Ein bisschen war es ja wie verhext in den letzten knapp 15 Jahren. Da fuhren zig Ableger gerade im östlichen Weltmarkt auf Handhelds top Verkaufszahlen ein, doch hierzulande galt Capcoms Fantasy-Action-RPG Monster Hunter eher als sperriger Geheimtipp für akribisch veranlagte Trapper, die noch den kleinsten Ausrüstungsgegenstand und jeden Angriff im Team durchplanen, um ein Ungeheuer nach dem nächsten im üppigen Jagdverzeichnis abhaken zu können. Da stellt sich doch die zwangsläufig die Frage, wie das in Fernost speziell unter Multi- und Koop-Bedingungen bestens funktionierende Prinzip auch irgendwie in Europa und Amerika auf mehr Erfolg getrimmt werden kann.
So entschloss sich Capcom mit Monster Hunter World, seiner Reihe auf Current-Gen-Basis ein grundlegendes Facelifting zu verpassen, ohne in die Falle zu tappen, etablierte Qualitäten für vermeintlich neue Stärken und von der Fancommunity ungeliebte Zugeständnisse zu opfern. Und auch wenn der Autor dieser Zeilen lange selbst eher skeptisch war, ob dieses ja immer beim Rebranding aka Neustart postulierte Mantra wirklich gelingen würde, so eindeutig fällt nun das seit dem 26. Januar für PS4, Xbox One (und noch in diesem Jahr für PC) vorliegende Ergebnis aus – nämlich absolut positiv!
![]()
Passend zum Thema Neustart steht auch die (wie gewohnt eher dünne) Rahmenhandlung von Monster Hunter World ganz im Zeichen eines frischen Beginns. Als mutiger Krieger oder Kriegerin (je nach Wahl im umfangreichen Charaktereditor), brechen wir gemeinsam mit weiteren Recken per Schiff in eine neue Welt auf, um dort dem Rätsel der mysteriösen Wanderung der sogenannten Drachenältesten auf die Spur zu kommen. Diese gigantischen Kreaturen sind nur die Spitze eines Eisbergs an weiteren gefräßigen Ungetümern, die wir im Verlauf unserer Reisen zu erlegen haben.
Sagten wir gerade Eisberg? Eigentlich wäre Lavaberg treffender, denn schon in der Einstiegssequenz prallt unser Schiff auf den Körper des übergroßen mit flüssigem Magma bedeckten Zorah Magdaros, der nun langfristig unser Hauptziel im Spiel darstellt. Bis es jedoch zu einem Aufeinandertreffen kommt, müssen wir uns zunächst entsprechend vom schwächlichen Neuling zum mit allen Wassern gewaschenen Kämpfer entwickeln und zusammen mit unseren Gildenfreunden das Hauptquartier in der neuen Welt ausbauen.
Im Quartier können wir Aufträge annehmen, Waffen schmieden, Items herstellen und oder auch in der Kantine unsere Statuswerte mit verschiedenen Mahlzeiten temporäre aufwerten. Mehrere Cut-Scenes und einige hübsche Wow-Effekte unterhalten dabei über die vielen Stunden storytechnisch solide, jedoch versucht World angenehmerweise gar nicht, dem Geschehen wie die meisten anderen Blockbuster eine auch nur pseudotiefgründige Handlung aufzustülpen. Es geht – und das ist gerade für Fans die beste Nachricht – nahezu ausschließlich um das famose Jagd-Gameplay und wie es sich zeitgemäß verbessern und auch für Neulinge attraktiv gestalten lässt. Gut so!
![]()
Dazu schicken uns die Macher in wunderschön umgesetzte, angenehm weitläufige und dennoch übersichtliche, aber vor allem sehr lebendige Areale, damit wir neben dem Staunen über Flora und Fauna an jeder Ecke Gegenstände, Ressourcen und speziell Informationen zu sammeln, die wir wiederum für unsere Ausrüstung oder beispielsweise die Lokalisierung unserer jeweiligen Beute einsetzen können. Die besteht schon nach kurzer Eingewöhnungszeit fast nur aus riesigen Bestien, die sich in dunklen Höhlen ebenso herumtreiben wie auf Bäumen, am Wasser oder in der Luft.
Doch das Gameplay ist alles andere als eine virtuelle Safari: Wer glaubt, er könne sich einfach eine der 14 Waffentypen schnappen und zusammen mit seinem KI-gesteuerten (und sehr süßen) Katzensidekick (den sogenannten Palicoes) einfach mal frisches Monsterfleisch erbeuten, hat ziemlich sicher noch nie Monster Hunter gespielt. Kaum eine Reihe geht beispielsweise so penibel bis pingelig mit der Wahl der Ausrüstung und deren Wirksamkeiten um. Wer sich mit einem mächtigen Breitschwert ins Gefecht stützt und annimmt, mit diesem naturgemäß besonders viel Schaden anrichten zu können, wird sich trotz seiner nachvollziehbaren Wahl über die Zähigkeit der Biester ebenso wundern wie über die Schwierigkeit der Handhabung der Waffen in Verbindung mit Blocken, Ausweichen und der eigenen Kondition. Egal ob mit Schusswaffe, Schwert, Speer oder sonstigen zusätzlichen Gegenständen – Monster Hunter zu spielen bedeutet Training, Timing, Planung und Ausdauer.
![]()
Gerade im Bereich Worldbuilding zieht der Titel alle Register, um diejenigen langfristig zu motivieren, die sich nicht von anfänglichen Hürden bei den zuweilen sehr langen Jagdsessions abschrecken lassen. Denn die Feinde sind nicht nur in einen Grafikblender eingebaute Riesen, sondern agieren entsprechend ihres Lebensraumes und umgekehrt. Das führt zu immer wieder neuen, gerne auch unvorhergesehenen und damit hochgradig spannenden Situationen, wenn wir ein Monster erst mithilfe unserer Insektoiden aufspüren und dazu Fußspuren und ähnliche Hinweise sammeln, um unsere Beute dann etwa in Schlingpflanzen zu locken, sie zu blenden oder überhaupt erstmal herauszufinden, wo sie ihre Schwachstellen haben.
Wenn dann auch noch unvorbereitet ein anderes Monster dazustößt, um unsere Beute oder eben auch uns zu attackieren, ist ebenso Dramatik angesagt wie im Fall der Verfolgung, wenn wir beispielsweise unsere Verwundete Beute erneut aufspüren und es dabei mit weiteren kleineren Gegnern derselben Rasse zu tun bekommen. Ist der Feind meines Feindes situativ ein Freund? Welche Vorteile können wir aus Zufällen ziehen? Und wie organisiert man ihm Team eine möglichst ressourcenschonende Jagd? Dabei verbessern wir uns primär „nur“ mit aufgewerteter Ausrüstung und vor allem unseren eigenen Leistungen und können uns nicht wie bei klassischen RPGs mithilfe längerem Aufleveln das Leben erleichtern. In dieser Hinsicht steht World mit seinen gerne auch mal überlangen Kämpfen einem Dark Souls näher als Final Fantasy und Co.
Abwechslung wird dabei immer großgeschrieben. Die grafisch bis auf ein paar merkwürdige Clipping-Fehler grandios inszenierten, jederzeit flüssig laufenden Areale strotzen wie gesagt vor unterschiedlichen Möglichkeiten und Schauwerten. Nach und nach verschlägt es uns mit neuen Story- oder optionalen Quests in komplett neue Gebiete. Starten wir zunächst in einem Waldgebiet, serviert uns Capcom danach unter anderem eine beeindruckende Korallenhöhle, das sogenannte Tal der Verwesung oder eine zerklüftete Ödnis. In die Bereiche können wir zur freien Erkundung auch immer wieder zurückkehren, um so Ressourcen aufzustocken oder weitere Kämpfe zu bestreiten, um unsere Ausrüstung beim Schmied in unserem Hauptquartier aufpolieren zu lassen. Die Fülle an Möglichkeiten (etwa auch bei unseren katzenartigen KI-Begleitern) und viele weitere Details können wir an dieser Stelle gar nicht unterbringen.
![]()
Was macht nun neben der Technik eigentlich den größten Unterschied zu den Vorgängern aus? Kurz gesagt: Trotz des nach wie vor fordernden Gameplays speziell der Komfort. Jedes Spielelement wird mit stichhaltigen wie kompakten Tutorials erklärt und sukzessive in den Spielbetrieb integriert. Auch verlangt World nicht von uns, allein in die Schlacht zu ziehen. Mithilfe einer jederzeit verfügbaren Notsignal-Option, können wir beispielsweise während eines (aussichtslosen) Gefechts andere Spieler online um Hilfe bitten oder auch selbst zur Rettung eilen.
Freunde des gepflegten Online-Multiplayers dürfen sich auch via Chat austauschen und so das gerade mithilfe des Hauptquartiers und seiner kumpelhaften Mitstreiter betont gemeinschaftliche Gildenfeeling weiter vertiefen. Ob wir also das schon allein aufgrund der vielen Zusatzevents wochenlang fesselnde Abenteuer in der neuen Welt mit all seinen Quest-Möglichkeiten eher allein oder doch kooperativ mit bis zu vier Mitgliedern gleichzeitig angehen, bleibt vollkommen uns überlassen; dem guten Balancing der Gegner sei Dank, das uns in jeder Hinsicht viel abverlangt, jedoch nach erfolgreichem Kampf umso mehr für ein befriedigendes Triumpherlebnis sorgt.
Wirklicher Frust kommt eigentlich nur dann auf, wenn man nicht gewillt ist, an seinen eigenen Fähigkeiten zu arbeiten und seine Taktik zu hinterfragen. Wer ein eher launiges, nicht wirklich forderndes Blockbuster-Erlebnis a la Uncharted, Tomb Raider oder auch Assassin’s Creed bevorzugt, ist auch bei World sicher an der falschen Adresse. Dennoch bietet der das neue Monster Hunter mit seinen vielen Erklärungen, Hilfsoptionen, einem variableren Spielfluss aus „Schaffe ich das gerade nicht, mache ich eben erst etwas anderes und entwickle mich so weiter“, dem simplen Ein- und Ausstieg via Onlinefunktion in die Session anderer Spieler oder auch den vielen Möglichkeiten, die sich aus der Wahl der Ausrüstungen und weiteren Spezialfähigkeiten wie einem Greifhaken oder einem kurzfristigen Unsichtbarkeitseffekt ergeben, ein deutlich einstiegsfreundlicheres Gameplay als in allen früheren Teilen.
![]()
Fazit
Die schon jetzt hohen Verkaufszahlen weltweit sprechen eine deutliche Sprache: Die Jahre der Sperrigkeit sind endlich vorbei. Mit Monster Hunter World verhilft Capcom seiner Musterreihe in Sachen Jagen, Sammeln und episch Kämpfen endlich zum längst verdienten Durchbruch auch außerhalb Asiens. Denn das Action-RPG kommt nicht nur mit blitzsauberer Technik, einer wunderschönen Welt voller Leben und den bisherigen Tugenden eines richtig ausgeschlafenen Kampf- und Questsystems daher, sondern bringt durch die Bank endlich die Hilfestellungen und Verfeinerungen, um Spieler nicht wie früher mit zu viel Komplexität schnell und letztlich unnötig abzuschrecken.
Leichte Kost ist World aber dennoch beileibe nicht. Feinheiten bei der Herstellung von Items und der Status der Ausrüstung wollen ebenso akribisch im Auge behalten werden wie die stimmig in ihrem jeweiligen Biotop agierenden Gegner und deren Umfeld. Wer sich aber wirklich auf eine Kampfmechanik einlassen und dafür mit intensiven Gefechten inklusive eindrucksvoller Gegner belohnt werden möchte, sollte sich dieses Highlight definitiv nicht entgehen lassen.
Monster Hunter World • Capcom • Action-RPG
Abb. © Capcom