). In seinen gut 7-8 Stunden Spielzeit weiß das Abenteuer speziell zum Start mithilfe einer markanten Spielidee und vor allem einem wunderschön eigenwilligen Grafikdesign zu fesseln, doch nach all den Games mit ähnlichem Grundkonzept mag sich die letzte Begeisterung nicht so ganz einstellen. Aber der Reihe nach. 

In Feübernehmen wir die Rolle eines kleinen Fuchs-ähnlichen Wesens, das zusammen mit anderen fantastischen Tieren in einer Art magischem Wald lebt. Bäume, Flüsse und Täler prägen ebenso das Gesamtbild wie die unterschiedlichen Farbtöne, was zusammengenommen mit den stimmungsvollen Lichteffekten ästhetisch regelrecht begeistert. Allerdings wird das farbintensive Idyll bedroht, denn unheimliche Wesens (die sogenannten Geräuschlosen) streifen durch den Wald und fangen alle Bewohner ein, die nicht rechtzeitig fliehen können.

Welche Ziele die bedrohlichen Einäuger tatsächlich verfolgen und was es mit dem Wald und seinen Bewohnern letztlich auf sich hat, wird nur mithilfe sehr weniger Cut-Scenes und einiger in der Spielwelt verteilter Rückblick-Kugeln angedeutet, mit denen wir einzelne Ereignis-Schnipsel aus Sicht der Geräuschlosen erleben. Sprache oder Text gibt es hingegen nicht und so tappen wir leider selbst nach dem Abspann storytechnisch weitgehend im Dunkeln. Variable Interpretation und das Erleben einer eigenen Geschichte in allen Ehren - Feübertreibt diese Offenheit allerdings und verschenkt so ein gutes Stück Potenzial. 

Unsere Rettungsmission starten wir zunächst mit einer Sing-Fähigkeit, die sich im Verlauf der Handlung weiter ausbauen lässt. Unser Füchslein muss neben Springen, Klettern und sich im Grass vor Gegnern Verstecken mit den anderen Tieren oder Pflanzen singend kommunizieren, um deren jeweilige Fähigkeiten wie Fliegen oder besonders weit Springen nutzen zu können. Verfügen wir folglich nicht über den jeweiligen Gesang unseres Gegenübers, kommt im wahrsten Sinne keine Kommunikation zustande und wir können die Fähigkeit nicht nutzen.

In der Praxis fällt die Umsetzung dieses Kernfeatures denkbar einfach aus, da wir zum Singen nur einen Button entsprechend länger oder kürzer gedrückt halten und unsere angelernten Singfrequenzen über ein Optionsrad auswählen müssen. So ist es dank flüssiger Steuerung gerade im späteren Verlauf recht einfach, innerhalb längerer Sprungpassagen zwischen den Fähigkeiten hin und her zu wechseln. Der Ablauf beim Erwerb neuer Skills fällt immer gleich aus: Ehe wir einen neuen Gesang erlernen, müssen wir zunächst ein besonders großes Exemplar einer Gattung beispielsweise befreien oder ihm irgendeinen anderen Dienst wie die Rettung seines Nachwuchses erweisen. Kleinere Verbesserungen wie eine erhöhte Sprungkraft erhalten wir dagegen, indem wir in der Welt verborgene Kristalle sammeln. Mehr gibt es leider nicht zu finden.

Richtige Rätsel gibt es ebenfalls kaum. Zwar müssen wir stets die Umgebung im Auge behalten, um beispielsweise Gegner mit Früchten abzulenken, doch in der Regel beschränkt sich das Gameplay auf die Erkundung der sich mithilfe neuer Fähigkeiten weiter entfaltenden Welt. Die an festen Punkten stationierten Geräuschlosen können wir nur umgehen. Erblicken sie uns dennoch, müssen wir uns schnell verstecken und möglichst schnell Abstand gewinnen, um nicht von ihrem Augenstrahl gefangenengenommen zu werden. Tritt letzteres dennoch ein, setzt uns das Game sofort an einen sehr fair gelegten Rücksetzpunkt ab. Frust kann daher im Verbund mit den Gegnern eigentlich nie aufkommen. 

Wie bereits angedeutet, fällt die Spielwelt zwar grafisch trotz reduzierter Technik wunderschön, aber dennoch ein bisschen leer aus. Außer den Geräuschlosen und einigen Bewohnern, gibt es im relativ großen Territorium nicht viel zu erleben. Daher sinkt trotz erweitertem Skill-Repertoire die Motivation, sich in bisher unerforschte Bereiche zu begeben.

Zusätzlich negativ kommt noch hinzu, dass die Übersicht im Detail aufgrund der groben Wandtexturen häufig flöten geht. Zwar gibt es eine dynamische Übersichtskarte, die jederzeit unseren nächsten Zielpunkt anzeigt, doch da wir es mit einem Plattformer mit mehreren Ebenen zu tun haben, drehen wir die Kamera häufig hilfesuchend herum, um einen Weg zu finden. Da helfen auch die kleinen Vögel nicht immer wirklich weiter, die uns auf Knopfdruck den Weg anzeigen sollen. Daher gilt leider auch in Sachen Gameplay der bereis bei der Story genannte Kritikpunkt, dass Fe uns zu oft allein lässt, wenn wir nicht weiter wissen. Auch der sehr angenehme Soundtrack kann darüber nicht hinwegtäuschen.

Fazit

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Zoinks Plattform-Adventure ist für Indie-Freunde mit Hang zu einzigartigen Designideen und atmosphärisch eigenwilligen Gameplay-Konzepten definitiv lohnenswert. Doch speziell nach einigen Stunden Spielzeit sind die Mängel nicht zu übersehen. Die leider recht leblose, storytechnisch nicht wirklich gut motivierte Welt, der abnehmende Schauwert des Waldes und der Mangel an Abwechslung bei Gegnern und Aufgaben, führen dazu, von Fe als einem zwar guten, letztlich aber nicht herausragenden Game sprechen zu können. Der kleine Fuchs hätte es schon aufgrund seiner guten Steuerbarkeit und des eigentlich sehr spannenden Fantasy-Ansatzes verdient gehabt, einen Titel mit noch mehr Feinschliff und spielerischer Tiefe spendiert zu bekommen. 

Fe • EA/Zoink Game • Action-Adventure

Abb. © EA/Zoink Game

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Berlins bunte Düsternis

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Mit „Source Code“ legte Regisseur Duncan Jones einen überraschenden, hochinteressanten Thriller vor, mit „Moon“ machte er Science-Fiction-Fans ziemlich glücklich, und mit dem Fantasy-Blockbuster „Warcraft: The Beginning“ lieferte er eine recht ordentliche Videogame-Adaption voller Orks. Jetzt hat der 1971 geborene Engländer mit „Mute“ auf Netflix ein echtes Herzensprojekt umgesetzt, das viele Jahre in seinem Kopf herumspukte, das seine Vorbilder um „Blade Runner“ und Co. genau kennt und das nicht zuletzt eine Verbeugung vor Jones’ Vater David Bowie darstellt.

Deshalb setzt „Mute“ auch in einem retrofuturistischen Berlin des Jahres 2052 ein, das wegen seiner kulturellen Vielseitigkeit und aufgrund seiner sexuellen Freizügigkeit in einer neuerlichen Nachkriegszeit schon sehr an das Berlin erinnert, in dem sich das Popchamäleon Ende der 70er tummelte. In der Zukunft der deutschen Hauptstadt tanzen beim Sohn der 2016 verstorbenen Künstlerlegende nun menschliche Stripperinnen neben maschinellen, und Benzinautos fahren unter Schwebefahrzeugen durch die Straßen, die auf vertraut-leuchtende Weise futuristischer werden, je höher man kommt. Automaten übernehmen derweil die Reinigung der Vergnügungsmeilen am Boden, in denen sich nicht nur desertierte, von der Militärpolizei gesuchte US-Soldaten tummeln, und das bestellte Essen wird per Drohne an den Standort des Smartphones geleifert.

In diesem Berlin lebt der stumme Barkeeper Leo (Alexander Skarsgård aus „Legend of Tarzan“), der seit einem Bootsunfall im Kindesalter nicht mehr sprechen kann, da seine streng religiösen Eltern die Behandlung verboten – für Leo hat die digitalisierte Metropole daher mehr Barrieren als für die meisten anderen. Als Leos kellnernde Freundin Naadirah (Seyneb Saleh) eines Tages spurlos verschwindet, macht sich der geschickte Künstler und Holzschnitzer, der nicht mit Technik kann und immer einen Block und einen Stift zum Kommunizieren dabei hat, auf die Suche nach seiner große Liebe. Das setzt ihn unweigerlich auf Kollisionskurs mit dem kriminellen Nachtclubbesitzer Maksim (Gilbert Owuor aus „Goliath“), dessen Schläger Gunther (der deutsche Wrestler Ulf Herman) und dem überdrehten, moralisch undurchschaubaren Vater Cactus (Paul Rudd aus „Ant-Man“), einem amerikanischen Chirurgen, der sich unerlaubt von der Truppe entfernt hat …

„Mute“, das seit dem 23. Februar auf Netflix zum Streamen bereitsteht, ist vor allem in der ersten Hälfte ein hübscher Neo-Noir-Film, der aus ästhetischer und cineastischer Sicht einiges zu bieten weiß. Jones serviert einem seine Geschichte und seine Zukunft keineswegs auf dem Silbertablett, doch das hilft letztlich dabei, auf die vielen Details zu achten, die in diesem Berlin zwischen Gestern, Heute und Morgen und seiner aufwendigen Textur versteckt sind. Außerdem kann Jones sich stets auf Paul Rudd verlassen, wenn sich „Mute“ mal in irgendeinem schrägen Handlungsstrang verheddert – was nichts daran ändert, dass zwei Stunden einfach zu lang sind für diesen Streifen, den Jones übrigens seinem Vater sowie seiner Nanny Marion Skene widmete. Umso mehr tut es einem leid, nach einer geschickten Zusammenführung der Plotlines, einer unglaublich heftigen Gewaltszene auf der Zielgeraden und einem verkorksten Finale zu dem Schluss zu gelangen, dass Jones die Ausfahrt für „Mute“ verpasst hat und seinerseits nicht wusste, wann er hätte Schluss machen sollen.

Der Krimi-Trip in die ebenso bunte wie düstere Zukunft, die sich mit aller Macht an das Berlin von David Bowie erinnern will und die mit ihrem visuellen Mix aus Vision und Vintage durchaus Freude bereitet, lässt einen also nicht so sprachlos zurück, wie nach dem Trailer erhofft – anschauen kann und sollte man sich „Mute“ als Genre-Fan aber trotzdem.

Abb: Keith Bernstein/Netflix                                   

Mute • Regie: Duncan Jones • Drehbuch: Michael Robert Johnson, Duncan Jones • Darsteller: Alexander Skarsgård, Paul Rudd, Justin Theroux, Seyneb Saleh • Laufzeit: 126 Min.

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Eiskalte Postapokalypse

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Deutschland schlottert vor Kälte und spürt den Biss des Frostes. Der postapokalyptische Comic „Frostbite“ liefert die passende SF-Lektüre für die Kältewelle und den ‚Arctic Outbreak‘ – am Besten in Nähe einer Heizung oder eines Ofens lesen…

Nach der Arbeit an seinen eigenständigen Comic-Serien „Ghosted“ und „Nailbiter“ hat sich Joshua Williamson zu einem der wichtigsten DC-Autoren der aktuellen Rebirth-Ära entwickelt. Nicht nur, dass er seit dem Reboot des Reboots der Welt von Wonder Woman und Co. eine viel gelobte Saga über den Roten Blitz Barry Allen in „Flash“ schreibt. Darüber hinaus inszenierte Williamson die krachende Hauptserie des plakativen Crossovers „Justice League vs. Suicide Squad“ sowie zwei Kapitel des Flash/Batman-Crossovers „The Button“, das wieder mit der Verbindung zwischen den DC-Superhelden und den Watchmen kokettiert und gerade in den Heften der monatlichen „Batman“-Serie auf Deutsch erscheint. Bei all dem ist es fast ein bisschen untergegangen, dass der 1981 geborene Amerikaner mit „Frostbite“ zwischen 2016 und 2017 eine starke postapokalyptische Science-Fiction-Miniserie für DCs legendäres Vertigo-Imprint verfasste – doch das passiert einigen guten Vertigo-Titeln der jüngeren Vergangenheit, seit die Hochtage des Labels vorbei sind, das uns einst „Sandman“, „Preacher“, „DMZ“, „Fables“ und „Scalped“ brachte. Seit einer Weile liegt „Frostbite“ sogar gesammelt als US-Tradepaberback vor, und wer bisher nicht in die kalte Postapokalypse eintauchte, sollte das unbedingt nachholen.

Für „Frostbite“ hat sich Williamson mit dem bekannten US-Künstler Jason Shawn Alexander zusammengetan, und das Künstler ist in seinem Fall wörtlich zu nehmen. Alexander schrieb und zeichnete vor einiger Zeit den düsteren, in die Gefilde von Warren Ellis vorstoßenden Cyberpunk-Comic „Empty Zone“, für den er sich mithilfe seiner Fans auf Kickstarter die nötige Arbeitszeit finanzierte; überdies gestaltete der talentierte Maler und unangepasste Zeichner noch diverse Panel-Geschichten aus den Welten von Hellboy und Batman; zuletzt nahm er auf dem Schleudersitz des Hauptzeichners von Todd McFarlanes unverwüstlicher „Spawn“-Serie Platz, die in den 90ern immerhin den Weg für „The Walking Dead“ und Co. ebnete. In „Frostbite“ hält sich Alexander für seine Verhältnisse relativ zurück, was Schmutz, Raster und andere Verzerrungen angeht. Das Ergebnis sind nach wie vor interessante und kernige, aber äußerst klare Seiten, wobei Alexaner natürlich genau der richtige Mann für ein Schneegestöber ist, das nicht wie bei John Byrne nur aus weißen Seiten besteht.

So kleidet Alexander die Story aus der Feder von Williamson allzeit gut und passend ein, die in einer frostigen Zukunft spielt, in der die Menschheit seit 75 Jahren friert und bibbert: Fatal gescheiterte Experimente mit der Technologie zur kalten Fusion haben eine neue Eiszeit über die Welt gebracht. Selbst in Los Angeles hat es dauerhaft minus 10 Grad, in Mexico City immer noch minus 4 Grad. Außerdem wütet die titelgebende Frostbite-Seuche unter den zerfrorenen Überlebenden, die diese von innen heraus nach und nach zu Eis werden lässt. Die junge Keaton, die einen mächtigen Eistransporter fährt, kennt die kalte Wildnis Kaliforniens wie ihre Westentasche und kommt auch in den ungemütlichen, unsicheren Städten zurecht, in denen Hitze und Energie das teuerste Gut sind und alle Angst vor der nächsten Frostbite-Epidemie haben. Als die taffe Keaton zusagt, einen Wissenschaftler und seine Tochter nach Alcatraz zu bringen, hat die Transportspezialistin auf einmal nicht nur das Schicksal der erfrorenen Welt in den Händen, sondern dank der Aussicht auf ein Heilmittel gegen Frostbite auch mehr Ärger und Verfolger am Hals, als ihr lieb ist …

Man könnte Joshua Williamsons und Jason Shawn Alexanders „Frostbite“ als modernes Gegenstück zu den „Winterworld“-Comics von Chuck Dixon und Jorge Zaffino bezeichnen, und damit würde man gar nicht so viel falsch machen. „Frostbite“ ist allerdings zeitgemäßer in seiner Coolness und eleganter und moderner seinem visuellen Ansatz, aufgrund der Kürze jedoch genauso luftig zwischendurch, im Finale sowieso. Selbst die Hommage an „Mad Max“ fällt am Ende aus dem Rahmen des Weltenaufbaus und stört eher, als dass sie flasht. Dennoch unterhält „Frostbite“ unterm Strich ziemlich gut als eiskalte postapokalyptische Comic-Geschichte. Williamson kann auf wenigen Seiten Figuren erschaffen, die einem nicht völlig kalt lassen, während er mit seinem kalten, brutalen Setting überzeugt; und Alexander gehört sowieso zu den außergewöhnlichsten Künstlern der Szene und hat mit Luis Nct einen Koloristen gefunden, der sein Artwork seit „Empty Zone“ zusätzlich aufwertet.

Der erste Band von „Frostbite“ enthält alle sechs US-Hefte und Cover der Vertigo-Serie und ist in sich weitgehend abgeschlossen, eine Fortsetzung wäre aber problemlos möglich – vielleicht, wenn Netflix oder sonst wer sich die Film/TV-Rechte schnappen sollte?

Abb: TM & © 2017 DC Comics. All Rights Reserved.

Joshua Williamson, Jason Shawn Alexander: Frostbite • DC Vertigo, Burbank 2017 • 24 Seiten • Tradepaperback: $ 16,99 • Sprache: Englisch

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Waidmonstersheil

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Ein bisschen war es ja wie verhext in den letzten knapp 15 Jahren. Da fuhren zig Ableger gerade im östlichen Weltmarkt auf Handhelds top Verkaufszahlen ein, doch hierzulande galt Capcoms Fantasy-Action-RPG Monster Hunter eher als sperriger Geheimtipp für akribisch veranlagte Trapper, die noch den kleinsten Ausrüstungsgegenstand und jeden Angriff im Team durchplanen, um ein Ungeheuer nach dem nächsten im üppigen Jagdverzeichnis abhaken zu können. Da stellt sich doch die zwangsläufig die Frage, wie das in Fernost speziell unter Multi- und Koop-Bedingungen bestens funktionierende Prinzip auch irgendwie in Europa und Amerika auf mehr Erfolg getrimmt werden kann.

So entschloss sich Capcom mit Monster Hunter World, seiner Reihe auf Current-Gen-Basis ein grundlegendes Facelifting zu verpassen, ohne in die Falle zu tappen, etablierte Qualitäten für vermeintlich neue Stärken und von der Fancommunity ungeliebte Zugeständnisse zu opfern. Und auch wenn der Autor dieser Zeilen lange selbst eher skeptisch war, ob dieses ja immer beim Rebranding aka Neustart postulierte Mantra wirklich gelingen würde, so eindeutig fällt nun das seit dem 26. Januar für PS4, Xbox One (und noch in diesem Jahr für PC) vorliegende Ergebnis aus – nämlich absolut positiv!

Passend zum Thema Neustart steht auch die (wie gewohnt eher dünne) Rahmenhandlung von Monster Hunter World ganz im Zeichen eines frischen Beginns. Als mutiger Krieger oder Kriegerin (je nach Wahl im umfangreichen Charaktereditor), brechen wir gemeinsam mit weiteren Recken per Schiff in eine neue Welt auf, um dort dem Rätsel der mysteriösen Wanderung der sogenannten Drachenältesten auf die Spur zu kommen. Diese gigantischen Kreaturen sind nur die Spitze eines Eisbergs an weiteren gefräßigen Ungetümern, die wir im Verlauf unserer Reisen zu erlegen haben.

Sagten wir gerade Eisberg? Eigentlich wäre Lavaberg treffender, denn schon in der Einstiegssequenz prallt unser Schiff auf den Körper des übergroßen mit flüssigem Magma bedeckten Zorah Magdaros, der nun langfristig unser Hauptziel im Spiel darstellt. Bis es jedoch zu einem Aufeinandertreffen kommt, müssen wir uns zunächst entsprechend vom schwächlichen Neuling zum mit allen Wassern gewaschenen Kämpfer entwickeln und zusammen mit unseren Gildenfreunden das Hauptquartier in der neuen Welt ausbauen.

Im Quartier können wir Aufträge annehmen, Waffen schmieden, Items herstellen und oder auch in der Kantine unsere Statuswerte mit verschiedenen Mahlzeiten temporäre aufwerten. Mehrere Cut-Scenes und einige hübsche Wow-Effekte unterhalten dabei über die vielen Stunden storytechnisch solide, jedoch versucht World angenehmerweise gar nicht, dem Geschehen wie die meisten anderen Blockbuster eine auch nur pseudotiefgründige Handlung aufzustülpen. Es geht – und das ist gerade für Fans die beste Nachricht – nahezu ausschließlich um das famose Jagd-Gameplay und wie es sich zeitgemäß verbessern und auch für Neulinge attraktiv gestalten lässt. Gut so!

Dazu schicken uns die Macher in wunderschön umgesetzte, angenehm weitläufige und dennoch übersichtliche, aber vor allem sehr lebendige Areale, damit wir neben dem Staunen über Flora und Fauna an jeder Ecke Gegenstände, Ressourcen und speziell Informationen zu sammeln, die wir wiederum für unsere Ausrüstung oder beispielsweise die Lokalisierung unserer jeweiligen Beute einsetzen können. Die besteht schon nach kurzer Eingewöhnungszeit fast nur aus riesigen Bestien, die sich in dunklen Höhlen ebenso herumtreiben wie auf Bäumen, am Wasser oder in der Luft.

Doch das Gameplay ist alles andere als eine virtuelle Safari: Wer glaubt, er könne sich einfach eine der 14 Waffentypen schnappen und zusammen mit seinem KI-gesteuerten (und sehr süßen) Katzensidekick (den sogenannten Palicoes) einfach mal frisches Monsterfleisch erbeuten, hat ziemlich sicher noch nie Monster Hunter gespielt. Kaum eine Reihe geht beispielsweise so penibel bis pingelig mit der Wahl der Ausrüstung und deren Wirksamkeiten um. Wer sich mit einem mächtigen Breitschwert ins Gefecht stützt und annimmt, mit diesem naturgemäß besonders viel Schaden anrichten zu können, wird sich trotz seiner nachvollziehbaren Wahl über die Zähigkeit der Biester ebenso wundern wie über die Schwierigkeit der Handhabung der Waffen in Verbindung mit Blocken, Ausweichen und der eigenen Kondition. Egal ob mit Schusswaffe, Schwert, Speer oder sonstigen zusätzlichen Gegenständen – Monster Hunter zu spielen bedeutet Training, Timing, Planung und Ausdauer.

Gerade im Bereich Worldbuilding zieht der Titel alle Register, um diejenigen langfristig zu motivieren, die sich nicht von anfänglichen Hürden bei den zuweilen sehr langen Jagdsessions abschrecken lassen. Denn die Feinde sind nicht nur in einen Grafikblender eingebaute Riesen, sondern agieren entsprechend ihres Lebensraumes und umgekehrt. Das führt zu immer wieder neuen, gerne auch unvorhergesehenen und damit hochgradig spannenden Situationen, wenn wir ein Monster erst mithilfe unserer Insektoiden aufspüren und dazu Fußspuren und ähnliche Hinweise sammeln, um unsere Beute dann etwa in Schlingpflanzen zu locken, sie zu blenden oder überhaupt erstmal herauszufinden, wo sie ihre Schwachstellen haben.

Wenn dann auch noch unvorbereitet ein anderes Monster dazustößt, um unsere Beute oder eben auch uns zu attackieren, ist ebenso Dramatik angesagt wie im Fall der Verfolgung, wenn wir beispielsweise unsere Verwundete Beute erneut aufspüren und es dabei mit weiteren kleineren Gegnern derselben Rasse zu tun bekommen. Ist der Feind meines Feindes situativ ein Freund? Welche Vorteile können wir aus Zufällen ziehen? Und wie organisiert man ihm Team eine möglichst ressourcenschonende Jagd? Dabei verbessern wir uns primär „nur“ mit aufgewerteter Ausrüstung und vor allem unseren eigenen Leistungen und können uns nicht wie bei klassischen RPGs mithilfe längerem Aufleveln das Leben erleichtern. In dieser Hinsicht steht World mit seinen gerne auch mal überlangen Kämpfen einem Dark Souls näher als Final Fantasy und Co.

Abwechslung wird dabei immer großgeschrieben. Die grafisch bis auf ein paar merkwürdige Clipping-Fehler grandios inszenierten, jederzeit flüssig laufenden Areale strotzen wie gesagt vor unterschiedlichen Möglichkeiten und Schauwerten. Nach und nach verschlägt es uns mit neuen Story- oder optionalen Quests in komplett neue Gebiete. Starten wir zunächst in einem Waldgebiet, serviert uns Capcom danach unter anderem eine beeindruckende Korallenhöhle, das sogenannte Tal der Verwesung oder eine zerklüftete Ödnis. In die Bereiche können wir zur freien Erkundung auch immer wieder zurückkehren, um so Ressourcen aufzustocken oder weitere Kämpfe zu bestreiten, um unsere Ausrüstung beim Schmied in unserem Hauptquartier aufpolieren zu lassen. Die Fülle an Möglichkeiten (etwa auch bei unseren katzenartigen KI-Begleitern) und viele weitere Details können wir an dieser Stelle gar nicht unterbringen.

Was macht nun neben der Technik eigentlich den größten Unterschied zu den Vorgängern aus? Kurz gesagt: Trotz des nach wie vor fordernden Gameplays speziell der Komfort. Jedes Spielelement wird mit stichhaltigen wie kompakten Tutorials erklärt und sukzessive in den Spielbetrieb integriert. Auch verlangt World nicht von uns, allein in die Schlacht zu ziehen. Mithilfe einer jederzeit verfügbaren Notsignal-Option, können wir beispielsweise während eines (aussichtslosen) Gefechts andere Spieler online um Hilfe bitten oder auch selbst zur Rettung eilen.

Freunde des gepflegten Online-Multiplayers dürfen sich auch via Chat austauschen und so das gerade mithilfe des Hauptquartiers und seiner kumpelhaften Mitstreiter betont gemeinschaftliche Gildenfeeling weiter vertiefen. Ob wir also das schon allein aufgrund der vielen Zusatzevents wochenlang fesselnde Abenteuer in der neuen Welt mit all seinen Quest-Möglichkeiten eher allein oder doch kooperativ mit bis zu vier Mitgliedern gleichzeitig angehen, bleibt vollkommen uns überlassen; dem guten Balancing der Gegner sei Dank, das uns in jeder Hinsicht viel abverlangt, jedoch nach erfolgreichem Kampf umso mehr für ein befriedigendes Triumpherlebnis sorgt.

Wirklicher Frust kommt eigentlich nur dann auf, wenn man nicht gewillt ist, an seinen eigenen Fähigkeiten zu arbeiten und seine Taktik zu hinterfragen. Wer ein eher launiges, nicht wirklich forderndes Blockbuster-Erlebnis a la Uncharted, Tomb Raider oder auch Assassin’s Creed bevorzugt, ist auch bei World sicher an der falschen Adresse. Dennoch bietet der das neue Monster Hunter mit seinen vielen Erklärungen, Hilfsoptionen, einem variableren Spielfluss aus „Schaffe ich das gerade nicht, mache ich eben erst etwas anderes und entwickle mich so weiter“, dem simplen Ein- und Ausstieg via Onlinefunktion in die Session anderer Spieler oder auch den vielen Möglichkeiten, die sich aus der Wahl der Ausrüstungen und weiteren Spezialfähigkeiten wie einem Greifhaken oder einem kurzfristigen Unsichtbarkeitseffekt ergeben, ein deutlich einstiegsfreundlicheres Gameplay als in allen früheren Teilen.

Fazit

Die schon jetzt hohen Verkaufszahlen weltweit sprechen eine deutliche Sprache: Die Jahre der Sperrigkeit sind endlich vorbei. Mit Monster Hunter World verhilft Capcom seiner Musterreihe in Sachen Jagen, Sammeln und episch Kämpfen endlich zum längst verdienten Durchbruch auch außerhalb Asiens. Denn das Action-RPG kommt nicht nur mit blitzsauberer Technik, einer wunderschönen Welt voller Leben und den bisherigen Tugenden eines richtig ausgeschlafenen Kampf- und Questsystems daher, sondern bringt durch die Bank endlich die Hilfestellungen und Verfeinerungen, um Spieler nicht wie früher mit zu viel Komplexität schnell und letztlich unnötig abzuschrecken.

Leichte Kost ist World aber dennoch beileibe nicht. Feinheiten bei der Herstellung von Items und der Status der Ausrüstung wollen ebenso akribisch im Auge behalten werden wie die stimmig in ihrem jeweiligen Biotop agierenden Gegner und deren Umfeld. Wer sich aber wirklich auf eine Kampfmechanik einlassen und dafür mit intensiven Gefechten inklusive eindrucksvoller Gegner belohnt werden möchte, sollte sich dieses Highlight definitiv nicht entgehen lassen.

Monster Hunter World • Capcom • Action-RPG

Abb. © Capcom

 

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Im Weltall hört dich niemand rätseln

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Sich ganz allein im Dunkeln herumzutreiben, ist ja eigentlich nie eine gute Idee. Wenn man dann noch auf einer verlassenen Weltraumstation unterwegs ist, ohne zu wissen, was dort mit der Crew geschehen ist und was dort sonst so lauern könnte, müssten alle Warnzeichen auf Alarmstufe rot stehen. Eigentlich. Genau dieses Szenario erwartet uns im Adventure The Station, das am 20. Februar zum kleineren (Indie-)Preis für PS4, Xbox One und PC erschienen ist.

Weil sich die Besatzung einer Forschungsstation aus unerfindlichen Gründen nicht mehr zu melden scheint, sollen wir in Gestalt eines aus der Ego-Sicht gesteuerten Avatars vor Ort nach dem Rechten sehen. Schon kurz nach der Ankunft bestätigen sich unsere schlimmsten Befürchtungen. Die Station ist komplett verlassen, allerdings gibt es keine offensichtlichen Anzeichen eines Kampfes. Was ist also mit der dreiköpfigen Crew der Espial Station geschehen und welche Rolle spielte dabei die geheime Mission, eine fremde Spezies zu beobachten und möglicherweise Kontakt zu ihr aufzunehmen? Dass innerhalb der Alien-Zivilisation anscheinend ein handfester Bürgerkrieg tobt, trägt dabei auch nicht unbedingt zur Beruhigung der Situation bei.

Schon die ersten Minuten zeigen deutlich, was uns über die gut 2-3 Stunden der Kampagne erwartet. Wie ein Detektiv erkunden wir die Station auf der Suche nach Audiologs, Mails, Datenübertragungen und anderen Hinweisen und erfahren so immer mehr über das Innenleben der Besatzung und den Fortschritt ihrer Mission. Obwohl es sich mit Techniker Aiden, Forscher Silas und Pilotin Mila nur um drei Besatzungsmitglieder handelt, spinnt The Station ein durchaus fesselndes Netz aus launigen Privatkonversationen, kleineren Alltäglichkeiten und manchmal auch brisanteren Informationshäppchen, die uns die Charaktere auch in Abwesenheit näher bringen. Dazu tragen speziell die guten englischen Sprecher bei, die uns die verschiedenen Stimmungslagen adäquat mitfühlen lassen.

Spätestens dann, wenn wir die Privaträume der Crew durchsuchen, beginnen wir, uns für deren Schicksal wirklich zu interessieren und nicht nur nach Hinweisen über die Mission zu forschen. Leider fällt die Story dennoch fast ein wenig zu knapp aus und verschenkt ohne (spielerische) Not leicht abschöpfbares Potenzial. Allein das Thema einer unbekannten Alien-Rasse und den unterschiedklichen Meinungen über den Umgang mit ihr hätte noch Stoff für die ein oder andere Sequenz mehr hergegeben können. Und auch wenn das Finale nicht enttäuscht, hätte auch das aufgrund des zuvor motivisch Aufgebauten noch etwas mehr Tiefgang vertragen können.

Auch beim Gameplay halten sich Licht und Schatten die Waage: Wir erkunden die Station und lösen dabei kleinere Rätsel, um Türcodes zu knacken, Ersatzteile zu finden, verschlossene Spinde abzugrasen oder mit einem aktivierten Greifarm eine wichtige Kiste zu erhalten. Das Handling funktioniert dabei solide, wobei The Station dazu tendiert, uns fast zu viele Manipulationsoptionen wie etwa herumliegende Fürchte und allerhand Schubladen vorzusetzen, die dann keinerlei nachträglichen Wert haben. Dazu gesellt sich ein nicht immer in seiner Funktion nachvollziehnares Inventarmenü, das es so sicher gar nicht gebraucht hätte.

Hinweise gibt es neben der trotz einiger fehlender Details übersichtlichen und sich stets aktualisierenden Karte praktisch keine, doch die Knobeleinlagen sind so organisch in die Umgebung integriert, dass sie sich mit ein bisschen Umsicht und Geduld leicht knacken lassen. Richtige Kombinationsrätsel mit mehreren Gegenständen und viel Um-die-Ecke-Denken erwartet uns hier praktisch nie. So dürfen Anfänger wie Fortgeschrittene mit dem Schwierigkeitsgrad zufrieden sein; wer aber richtige Kopfnüsse will, wird eher enttäuscht. 

Nicht ganz ersichtlich ist hingegen der Umgang der Macher mit der spannenden Drohkulisse ihres insgesamt recht linear präsentierten Settings. Auf den ersten Blick könnte The Station ja auch fast ein Horror-Titel wie Alien:Isolation sein, bei dem man ohne Waffen und eigentlich nur mit dem eigenen Grips bewaffnet vor einem übermächtigen Angreifer fliehen und die Gegebenheiten der Station für sich nutzen muss. Das möchte der Titel zwar gameplaytechnisch offenbar gerade nicht sein und es ist ihm auch nicht vorzuwerfen, dass wir nicht von Aliens durch die Gänge gejagt werden. Allerdings reizt das Adventure die latente Angst vor dem Unbekannten dadurch eben nie konsequernt aus und vermittelt uns zu schnell ein Gefühl von Sicherheit, das der Inszenierung zuwiderläuft.

Aber auch ohne akute Gefahr wäre hier mehr Intensität möglich gewesen, zumal das Design in Verbindung mit dem dezenten, aber stets situativ passend eingesetzten Sound dies eben auch suggeriert und dies dazu mit einer technisch sauberen Performance (bis auf einige lange Ladezeiten) ordentlich unterstützt. 

Fazit

The Station könnte man auf folgenden Nenner bringen: Hier wurde leichtfertig Potenzial verschenkt! Die Macher kreierten ein stimmungsvolles, mit vielen schönen Details gespicktes Sci-Fi-Setting, das mit seiner Grundthematik schnell in seinen Bann zieht. Allerdings fehlt dem Erkundungs- und Rätsel-Gameplay die nötige Tiefe und abseits der Storyhinweise der eigentlich sehr düsteren Story auch ein wenig der Extrakick (wie er beispielsweise mit einer zumindest latent echten Bedrohung einhergehen hätte können). 

So bleibt unter dem Strich ein gutes Adventure, das sich Sci-Fi-Fans mit Hang zu durchschnittlicher Rätselkost gerne ansehen können und das gerade mit Blick auf die Entwickler vielleicht für kommende Projekte einiges verspricht.

The Station• The Station • Exploration-Adventure

Abb. © The Station

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Das Leben, das Universum und der ganze Rest

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Terrence Malicks spätes Meisterwerk, der Cannes-Gewinner Tree of Life, enthielt eine atemberaubende Sequenz, die mitten in das häusliche Drama um Brad Pitt und Jessica Chastain hereinbrach und in circa zwanzig Minuten lang die Geburt und verschiedene Lebensphasen des Universums darstellte. Zur erhabenen Musik von Zbigniew Preisner zogen unfassbar schöne kosmische Bilder über die Leinwand, eine Mischung aus analog und digital erstellten Special Effects und realen Landschaftsaufnahmen – plus Dinosaurier. Einer der aufsehenerregendsten Montage-Coups der jüngeren Kinogeschichte und sicherlich eine der größten Verdichtungen von erzählter Zeit, die jemals ein amerikanischer Filmemacher seinem Publikum zumutete.

Voyage of Time ist nun genau das, was man vermutet, nämlich die Ausdehnung dieser Passage auf Spielfilmlänge. Wobei Malicks Herzensprojekt – bereits seit vierzig Jahren arbeitet der Regisseur, der in jungen Jahren u.a. mit David Lynch die Filmschule besuchte – an seinem wohl ambitioniertesten Werk. Es gibt zwei Ausführungen davon: In der etwa 40-minütigen IMAX-Version stellt Brad Pitt die Voiceover-Stimme, die 90-minütige reguläre Kinofassung wird von Cate Blanchetts Luxusorgan veredelt. Der ehrgeizige Plan: einfach mal alles zeigen. Der Film – man hat tatsächlich große Schwierigkeiten, ihn als „Dokumentation“ zu bezeichnen, denn das ist er ganz sicher nicht – beginnt noch „vor“ dem Anfang der Zeit und endet irgendwann „danach“.

Dazwischen sehen wir Malicks Vorstellung einer Repräsentation von der Entstehung des Universums, der Erde, des Lebens und auch dem Sterben all dieser Dinge. In großartigen, beinahe impressionistischen Bildern formen sich kosmische Nebel, erste Sterne, dann weitere Himmelskörper. Die Kamera streichelt unseren Planeten mit seinen großartigen geologischen Formationen, fängt in einer scheinbar ewig währenden Magic Hour ätherische Naturszenen ein. Dazu schwelen die Geigen, Chöre und Orgeln in göttlichen Klängen von Arvo Pärt und weiteren Vertretern der klerischen Klassik. Wirklich beeindruckend und dank Malicks individueller Sensibilität weit entfernt von vergleichbaren BBC-Dokus oder N24-Mitternachtsware. Doch der amerikanische Regie-Exzentriker will natürlich mehr als schöne Bilder und naturwissenschaftliche Illustration. Malick war immer schon Esotheriker; spätestens durch sein Comeback nach 21 Jahren Kinoabstinenz 1998 mit dem Weltkriegsdrama „Der schmale Grad“ vollzog er den Schritt zum Naturmystiker und christlichen New-Age-Filmemacher. Voyage of Time ist das donnernde Manifest dieser Entwicklung; wenn Cate Blanchett ihre gehauchten Monologe an eine nicht näher bezeichnete „Mother“ richtet, in neo-christlichem, salbungsvollen Tonfall in die Rolle der Schöpfung schlüpft, dann wird klar: Malick geht’s hier nicht nur um krude Materie, sondern um mehr.

Zwischen seine Hochglanzbilder schneidet er immer wieder niedrig aufgelöste Doku-Aufnahmen, die ganz reale Menschen dabei zeigen, wie sie schreckliche Dinge tun: Ochsen abschlachten, Krieg führen, sich in religiösem Wahn ergehen. Warum? Man weiß es nicht genau. Als Zyniker könnte man Malick hier unterstellen, durch die Parallelmontage von göttlicher Erhabenheit und menschlicher Profanität so etwas wie kosmische Indifferenz zu propagieren – und das hätte dann fast schon Lovecraft-Dimensionen. Da ist sicherlich auch etwas dran, es wäre aber zu kurz gedacht – auch zu einseitig, denn dafür ist Malick zu sehr Fan des Lebens in all seinen Formen. Und genau so sollte man sich Voyage of Time auch annähern: Als das Magnum Opus eines ganz besonderen Kinovisionärs, der hier seine Autorschaft zur vollen Blüte bringt, mit allen Frustrationen und Unklarheiten, die echte Kunst eben auszeichnet. Dafür darf man dankbar sein, denn das gibt es im zunehmend industriell geprägten Kino der 2010er-Jahre nicht mehr so häufig.

Voyage of Time: Life’s Journey• USA 2016 · Regie: Terrence Malick • Cate Blanchett, Maisha Diatta, Theo Bongani, Sebastian Jackson, Jamel Cavil

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Nova über dem Zauberberg

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Der Wiener Septime Verlag schließt seine vorbildliche Werkausgabe des Science-Fiction-Schaffens von James Tiptree Jr. mit einer deutschen Romanerstveröffentlichung der preisgekrönten Autorin, Psychologin, CIA-Analystin, Kunstkritikerin und Hühnerfarmerin Alice B. Sheldon (1915–1987) ab, die die englischsprachige Szene jahrelang mit ihrem männlichen Pseudonym an der Nase herumführte. Und auch wenn sie aufgrund des sexistischen Klimas innerhalb der Zukunftsliteratur zu ihren Lebzeiten einen maskulinen Nom de Plume brauchte, mussten und müssen sich ihre Erzählungen alles andere als verstecken: Der Name James Tiptree Jr. steht bis heute für stilistisch herausragende, inhaltlich überraschende, ebenso ideenreiche wie vielfältige Geschichten, die nach wie vor zum Besten gehören, was man als Freund guter Literatur und guter Science-Fiction lesen kann.

Ihr Romanspätwerk „Helligkeit fällt vom Himmel“, das im Original 1985 als „Brightness falls from the Air“ herauskam, spielt auf dem fernen Planeten Damiem. Die profitgierigen Menschen haben den geflügelten, engelsgleichen Dameii, welche die abgelegene Welt bewohnen, vor Jahren Schreckliches angetan. Ein kleines Team, das aus der Administratorin Cory, dem Verbindungsoffizier Kip und dem Arzt Bram besteht, soll den Schutz der Dameii garantieren und so viel Vertrauen wie möglich zurückgewinnen. Diese sensible Mission wird auf eine harte Probe gestellt, als eine spektakuläre Nova-Front über ein Dutzend fremder Weltraumreisender anzieht, die dem Himmelsschauspiel beiwohnen wollen, das übrigens mit einer weiteren menschlichen Gräueltat gegenüber einem außerirdischen Volk zu tun hat. Im letzten Licht des gestorbenen Sterns versammeln sich eine freundliche Pornofilmcrew, ein gewiefter junger Prinz, ein kiemenbewehrter Aquamann und andere schwer zu durchschauende, teilweise verdächtige Individuen, die nach und nach ihr wahres Gesicht zeigen, woraufhin das Drama seinen Lauf nimmt …

James Tiptree Jr., Namenspatin des gleichnamigen Awards, wird immer als eine der besten Kurzgeschichtenautorinnen des Genres gelten – ihr zweiter Roman kommt jedoch als ziemlich träge und zuweilen langatmig daher. Dennoch blitzt immer wieder mal das Tiptree-Genie auf, wenn sie das Innenleben ihrer Figuren mit der exotischen Kulisse, den fremdartigen Dameii, interstellarer Hard-Science-Fiction oder der grausigen Vergangenheit ihres fiktiven Universums vermischt. Wohlwollend könnte man sogar sagen, Tiptree Jr. beschwört einen Hauch von „Zauberberg“ im Schein ihrer Nova über Damiem. Sprachlich ist das außerdem selbst dann ein Vergnügen, wenn man sich das eine oder andere zähe Kapitel durch überlange Unterhaltungen und allgegenwärtige Sentimentalitäten kämpfen muss. Sei’s drum: Wer in den letzten Jahren alle sieben Bände mit Kurzgeschichten und Novellen genossen hat, die Biografie genauso interessiert las wie den Sammelband mit den Briefen an Ursula K. Le Guin (im Shop), den Essays und den Gedichten, und wer vor zwei Jahren auch den Roman „Die Mauern der Welt hoch“ goutierte, wird sich freuen, dass mit „Helligkeit fällt vom Himmel“ die ungeheuer schmucke Tiptree Jr.-Werkausgabe des Septime Verlags nun abgeschlossen ist – ohne Frage eine der wundervollsten Editionen auf dem deutschsprachigen SF-Markt.

Als Bewunderer dieser großartigen Autorin und dieser passend großartigen Gesamtausgabe erfreut man sich an der schönen Prosa von „Helligkeit fällt vom Himmel“ und an den zeitlos guten Einfällen, während man die Schwächen in Tempo und Umfang sowie die weniger gelungenen Passagen einfach ignoriert. Wer dagegen noch nie etwas von Alice B. Sheldon alias James Tiptree Jr. gelesen hat, der fängt besser mit irgendeinem der Kurzgeschichtenbände an und weidet sich an dem Wissen, eine der wichtigsten und löblichsten Science-Fiction-Werkausgaben überhaupt vor sich zu haben.

James Tiptree Jr.: Helligkeit fällt vom Himmel • Septime Verlag, Wien 2018 • 512 Seiten • Hardcover: 24,90 Euro

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