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Channel: Die Zukunft - Review
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Sein oder Nichtsein

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Ernsthaft: Hat es das schon jemals gegeben, dass ein Game vielerorts letztlich nur auf die Frage reduziert wird, ob es noch den Geist eines bestimmten Designers in sich trägt oder nicht? Seit seiner Ankündigung stand Konamis neuestes Metal Gear unter genau dieser Art von Dauerbeobachtung: Konnte der Abgang von Schöpfergott Hideo Kojima nach der Produktion des letzten großen Haupttitels The Phantom Pain adäquat kompensiert werden oder ist Survive ein Armutszeugnis für einen respektlosen Publisher, der nach mehreren Jahrzehnten des gemeinsamen Erfolgs nicht das Know-how zusammenbringt, auch ohne Kojima einen richtig guten Nachfolger vorzulegen? Die meisten Kommentare zum Ende Februar für PS4, Xbox One und PC erschienenen Survival-Adventure zeugen von der zumindest latent aufscheinenden Enttäuschung, eben keinen echten (also gewohnt grandiosen) Nachfolger für die für ihre Eigenwilligkeit geliebte Reihe kredenzt bekommen zu haben.

Der Mangel an Qualität zieht dann fast zwangsläufig definitorische Konsequenzen nach sich. Ist Survive denn eigentlich überhaupt ein echtes Metal Gear? Der Titel somit nur ein verkappter Etikettenschwindel? Fans und Ideologen mögen diese Fragen vielleicht wirklich spannend, eventuell sogar zielführend finden. Aber eigentlich dürfte die meisten Gamer am Ende des Tages nur umtreiben, ob das Ergebnis an sich nicht vielleicht doch überzeugt und das ganze Gerede nur eine pseudo-besorgte Fanblase ist. Schließlich muss man sich um Meister Kojima, der nach seiner schimpflichen Demission von Konami längst mit eigenem Studio an neuen Projekten arbeitet und es nach wie vor bestens versteht, mit nur wenigen Trailer-Nebelkerzen (Stichwort Death Stranding) für Hysterie zu sorgen, keinerlei Sorgen machen. Ehe wir aber eine zu starke Gegenposition einnehmen: Hier kommt leider doch das große Zugeständnis an die Debatte, der wir so gerne ein besseres Ergebnis entgegengehalten hätten.

Wie viele Kritiker, die trotz jahrelanger Liebe zu den Vorgängern auch ohne Schaum vorm Mund einfach nur gerne ein gutes Game mit spannenden Ansätzen gezockt hätten, kommen nämlich auch wir nicht herum, an Survive nicht immer ein gutes (Zombie-)Haar zu lassen. Ein totaler Reinfall, wie oft behauptet in letzter Zeit, ist es aber beileibe nicht; auch wenn – und das gehört dieser Tage auch zur Wahrheit der Game-Branche – leider auch Konami nicht widerstehen konnte, seinem jüngsten Streich ein paar unnötige bis peinliche Mikrotransaktionen aufzudrücken. 10 Euro für einen zusätzlichen Speicherstand? Allein die vorhersehbar negative PR hätte da Warnung genug sein müssen. Man frage nur EA und Dice in Bezug auf Star Wars: Battlefront 2.

Der Kulturschock fällt bei Survive groß aus. Keine wirklich epische Story, kaum das für die Reihe einzigartige Charakterdesign mit besonders durchgeknallten, aber irgendwie dennoch nahe an der Realität angesiedelten Militärreferenzen, kaum riesige Kampfmaschinen, die ähnlich wie die Transformers eine ihnen innewohnende (Hass-)Liebe zum großen Kaliber nicht verbergen können und vor allem auch kein Einzelkämpfer mit Codenamen wie Snake oder Big Boss. Zugegeben, schon mit Metal Gear Rising: Revengeance wagte Konami zusammen mit Platinum Games den Sprung weg vom taktischen Stealth-Unterbau der ursprünglichen Teile hin zum akrobatischen Fighting-Game, konnte aber auch hier schon die etatmäßige Klientel trotz Einhaltung einiger der eben genannten Faktoren nicht wirklich überzeugen. Zu unbeliebt der Protagonist Raiden, zu anders das Gameplay.

Survive vermeidet das Identifikationsproblem auf andere Weise. Wir übernehmen die Rolle eines selbst zusammengebastelten Soldaten (oder Soldatin), der während der desaströsen Ereignisse der letzten Episoden Ground Zero und The Phantom Pain irrwitzigerweise über ein Wurmloch in eine fremde Dimension geschleudert wird, um dort plötzlich gegen Alienzombies und die kargen bis lebensfeindlichen Verhältnisse zu bestehen. Ein Weg nach Hause dürfte dann bitte auch noch gefunden werden.

Lässt man die für Metal Gear eigentlich gar nicht mal so abwegige Storyvolte bei Seite, sorgen die ersten Eindrücke durchaus für Laune und Anbindung an die Vorgänger. Denn sowohl die Inszenierung mit einigen schicken Cut-Scenes als auch der Mix aus Schleichen, Ausrüsten, Sammeln und Taktik bietet Potenzial. Über die gut zwanzig Spielstunden besteht unsere Kernkompetenz etwa darin, eine eigene Basis zu einem veritablen Machtzentrum auszubauen (man erinnere sich an The Phantom Pain), weitere Menschen zu befreien, Informationen über neue Waffen, Geräte und die außerirdische Gefahr zu sammeln und dabei Stück für Stück neue Gebiete auf der Weltkarte aufzudecken.

Leider nimmt das Game seinen Namenszusatz dabei fast zu ernst. Denn Überleben heißt hier vor allem, die ständig absinkende Nahrungs- und Durstanzeige aufzufüllen, um nicht einzugehen – und das passiert leider viel zu schnell. Ganz im Ernst, liebe Programmierer, was habt ihr euch bei diesen extrem frustrierenden Dauerzeitlimits gedacht, die nur dazu führen, dass wir ständig mit der Angst vor dem Sofortexitus auf der Suche nach Ressourcen sind. Auch die überladenen und eher unübersichtlichen Menüs, durch die wir uns zum Bau von Waffen, der Zubereitung von Nahrung, der Herstellung von Kleidung oder sonstigen Aufgaben ständig durchwühlen müssen, kosten viele Nerven und buchstäblich unnötig Lebenszeit. Gerade dann, wenn dauernd Material gesammelt, geordnet und verarbeitet werden muss. Da hilft auch der mit zunehmender Spieldauer nervtötende KI-Assistent nicht wirklich, da man ihm in seinem Dauergequatsche einfach nicht mehr zuhören mag.

Doch fairerweise funktionieren alle Mechaniken des Gameplays dennoch an sich gut und wenn man sich eben nicht von den beiden gerade genannten Frustaspekten abschrecken lässt, kann gerade der Basenausbau eine sehr befriedigende Angelegenheit sein. Auch die Kämpfe gegen die sehr starken, aber hochgradig einfältigen Zombies (die allerdings in viel zu wenigen Klassen zum Angriff blasen) fällt motivierend aus, da wir mit Schleichen und ein wenig Strategie (etwa mithilfe der Errichtung von Zäunen und spezieller Waffen) sehr variabel unterwegs sind und man sich bis zum Ende ein sehr stattliches Arsenal an Ausrüstungsgegenständen gezimmert hat.

Da sich die – typisch Metal Gear– etwas hakelige Steuerung ebenso wie die Kamera kaum Blöße gibt, können sich Kenner der Vorgänger auch in dieser offenen Spielwelt ordentlich austoben (bis eben wieder die Lebensanzeigen aufschreien) und sogar in schmissigen Koop-Schlachten mit anderen Spielern verschiedene Verteidigungsmissionen in begrenzten Bereichen angehen. Trotz der dummen Gegner-KI macht es im Multiplayer viel Spaß, gemeinsam Hindernisse aufzustellen und sich mit verschiedenen Waffeneinsätzen zu koordinieren.

Ein etwas sperriges Spielerlebnis, das man sich mit Geduld also schönspielen kann – klingt eigentlich ganz gut. Doch das ist erneut eben nur die halbe Wahrheit. Denn das vielleicht größte Problem von Survive liegt in seiner eklatant fehlenden Story-, Figuren- oder auch Settingmotivation. Die leider arg flache, zwischen Anfang und Ende meist nur mit statischen Bildern präsentierte Handlung ist mit Abstand das uninteressanteste Gerüst, was die Reihe je aufgefahren hat. Waren die früheren Titel durchzogen von Leitthematiken wie der Angst vor der nuklearen Zerstörung, dem Kräftespiel der Weltmächte oder moralischen Folgen der Gentechnik, liefert Survive einen Militärplot von der Stange, zu dem sich die völlig platten, nur mit viel leerem Retterpathos vermeintlich charakterisierten Figuren wie einige Soldaten, ein kleiner Junge und eine Krankenschwester mit Häubchen gesellen. Die englischen Sprecher machen dabei einen soliden Job, können den Mangel an Tiefe allerdings naturgemäß nicht kompensieren. Auch legendäre Bossfights, wie sie zum Metal Gear-Standard gehören, vermisst man bis auf eine Ausnahme (der erste Boss nach zig Stunden). Selbst der letzte von dann tatsächlich auch nur zwei Bossen besteht eigentlich nur aus der Abwehr von Gegnerhorden innerhalb eines Zeitlimits. Das ist viel zu wenig.

Auch beim Design der Spielwelt muss Kritik erlaubt sein. Die fremde Dimension ist schlussendlich nichts weiter als eine endlose wüstenähnliche Steppe, die trotz der eigentlich sehr potenten Fox-Grafikengine schon nach wenigen Stunden einfach nur anödet, weil es keine wirklich anderen Schauplätze gibt als verfallene Gebäude, Berge oder vereinzelt herumstreunendes Getier. Überhaupt wird man nie das Gefühl los, hier nur eine Variation (aka Kopie) des Open-World-Afghanistans aus The Phantom Pain vorgesetzt zu bekommen. Wer zuletzt ein so beeindruckend lebendiges, atemberaubend abwechslungsreiches World-Building wie in Capcoms überragendem Monster Hunter World genossen hat, kann sich hier nur irgendwann gelangweilt auf die Gameplay-Elemente mit ihren vielen verschiedenen Aufgaben konzentrieren und die fade Welt einfach soweit nur möglich ausblenden.

Fazit

Schade, jetzt sind auch wir an dieser Stelle teilweise sehr hart mit Metal Gear Survive ins Gericht gegangen, obwohl uns die positiven Aspekte wie die gut funktionierenden Kampfmechaniken, der Koop-Modus oder der Basenbau dann doch länger vor dem Bildschirm gehalten haben als es das nach gutem Einstieg zeitweise überfordernde Gameplay vermuten ließ.

Das neue Metal Gear hat unbestritten seine Stärken und ist für härtere Survival-Semester ein gefundenes Fressen, die weniger Wert auf eine wirklich tiefgründige und cineastisch präsentierte Story oder die ruhmreiche Vergangenheit der Reihe legen, sondern eher den Reiz genießen wollen, ihren Ressourcenhaushalt zu pflegen, den eigenen Avatar in eine echte Kampfmaschine zu verwandeln und aus der anfänglichen Minioase (genannt Basislager) eine richtig schicke Kampfstation zu entwickeln. Alles eben letztlich eine Frage des Maßstabs. Aber Konami: Könnt ihr nicht bitte jetzt wieder ein richtiges Metal Gear produzieren? Fans fordern sicher die Betonung auf „richtiges“…

Metal Gear Survive • Konami Digital Entertainment • Survival-Adventure

Abb. © Konami Digital Entertainment

 

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Life needs a little mystery

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(Fan-)Love never dies: Nachdem wir bereits die erste von mittlerweile insgesamt drei schon länger veröffentlichten Episoden des Indie-Adventures Life is Strange: Before the Storm in unserem damaligen Review gebührend gewürdigt haben, wollen zum heutigen Verkaufsstart der Retail-Version  der kompletten Staffel für PS4, Xbox One und PC noch einmal eindringlich die Werbetrommel dafür rühren. 

Wie bereits der gelungene Auftakt, verknüpfen auch die beiden weiteren Folgen die höchst fragile und immer wieder hinterfragte (Liebes-)Geschichte der rebellischen Teenager Chloe und Rachel mit schweren Schicksalen und einer überraschend hinterhältigen Crime-Story, die Deck Nine mit viel erzählerischem Fingerspitzengefühl in den hervorragenden Dialogen vorantreibt. Szenen wie die Schultheater-Aufführung von Shakespeares The Tempest, bei der wir mit Chloe plötzlich als unbeholfene Zweitbesetzung auf die Bühne müssen, schmiegen sich ebenso nachhaltig in unser Gedächtnis wie wie die dramatischen Wendungen um Rachels Familie in Folge 3.

Fans mitreißender, aber eben nicht seichter Teenager-Dramen werden bis zum bittersüßen Finale der Staffel von Chloe, Rachel und den anderen Charakteren des fiktiven US-Küstenstädtchens Arcadia Bay nicht mehr losgelassen, wenn man sich auf das gediegene Tempo und die vielen kleinen optionalen Details der begrenzten, aber liebevoll mit Leben erfüllten Spielwelt einlässt. Soundtrack und Präsentation sorgen dabei trotz grafisch eher schwacher Charaktermodelle und vielen zu detailarmen Flächentexturen für eine Atmosphäre, wie sie sonst nur Coming-of-Age-Perlen wie The Perks of Being a Wallflower, Juno oder Boyhood in ihrer jeweils ganz eigenen Zauberhaftigkeit hinbekommen. 

Der spielerische Anspruch wurde hingegen im Vergleich zum ursprünglichen Life is Strange noch weiter reduziert und ehrlicherweise können die meisten vermeintlichen Rätsel-Sequenzen mangels Anspruch (oder oft sogar mangels Sinnhaftigkeit) kaum als solche bezeichnet werden. Kurz gesagt: Wirklich jeder kann Before the Storm spielen und genießen, ohne echte spielerische Anforderungen befürchten zu müssen. Speziell für Gamer ist das aber keine wirklich gute Lösung; zumal gerade der Vorgänger mit seiner Zeitrückspul-Funktion vorgemacht hat, wie man in einem dialogzentrierten Adventure die Narration mit einer genau dazu passenden Spielmechanik optimal miteinander vereinen kann. 

Die Macher verzichten entgegen der eigenen Ankündigungen paradoxerweise speziell in der letzten Episode fast komplett auf wirklich relevante Entscheidungssituationen mit markanten Auswirkungen auf die Story. Wirklich alles wird der Dramaturgie der Erzählung untergeordnet. Man könnte sogar etwas überspitzt von geopfert sprechen. Aber das ist gerade im Angesicht vieler extrem seichter Game-Stories ein Jammern auf hohem Niveau. 

Fazit

Wie gesagt: Story und Gameplay hat der Vorgänger einfach besser ausbalanciert und mit fünf Episoden sogar narrativ einen Tick befriedigender gelöst. Aber auch wenn man sich ein etwas fokussierteres Gameplay und vielleicht eben auch noch mehr Zeit mit Chloe und Amber gewünscht hätte - letzten Endes bleibt Before the Storm ein wunderbarer interaktiver Film, der genau das bietet, was er verspricht.

Da wir außerdem sogar in einer für sich genommen unglaublich ergreifenden Zusatz-Episode namens Farewell - die allein schon den Preis der ganzen Season wert wäre - ein Wiedersehen mit Max aus Staffel 1 feiern dürfen, verstummt der innere Kritiker und versinkt viel lieber im elegisch schwelgerischen Soundtrack dieses wunderschönen, fast aus der Zeit gefallenen Schatzkästchens. Hella mysterious.

Life is Strange: Before the Storm • Deck Nine Games/Square Enix • Adventure

Abb. © Deck Nine Games/Square Enix

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Vom Leben und Tod am Fuß des Weltraumbahnhofs

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Am Mittelmeer, einige hundert Jahre in der Zukunft: Wie ein kalter stählerner Finger zeigt Central City aus der Hitze Tel Avivs in die Höhe. Errichtet auf den Trümmern eines ehemaligen Busbahnhofs, starten von hier Raumschiffe ins All, während Fahrstühle unablässig an der Fassade des Kolosses entlanggleiten, dessen Spitze weit in die Atmosphäre ragt. Zu seinen Füßen, umgeben von stillgelegten Autobahnen und halb verfallenen Stadtvierteln, hat sich eine bunte Gemeinschaft aus Menschen, Robotniks und den Erscheinungsformen digitalen Lebens zusammengefunden; man spricht Hebräisch, Arabisch und Asteroiden-Pidgin … Dies ist die Kulisse von Lavie Tidhars großartigem Roman „Central Station“ (im Shop), mit dem sich der Verfasser für die erste Liga ambitionierter Science-Fiction empfiehlt.

Lavie TidharDas Universum, dass sich der 1976 geborene Tidhar erdacht hat, reicht weit über die Grenzen seines Buchs hinaus. Das Sonnensystem ist lange kolonisiert; auf Jupitermonden haben sich beispielsweise die Galiläischen Republiken gebildet, während der Mars zur Landwirtschaft genutzt wird. Auf dem Erdmond betreiben silbrige Spinnen Terraforming, die zugleich in der Oortschen Wolke – also in den Außenbezirken des Sonnensystems – neue Knotenpunkte für das errichten, was stets die UNTERHALTUNG genannt wird und aus der ständigen Kommunikation aller Lebewesen (und auch zahlreicher Gegenstände und Objekte) besteht. Die dazu nötigen Implantate werden Menschen schon vor der Geburt eingesetzt. Zu der großen Vielfalt an materiellen Erscheinungsformen gesellen sich dann noch virtuelle Wesen hinzu, wie sie in der gigantischen Simulation der „Gilden von Aschkelon“ existieren. Doch es gibt auch die rätselhaften „Anderen“, Lebensformen, die sich frei in der Digitalität bewegen.

„Central Station“ hat keine alleinige Hauptfigur, sondern bildet ein lockeres Geflecht von Menschen und Maschinen ab. Dabei geht es insbesondere um die Familien Chong und Jones. Das Buch beginnt mit der Ankunft von Boris Aharon Chong auf der Erde, der früher als Geburtsarzt gearbeitet hat. Er trifft auf seine Jugendliebe Miriam Jones, die nun eine illegale Kneipe betreibt und sich um einen Jungen mit verblüffenden Fähigkeiten kümmert. Boris weiß noch nicht, dass ihm nur wenig später Carmel begegnen wird, eine Frau, die an Bord des Frachters Ausgezehrter Heiland mit einem Virus infiziert wurde, der in einem vergessenen Krieg als Waffe diente und sie zu einer Art Vampirin macht, die nach Daten und Informationen giert. Dank seiner marsianischen Aug – einem künstlich erzeugten Symbionten – ist Boris vor ihrer Anziehungskraft geschützt; trotzdem bleibt ihre Nähe für ihn nicht ohne Risiko. Das musste auch Miriams Bruder Achimwene erfahren, der Carmel aus einer gefährlichen Situation gerettet hat. Er sammelt alte Trivialromane und kann nicht an der UNTERHALTUNG teilnehmen, weil ihm dazu der nötige Datenknoten fehlt. Die nicht zu den beiden Familien gehörende Isobel Chow hingegen befehligt in der Virtualität einen riesigen Raumkreuzer und macht plötzlich eine überraschende Erfahrung, aus der sie nur der Robotnik Motl zu retten vermag, mit dem sie seit einiger Zeit liiert ist … Doch das alles kann nur ein kleiner Einblick in das sein, was in dem Buch alles passiert.

Farbenprächtige Szenarien der Marke „Mos Eisley“ gibt es in der Science-Fiction viele, und so ist die an Cordwainer Smith (im Shop), Iain Banks (im Shop) und China Miéville (im Shop) erinnernde Phantasie von Lavie Tidhar trotz ihrer überzeugenden Einfälle nur einer von mehreren Gründen, warum sein Buch einen solchen Sog entfaltet. Der aus Israel stammende Autor setzt sich – wie etwa auch James Blish– in „Central Station“ mit dem in der Science-Fiction eher selten angesprochenen Thema der Religion auseinander, was ebenso ernsthaft wie ironisch geschieht – einerseits schildert er eine Beschneidungszeremonie, andererseits wird diese durch einen jahrhundertealten Robotnik durchgeführt. (Für christliche Erweckung ist übrigens in erster Linie eine Droge namens „Kruzifixierung“ zuständig.) Bemerkenswerterweise vermeidet Tidhar sorgfältig zahlreiche Genreklischees und nimmt seine Figuren ernst. Die Charakterzeichnungen sind vorzüglich und heben im Verbund mit der erstaunlichen Kulisse den Mangel an typischen Spannungssituationen vollkommen auf. Auch die üblichen Handlungsschablonen fehlen, was das fesselnde Resultat erheblich realistischer wirken lässt als vergleichbare Genreware. Tatsächlich kann man den Roman eher als eine Abfolge von Episoden mit feststehendem Personal beschreiben, die das Panorama einer Welt auffächert, ohne selbige auserzählen zu müssen. Es wundert daher auch nicht, wenn die Buchkapitel als eigenständige Erzählungen veröffentlicht wurden und mit anderen zusammen das sogenannte „Continuity Universe“ bilden. Angestrebt wird eine „Future History“, wie der Autor in einem Interview bereits erläutert hat.

Hauptthema von „Central Station“ ist letztlich der Mensch. Das Buch kreist – hierin einem anderen großartigen Episodenroman nicht unähnlich, nämlich „334“ (1972; „Angoulême“) von Thomas M. Disch – um Geburt und Tod, um Erschaffung und Zerstörung, also um anthropologische Grunderfahrungen. Und: Dies geschieht auf unvergleichlich elegante Weise. Tidhar hat eine hinreißende Art, einem die größten Unwahrscheinlichkeiten nicht nur wie selbstverständlich nahezubringen, sondern dem Ergebnis auch etwas Leichtes und Schwereloses abzugewinnen. Kaum ein anderes Buch dürfte im besten Sinne so nahe an „Vermilion Sands“ (1971; „Die tausend Träume von Stellavista“) von J. G. Ballard heranreichen wie dieses. Das zeigt sich besonders an einer Szene, in der Tidhar auf die wenig zuträgliche Idee kommt, die Herkunft der „Anderen“ erläutern zu wollen, was völlig aus dem Erzählkosmos herausfällt – überforderte Wissenschaftler auf der einen, „Bauern mit Fackeln und Mistgabeln“ auf der anderen Seite. Zum Glück ist das Buch arm an derartigen Missgriffen.

Von Lavie Tidhar ist in Deutschland bislang kaum etwas veröffentlicht worden: Der erste Band seiner Steampunk-Reihe „Bookman: Das ewige Empire“ (2010; „The Bookman“) blieb unbeachtet, die aberwitzige (und politisch subversive) Alternativweltgeschichte „Osama“ fand zumindest einige energische Fürsprecher, ist aber noch nicht im Taschenbuch erschienen. Da darf man regelrecht dankbar dafür sein, dass „Central Station“ – zudem mit ansprechendem Cover – bei Heyne veröffentlicht werden konnte.

Lavie Tidhar: Central Station• Roman • Aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader • Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 • € 9,99 • E-Book: € 8,99 (im Shop)

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Mond-Science!

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Mit „Der Marsianer“ (im Shop) hat Andy Weir einen Instant-Weltbestseller geschrieben, der uns 2014 sofort in seinen Bann gezogen hat. Jetzt ist sein zweiter Roman „Artemis“ (im Shop) erschienen, und natürlich stellt sich die Frage: wie schlägt er sich im Vergleich zum „Marsianer“? Die Antwort: ganz gut eigentlich.

Artemis ist die erste Stadt auf dem Mond und das Zuhause von Jazz Bashara. Sie schmuggelt Dinge von der Erde, die in Artemis verboten sind – Zigarren, beispielsweise (kein offenes Feuer!), aber keine Waffen oder so. Sie träumt davon, eines Tages genug Geld zu haben, um sich eine hübsche kleine Wohnung leisten zu können. Als einer ihrer gefährlichen, aber lukrativen Auftrag anbietet, sagt sie natürlich nicht nein: sie soll die die Sanchez-Aluminiumfabrik sabotieren, sodass Landvik das Unternehmen günstig aufkaufen kann. Jazz entwickelt einen genialen Plan – doch der geht schief, und plötzlich sieht sie sich mit Mächten konfrontiert, für die ein totes Mondmädchen mehr oder weniger keine Rolle spielt …

Jazz Bashara ist zwar die Heldin der Geschichte, aber Artemis ist die Heldin des Buches. Wie auch schon bei „Der Marsianer“ hat Andy Weir umfassend recherchiert, wie eine Stadt auf dem Mond aussehen und funktionieren könnte – nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in sozialer. Und Jazz, die im Alter von zwei Jahren zusammen mit ihrem Vater nach Artemis kam, kennt die Stadt wie ihre Westentasche. Sie ist die perfekte Reiseführerin und weiß alles über die Technik hinter Artemis – und zugleich führt sie nicht gerade das tollste Leben: sie braucht ständig Geld, hat Probleme mit ihrem Vater und ihre letzte Beziehung endete alles andere als gut. Dazu ist sie schlau, nicht auf den Mund gefallen und ziemlich tough – kurz: sie hat alles, was eine ordentliche SF-Heldin so braucht.

Das Problem an „Artemis“ ist schlicht, dass es nicht „Der Marsianer“ ist. Wo immer Weir uns erklärt, wie Stadt, Mondrover oder Luftaufbereitung funktioniert, ist „Artemis“ super. Doch je mehr die Sabotage und die daraus entstehenden Probleme und zwischenmenschlichen Verstrickungen in den Vordergrund der Story rücken, desto mehr wird Jazz von interessanter Heldin zu einem Werkzeug des Plots. Dennoch, für den zweiten Roman eines jungen Autors ist „Artemis“ eine runde, gelungene Geschichte mit einem unvergesslichen Setting, die vielleicht ein bisschen zu sehr im Schatten ihres großen Bruders vom Mars steht.

Andy Weir: Artemis• Roman • Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski • Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 • E-Book: € 11,99 • im ShopLeseprobe 1Leseprobe 2

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Portale, Brücken und jede Menge Spaß

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Was kommt raus, wenn man die simple, aber gerade für ihre vielen verrückten Karambolagen berühmte Bridge Constructor-Reihe mit dem zwar durchdachteren, aber potenziell nicht weniger chaotischen Puzzle-Platformer Portal mischt? Diese Mash-up-Frage, deren genauere Entstehungshintergründe leider an dieser Stelle ungeklärt bleiben, ist mit dem Puzzle-Simulator Bridge Constructor Portal von ClockStone für PS4, Xbox One, Switch und PC nun (endlich) geklärt. Und das nicht nur auf eine charmant witzige, sondern eben auch sehr intelligenten Art und Weise, die gerade Fun-Knobbler mit Freude an skurrilen Aufgaben einige vergnügliche Stunden bereiten dürfte. 

Die Gameplay-Grundpfeiler sind schnell zusammengefasst: Als frisch eingestellter Konstrukteur und Tester einer wissenschaftlichen Fabrik, müssen wir insgesamt 60 Raumanordnungen so mit Brücken oder Sprungschanzen ausstatten, dass mindestens ein Fahrzeug aus einer ganzen Kolonne durch die Verkettung verschiedener Portale sicher an ein vorgegebenes Ziel kommt. Das ist aber gar nicht so einfach, denn neben Gewicht, Belastung, Geschwindigkeit, Material und Koordination wollen auch unter anderem fiese Selbstschussanlagen, schiefe Ebenen, Abgründe oder Laserriegel in den Testräumen überwunden werden. Als besonders tricky erweisen sich auch die Portale, da ein Objekt, das durch ein solches bewegt wird, genau mit der gleichen Geschwindigkeit herauskommt mit der es in das Portal unmittelbar zuvor eingetreten ist. 

Wie wir unser Ziel genau erreichen und ob dabei ordentlich viel (menschliches) Material zu Bruch geht, ist dabei egal - wobei der Comic-Männchen-Look ebenso wie der Rest des Titels jeden Funken Ernst im Keim erstickt und den Charme kindlicher Zerstörungswut verströmt. Doch schon nach wenigen Räumen zieht der Komplexitätsgrad an. Ausgiebiges Probieren, Scheitern, Grübeln, Feinjustieren und das Ganze gern auch mehrere Male von vorne, definieren daher im Wesentlichen das Gameplay von Bridge Constructor Portal, wobei die Testläufe aber angenehmerweise ebenso wenig in ihrer Anzahl limitiert sind wie unsere Ressourcen beim Bau. Völlig unsinniges Gecrashe oder einfach mal die Lust auf auf möglichst abenteuerliche Experimente sind daher stets willkommen und Teil des Spielspaßes.

Die Präsentation bewegt sich auf solidem Niveau, steht aber naturgemäß nicht im Vordergrund und reißt somit auch keine Bäume aus. Auch andere typische Problemquellen wie Kamera und Übersichtlichkeit entfallen. Will man partout kritisch sein, könnte man die beileibe nicht ganz ausgereizten Möglichkeiten bei der Vielfalt der Vehikel und anderer Ressourcen bemängeln. Außerdem wirken einige der späteren Räume nur sehr schwer nachvollziehbar und erfordern mangels Hilfestellung (auch nicht optional) besonders viele Tests, ehe man eine Ahnung bekommt, wie ein erfolgreicher Aufbau funktionieren könnte. Da rächt sich auch ein wenig das Fehlen einer Vorspulfunktion, um den Ablauf ein wenig zu beschleunigen. Aber das alles fällt letztlich kaum ins Gewicht; zumal Bridge Constructor Portal nicht wirklich auf Anspruch getrimmt ist und somit auch bei den späteren Räumen nie bis kaum Fust aufkommt.

Ein besonders positiver Aspekt darf bei diesem Titel natürlich keineswegs unerwähnt bleiben, nämlich das Wiedersehen mit Fies-KI GlaDOS aus Portal. Sie begleitet uns über das gesamte Spiel mit ihren informativen bis sarkastisch-komischen Anmerkungen und trägt dank Originalstimme Ellen McLain sehr zur sympathischen Grundstimmung bei. Wer auch hier nach dem sprichwörtlichen Haar in der Suppe sucht, kann natürlich beklagen, dass GlaDOS vielleicht einen Tick zu selten zu Wort kommt.

Fazit 

So sieht ein gelungener Mix zweier eigenständiger Fun-Garanten aus. Bridge Constructor Portal verknüpft Chaos mit Puzzle-Strategie so gekonnt wie kurzweilig, dass der Bau von Schanzen und anderen irrwitzigen Konstruktionen selbst dann unterhält, wenn man gerade nicht auf die zündende Idee für einen der Testräume kommt. Da auch das Drumherum vor allem mit Begleiter GlaDOS passt und die technische Performance dem ohnehin sehr motivierenden Spielkonzept solide zuarbeitet, ist der Puzzle-Simulator insgesamt einfach eine runde Sache. 

Bridge Constructor Portal ClockStone/Headup Games • Puzzle-Simulation

Abb. © ClockStone/Headup Games

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Merke: In der Kürze liegt die Würze!

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Jessica Jones feierte 2015 mit der ersten Staffel der gleichnamigen 13-teiligen Netflix-Serie einen gelungenen Einstand ins Serien-Universum von Marvel, der mit sanfter feministischer Attitüde  Superhelden-Motive in ein Neo-Noir-Umfeld einbettete und natürlich Lust auf mehr machte, auch weil die kurz vorher gestartete Umsetzung von „Daredevil“ ebenso die Erwartungen übertraf – offenbar schien sich hier eine wahre Goldgrube für Fans aufzutun: Experimentierfreudige, wagemutige Comic-Adaptionen fürs Heimkino, die dem arg gleichförmigen Geschehen auf der Leinwand zeigten, was eine Harke ist. Allerdings schlich sich mit der zweiten Staffel von „Daredevil“ bereits 2016 eine erste Ernüchterung ein, die typische Serienkrankheit machte sich breit: Eine verhältnismäßig straffe Dramaturgie wich einem Übermaß: Zuviel Figuren erschwerten das emotionale Andocken und dank zu vieler Handlungsstränge blieb die Spannung auf der Strecke, lediglich die gelungenen Martial-Arts-Szenen sorgten noch für Kurzweil.

Leider verhält es sich bei „Jessica Jones“ ähnlich, allerdings kann man rückblickend attestieren, dass sich ein Abknicken bereits in den letzten drei, um sich selbst kreisenden Folgen der ersten Staffel angedeutet hatte. Die zweite Staffel ist im Kern eine klassische Origin-Story, die zudem ein wenig an „Logan“ erinnert. Jones und ihre Freundin Trish Walker entdecken, dass die Privatdetektivin durch eine geheime paramilitärische Gruppe mit Namen IGH, die an Menschen experimentiert, zu ihren Fähigkeiten kam. Im Zuge ihrer Ermittlungen taucht auch Jones’ totgeglaubte Mutter wieder auf, an der ebenfalls rumgebastelt wurde, aber weniger erfolgreich, denn wenn Mama wütend wird, pflastern Leichen ihren Weg.

Das reicht aber natürlich nicht für rund 13 Stunden Laufzeit aus und so wird das Ganze mit zahlreichen Subplots (wie zum Beispiel einen Ausflug in Jessicas und Trishs Vergangenheit, der nicht wirklich etwas Substantielles zu Tage fördert) zerfasert, ein bewährtes Mittel, um „inhaltliche Komplexität“ vorzutäuschen, aber in Wirklichkeit gnadenlos Zeit zu schinden und so drömmelt Staffel zwei oft ganz schön vor sich hin. Zudem kommt nie wirklich Dringlichkeit auf, was daran liegt, das, was besonders beim Gastauftritt von Kilgrave, dem von David Tennant toll gespielten Schurken der ersten Staffel, deutlich wird: ein echter Antagonist fehlt, IGH bleibt als Bedrohung diffus, auch weil deren Mitarbeiter Dr. Karl Malus, der Mann, der für das Unheil verantwortlich ist, sich – im Gegensatz zur Comic-Vorlage – als sympathischer Onkel mit einem Hang zu Grateful-Dead- oder Doors-T-Shirts entpuppt. Jones’ mutierte Killer-Mama verliert spätestens nach der Wiedervereinigung mit ihrer Tochter viel von ihrem Schrecken und Pryce Cheng, ein weiterer, allerdings eher am Rande stattfindender Antagonist, bleibt ebenfalls zu unscharf, man erfährt nie so recht, wer der konkurrierende Ermittler, der im Laufe der Serie zur immer größeren Bedrohung wird, eigentlich ist und was ihn umtreibt.

Das Runde zwei trotzdem – zumindestens in Teilen – funktioniert, liegt in erster Linie an den guten Darstellern, vor allem zwei Ladies trumpfen ganz groß auf: Die unheimlich charismatische Krysten Ritter hat die Rolle ihre Lebens gefunden und lotet zwischen aggressiv und zutiefst verletzlich gekonnt sämtliche Facetten ihrer Figur aus, eine regelrecht magnetische Vorstellung. Und Carrie Anne-Moss, die sich leider wohl bis in alle Ewigkeiten auf den most underrated actresses-Listen dieser Welt finden wird, liefert als Jeri Hogarth einmal mehr ganz großes, dieses Mal besonders subtiles, eindringliches Tennis, das einen weiteren nicht wirklich notwendigen Subplot fast noch aufregender als die eigentliche Handlung macht.      

Staffel 2 ist alles in allem genau das, was man so schön als „mixed bag“ bezeichnet – funktioniert teilweise, teilweise aber so gar nicht.

„Jessica Jones – Staffel 2“ ist seit dem 08.03.2018 auf Netflix abrufbar.

Jessica Jones – Staffel 2 (USA 2018) • Regie: diverse • Darsteller: Krysten Ritter, Rachael Taylor, Terry Chen, J.R. Ramirez, Eka Darville, Jenny Paul, Ashlie Atkinson

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Die Gedanken sind frei

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Mit seinem preisgekrönten Weltbestseller „Die drei Sonnen“ (im Shop) leistete Cixin Liu (im Shop) nicht nur einen ganz erheblichen Beitrag zur Wahrnehmung, Anerkennung und Verbreitung der chinesischen Science-Fiction-Literatur auf der internationalen Bühne – letztlich polierte er das Image der gesamten SF abseits der Space Opera auf, nachdem Barack Obama, Mark Zuckerberg, Kim Stanley Robinson (im Shop), Dietmar Dath (im Shop) und viele andere den ersten Roman der „Trisolaris“-Trilogie in höchsten Tönen lobten. Jetzt liegt mit „Der dunkle Wald“ (im Shop) endlich die Fortsetzung von „Die drei Sonnen“ auf Deutsch vor und kann analog oder digital gelesen und sogar gehört werden.

Die ausladende Geschichte knüpft direkt an „Die drei Sonnen“ an: Darin hat die Menschheit Kontakt zum fernen Planeten der Trisolarier hergestellt, die wiederum eine Invasionsflotte losgeschickt haben. Rund vierhundert Jahre trennen die Armada der Außerirdischen von der Erde, auf der die logischen Denker aus dem All obendrein menschliche Agenten haben, derweil winzige KI-Partikel die Kommunikation und die Daten der Menschheit auslesen. Obwohl die Trisolarier noch weit entfernt sind, verändern ihre Präsenz und ihr drohender Schatten bereits den Lauf der Welt. Ein neues Raumfahrtprogramm wird gestartet, denn vielleicht liegt die Lösung ja in großen Raumschiffen zum Krieg – oder zur Massenflucht? Vor allem aber sollen vier ausgewählte Experten und Strategen aus China, den USA, England und Venezuela den größten Vorteil nutzen, den die Menschheit gegenüber den mächtigen Trisolariern hat. Die sind nämlich nicht zur Täuschung und kaum zur Lüge fähig. Die von der Welt auserkorenen Experten entwickeln daher mit schier unbegrenzten finanziellen und personellen Mitteln und unter Zuhilfenahme von Kälteschlaf-Sitzungen geheime Pläne zur Abwehr und zum Gegenschlag, die in ihrem Kopf absolut sicher sind vor den Trisolariern. Während drei Hoffnungsträger eher klassische Konzepte ausarbeiten, wählt der glücklose chinesische Experte für außerirdische Gesellschaften einen höchst unkonventionellen, zunächst wenig vielversprechend wirkenden Ansatz … 

„Der dunkle Wald“ ist ein ganz schöner Brocken. Über 800 Seiten im Paperback haben eine stattliche physische Präsenz – und bieten Cixin Liu Raum für viele Figuren, Ideen, Elemente und Szenen. Inhaltlich geht es weniger um Tempo oder Spannung, als viel mehr um ein möglichst fundiertes und vielseitiges Panorama unserer Welt, die sich mit einer noch fernen und doch unausweichlichen Alien-Invasion konfrontiert sieht. Dabei beeindruckt am meisten, wie mühelos Liu die Linse, also den Fokus seiner Erzählung, verändern kann: Im Prolog widmet er sich einer Ameise auf einem Grabstein; kurz darauf philosophieren außerirdische Intelligenzbestien mit ihren irdischen Agenten; und während die Bedrohung aus dem All so gut wie jeden Menschen berührt und beeinflusst, beleuchtet Liu sowohl einzelne Individuen, als auch ganze militärische und geopolitische Apparate, die durch die angekündigte Konfrontation mit den Trisolariern in Bewegung gesetzt werden (wobei sich Lius Ideen und Vorstellungen keineswegs auf China oder die Erde beschränken). Wie schon „Die drei Sonnen“, liest sich das aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Perspektive und der ungewohnten Taktung für einen westlichen Science-Fiction-Fan anders als die übliche Genre-Kost. Zugegeben, Lius nüchterner, zweitrangiger Stil beschleunigt nicht gerade den Herzschlag, doch das tut ja schon allein die Dimension und Tiefe seines Romans.

Der angesehene Futurologe, Comic-Gott und SF-Crack Warren Ellis hatte übrigens absolut Recht, als er in einem seiner Newsletter festhielt, dass man „Die drei Sonnen“ nicht zwingend gelesen haben muss, um der Story des Sequels folgen zu können und um die Üppigkeit, den Gehalt und den klassischen Hard-SF-Vibe von „Der dunkle Wald“ würdigen zu können. Denn ob man den aufsehenerregenden Vorgänger nun intus hat, oder nicht: Dieser imposante SF-Wälzer von Chinas Superstar der Zukunftsliteratur gibt einem Seite für Seite mächtig was zu kauen – und präsentiert eine gedankenreiche Alien-Invasions-Geschichte fernab der üblichen Standards, und mit ganz eigenen Parametern.  

Cixin Liu: Der dunkle Wald  Aus dem Chinesischen von Karin Betz Mit einem ausführlichen Glossar Wilhelm Heyne Verlag 816 Seiten E-Book: 11,99 € (im Shop)

Cixin Liu: Der dunkle Wald (Hörbuch) ∙ Gelesen von Mark Bremer Ungekürzte Lesung Gesamtspielzeit: ca. 21 Std. 55 Min. Random House Audio Hörbuch-Download: 9,95 € (im Shop)

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Blumen des Bösen

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Bei all dem aktuellen PC-Getöse um „representation“, „inclusion riders“ und ähnliche sicherlich wichtige, aber filmästhetisch eher irrelevante Sperenzchen tut es gut, ein aktuelles US-Studioprodukt zu sehen, das seine feministische Agenda (wenn es denn überhaupt eine hat) derart subtil und leise äußert wie Alex Garlands Auslöschung. Lose basierend auf James VanderMeers erstem Band seiner Southern Reach-Trilogie präsentiert Garlands zweites SF-Werk als Regisseur (nach Ex Machina) eine Gruppe von fünf Frauen – vier Wissenschaftlerinnen und eine Sanitäterin –, eine davon afro-, eine latino-amerikanisch, dazu noch lesbisch, und macht daraus kein Manifest. Vor diesem Hintergrund wirkt es völlig absurd, dass man Garland allen Ernstes vorwarf, mit der Besetzung von Natalie Portman in der Hauptrolle eine fiese Form von „whitewashing“ betrieben zu haben, da die im Roman namenlose Protagonistin einen asiatischen Hintergrund hat. Was allerdings erst im zweiten Band der Trilogie enthüllt wird, und Garland kannte laut eigener Aussage nur das erste Buch, nämlich Auslöschung. Das alles müsste man gar nicht erwähnen, wäre dies hier nicht ein besonders gelungenes Beispiel, um zu zeigen, dass jede Geschichte ihr eigenes Personal erschafft und verlangt. Und in VanderMeers zerebralem SF-Meisterstück besteht dieses eben (fast) ausschließlich aus Frauen. Punkt.

Anders als in der literarischen Vorlage bleiben die Damen hier jedoch nicht namenlos, auch ihre persönlichen Vorgeschichten fließen in die Geschichte ein, die in Garlands Version deutlich andere Schwerpunkte bedient als das Buch. Die Prämisse ist jedoch gleich: Ein nicht näher bezeichnetes „Ereignis“ hat ein Stück Land an der amerikanischen Küste in ein mysteriöses Areal mit membranartigen Grenzen verwandelt, die langsam aber stetig in alle Richtungen vorrücken. Expeditionen zur Erforschung dieser geheimnisvollen „Area X“  erbrachten keine nennenswerten Ergebnisse. Nun ist es an der von Portman dargestellten Biologin Lena und ihren Kolleginnen, in den „Shimmer“ (so heißt die Blase, die sich über das Land gelegt hat, in Garlands Filmversion) vorzudringen und die weitere Ausbreitung des Phänomens zu verhindern. Alle fünf sind „damaged goods“, wie eine von ihnen lakonisch konstatiert, und jede hat ihre ganz eigenen Beweggründe für die Teilnahme an der mutmaßlichen Selbstmordmission. In Portmans Fall ist dieser Grund ganz persönlicher Natur, denn ihr Ehemann Kane war ebenfalls im Shimmer unterwegs und kam seltsam verändert zurück – so verändert, dass er nun aufgrund multiplen Organversagens im Sterben liegt. Lenas Ausflug in die Area X ist also nicht nur wissenschaftliche Exkursion, sondern vielmehr eine Reise ins Herz ihrer ganz eigenen Finsternis.

Doch die ist alles andere als dunkel und bedrückend; mag Garland sich motivisch bei Tarkovskis zementartigem Klassiker Stalker bedienen, seine Area X erinnert in ihrer impressionistischen Schönheit eher an den schimmernden lebenden Ozean in Lems Solaris. Es ist eine entrückt verlockende Welt, die auf widernatürliche Art und Weise mutiert – unterschiedliche Spezies haben offenbar untereinander völlig unmögliche Kreuzungen vollzogen, Pflanzen nehmen die Form von Menschen an, Gebäude sind mit farbenfrohen karzinogenen Wucherungen überzogen. Wie durch ein Prisma fällt das Sonnenlicht auf diese fremde und gleichzeitig vertraute Erde, die voller Gefahren steckt. Bald werden ihre ersten mutierten Bewohner zu echten Gefahren für die fünf Frauen, und es beginnt ein existienzieller sowie auch ganz viszeraler Horror.

Garland bedient sich hier geschickt und geschmackvoll in VanderMeers Kuriositäten-Arsenal. Der prinzipiellen Unverfilmbarkeit der Romanvorlage stellt er klassisches amerikanisches Drehbuch-Knowhow entgegen, und das macht er durchaus solide. Mehr aber auch nicht, denn das Buch ist der klar schwächste Aspekt von Auslöschung. Ein bisschen Schema F hier, ein wenig Mutterschaftssymbolik dort und die übliche Psychologisierung, ohne die im amerikanischen Kino leider gar nichts geht. Dazu dann ein schwurbeliger Showdown inklusive vorhersehbarem Twist, und fertig ist der zwar überdurchschnittliche, aber auch immer etwas überbewertete Garland-Stoff – auch zu bewundern in seinen Drehbüchern zu Danny Boyles Sunshine oder The Beach. Wie schon Ex Machina ist Auslöschung lange nicht so klug, wie er gerne wäre. Da ist Garland als zeitgenössischer SF-Macher dann doch von wirklichen Experten sie Shane Carruth ziemlich weit entfernt. Dass seine aktuelle Produktion trotzdem sehenswert ist, liegt an seinem Gespür für Atmosphäre, dem extrem unaufgeregten Rhythmus, dem großartigen Produktionsdesign und vor allem der Sound- und Musikarchitektur von Geoff Barrow und Ben Salisbury. Jenseits gängiger SF-Standards erschaffen all diese Stilmittel in der Tat eine fremde Welt, die man in dieser Form noch nicht gesehen und gehört hat. Verstörend und unwiderstehlich zugleich zieht diese Area X den Zuschauer in ihren Bann und lässt sogar Natalie Portmans patentiertes Overacting oft vergessen. Auch das Creature Design und die Special Effects in einigen wohl dosiert eingesetzten Horrorpassagen machen Spaß und sind genuin creepy.

Am Ende ist Auslöschung ein ordentlich Stück Science-Fiction mit Abzügen in der Drehbuch-Note. Eine werkgetreue Adaption des VanderMeer-Stoffes war nicht zu erwarten, klar. Aber man wünscht sich doch, dass die eine oder andere kreative Volte des knappen Romans Eingang in die Filmversion gefunden hätte. Dann wäre Auslöschung eventuell mehr geworden als ein weiterer Hochglanz-Trip in die lauwarme SF-Welt des Alex Garland.

Auslöschung ist seit dem 12. März auf Netflix zu sehen.

Auslöschung• USA 2018 • Regie: Alex Garland • Darsteller: Natalie Portman, Oscar Isaac, Jennifer Jason Leigh, Gina Rodriguez, Tessa Thompson, Benedict Wong

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Manipulation am Betriebssystem des Menschen

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1997 kam ein Film in die Kinos, in dem ein Identitätswechsel durch Gesichtstransplantationen möglich wurde: „Face/Off – Im Körper des Feindes“ von John Woo. Für die Mitmenschen des Verbrechers Castor Troy (Nicolas Cage) und des FBI-Agenten Sean Archer (John Travolta) war nicht mehr erkennbar, wer der „echte“ und wer der „falsche“ Troy/Archer war. Was hat ein Action-Thriller aus dem vorigen Jahrhundert mit einem Roman aus dem letzten Jahr  gemeinsam? In beiden geht es um die Möglichkeiten (und Grenzen) der Wissenschaft bei der Formung des eigenen Körpers, der so individuell ist wie die eigene Persönlichkeit. In „Face/Off“ hätte vielleicht eine einfache Blutprobe Auskunft darüber geben können, wer Freund und wer Feind ist. Kenneth Durand kann in Daniel Suarez‘ „Bios“ nicht einmal auf die Aussagekraft einer DNA-Analyse bauen. Dem Interpol-Analytiker in der Abteilung „Genetic Crime Division“ passiert etwas, das selbst im Jahr 2045 als unmöglich gilt: in vivo Gen-Editing.

Durand und seine Kollegen sind spezialisiert darauf, unter Verwendung von Datenanalysen kriminelle Aktivitäten aufzuspüren und so versteckte Gen-Labore ausfindig zu machen. Obwohl eine UN-Konvention DNA-Modifikationen nur in einem begrenzten Rahmen erlaubt, boomt das Geschäft mit illegalen Eingriffen an Embryonen. Wer möchte nicht das klügste, sportlichste, oder schönste Kind haben? Neues Ziel für die GCD ist die Verbrecherorganisation Huli jing und ihr Anführer Marcus Demang Wyckes. Der lukrative Menschenhandel ermöglicht es dem Syndikat, unzählige DNA-Proben zu sammeln und für seine eigenen Labore zu nutzen. Durands Methoden sollen dabei helfen, Wyckes gefangen zu nehmen. Doch noch am selben Tag fällt der Ermittler einem Anschlag zum Opfer. Nach einem mehrwöchigen Koma erwacht er im Krankenhaus, hat jedoch eine beunruhigende Metamorphose durchgemacht: er wurde äußerlich zu Wyckes, steckt also im Körper des Feindes. Selbst die DNA-Proben weisen Durand als das berüchtigte Oberhaupt der Huli jing aus. Von nun an wird der Agent nicht nur von seinen eigenen Leuten gejagt, sondern auch von dem Syndikat. Wyckes‘ Plan? Er möchte Durands Leichnam als seinen eigenen ausgeben, um so Interpol zu täuschen und den Mann loszuwerden, der hunderte seiner Labors hat auffliegen lassen. Durand bleibt nur die Flucht. Gemeinsam mit dem unter Achondroplasie leidenden Untergrund-Genetiker Bryan Frey macht er sich daran, die Veränderung rückgängig zu machen und die Huli jing zu zerschlagen.

Schon in seinem Debütroman „Daemon“ befasste sich der US-Amerikaner Daniel Suarez mit realen Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten. Dieser Thematik bleibt sich der Softwaretechniker seitdem treu. In „Bios“ dominieren jedoch weniger die Verheißungen der IT, als die der Biologie. Dreh und Angelpunkt der Geschichte ist CRISPR/Cas9, eine auch als „Genschere“ bezeichnete Methode, die nicht nur in der Wissenschaft seit einigen Jahren für Furore sorgt. Das Verfahren bietet eine relativ einfache Möglichkeit, die DNA zu manipulieren. Erbkrankheiten könnten somit bald der Vergangenheit angehören, sofern die fehlerhaften Gensequenzen bei Embryonen durch eine gesunde ausgetauscht würden. In den USA gab es bereits den Versuch, eine erblich bedingte Herzkrankheit durch CRISPR zu „reparieren“: 72 Prozent der geneditierten Embryonen zeigten nach der Behandlung keine Spuren mehr von der Krankheit. Suarez geht in seinem neuen Roman einen Schritt weiter: Was wäre, wenn sich die Gene eines Erwachsenen so manipulieren ließen, dass sich dadurch sein äußeres Erscheinungsbild verändern würde? Die Angst vor einer Gesellschaft, in der die eigene Identität radikale Veränderungen zuläßt und Missbrauch Tür und Tor geöffnet werden, treibt seinen Held um.

Stilistisch wagt Suarez hingegen keine Experimente. Während CRISPR/Cas 9 und andere Technologien die Welt verändert haben, kommt seine Erzählung etwas altbacken daher. Nach einigen Kapiteln weiß der Leser ziemlich viel über den fiktiven Lauf der Geschichte, die zum status quo im Jahr 2045 geführt haben: wie und warum Singapur zum Hotspot der Gentechnik wurde, welche Folgen der Klimawandel hat, durch welche Technik das Smartphone abgelöst wurde, wieso Autokarosserien aus Chitin sind und wodurch sich „totfreies“ Fleisch auszeichnet. Auch wenn diese Erzählweise in Zeiten von rasant erzählten Thrillern etwas altmodisch wirkt, werden wissenschaftsaffine SF-Fans schon recht bald vom Geschehen in seinen Bann gezogen. Vor allem Suarez‘ Weltenbau kann auf ganzer Linie überzeugen, basieren doch viele seiner Spekulationen auf aktuellen Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Naturwissenschaften. Das Wall Street Journal geht sogar so weit, „Bios“ auf eine Stufe mit William Gibsons „Neuromancer“-Trilogie (im Shop) zu stellen. So wie Gibson mit seinem Werk den „Cyberpunk“ geprägt habe, könnte Suarez‘ „Bios“ den „Biopunk“ populär machen. Beim Kampf um die Krone des Subgenres hat sicherlich Genreliebling Paolo Bacigalupi (im Shop) noch ein Wörtchen mitzureden.

Daniel Suarez‘ „Bios“ ist ein spannender SF-Thriller und Pageturner, der sich mit den Hoffnungen und den Abgründen der modernen Gentechnik auseinander setzt. In seinen besten Momenten verneigt sich der US-Autor vor Aldous Huxleys „Schöne Neue Welt“, deren Realität nur einen Steinwurf von „seinem“ Jahr 2045 entfernt zu sein scheint, dem doch eine ganz eigener Horror inne wohnt.

Daniel Suarez: Bios• Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann • rororo, Hamburg, 2017 •  544 Seiten • 12,99 €

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Psi-Problemfamilie

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Der 1965 geborene Amerikaner Daryl Gregory veröffentlichte bereits 1990 erste Kurzgeschichten in bekannten Genre-Publikationen wie dem „Magazine of Fantasy & Science Fiction“. Darüber hinaus verfasste er den unbestreitbar coolen und innovativen Biopunk-Roman „Afterparty“ über Smart Drugs samt göttlicher Erleuchtung aus dem Chemjet-Drucker, die mit dem World Fantasy Award sowie dem Shirley Jackson Award ausgezeichnete Novelle „Uns geht’s allen total gut“ und Comics zu „Planet der Affen“. Ende Februar ist sein neuster Roman „Spoonbenders“ unter dem Titel „Die erstaunliche Familie Telemachus“ in der Übersetzung von Tobias Schnettler bei Bastei Lübbes Eichborn-Imprint auf Deutsch erschienen, und darin wird es ziemlich übersinnlich und hellsichtig.

Die titelgebende Familie des launigen Romans, der im Großraum Chicago der 90er zwischen AOL-Wurfsendungen mit Gratis-Internetstunden und Mikroleptonen-Kanonen angesiedelt ist, deckt drei Telemachus-Generationen mit ungewöhnlichen bis übernatürlichen Talenten ab. Doch nur weil man ein meisterhafter Trickbetrüger ist und das perfekte Pokerface hat, mit dem Geist schwindelerregende Astralreisen außerhalb des eigenen Körpers unternehmen kann, durch Visionen eine verstörendes Schlüssellochmosaik der Zukunft kennt und um jeden Preis ein großes Unglück abwinden will, als unfehlbarer menschlicher Lügendetektor eingesetzt werden kann, Dinge per Telekinese zu bewegen vermag oder als bester Spion aller Zeiten gilt, heißt das noch lange nicht, dass man keine Probleme hat. Im Gegenteil. Die Telemachus-Sippe hat sogar massig Probleme am Hals und im eigenen Haus, die unter anderem mit dem Kalten Krieg und den Geheimdiensten der Supermächte, einer Online-Fernbeziehung, Marihuana, schlechten Geschäftsideen und der brutalen Chicagoer Mafia zu tun haben …

„Die erstaunliche Familie Telemachus“ lebt zumindest in den ersten beiden Dritteln des Buches weniger von der eher überschaubaren Spannungskurve als viel mehr von den liebenswert schrulligen und oft überforderten Mitgliedern der Psi-Familie, die einem schnell sympathisch werden – und in den meisten Fällen ganz vertraute Sorgen haben, wenn es um die Liebe, das Glück oder das Geld geht. Außerdem springt Daryl Gregory von seiner Haupthandlung, die reihum von allen Familienangehörigen mit entsprechenden Perspektiven getragen wird, immer wieder in die Vergangenheit. Dort beleuchtet er die abrupt beendete Showkarriere der Familie und ihre Erfahrungen mit der Wissenschaft und der amerikanischen Regierung. Dass die gängigen Muster der schrägen literarischen Familiensaga durch übersinnliche Fähigkeiten aufgepeppt werden, kommt dem Roman ebenso zu Gute wie die gefällige Schreibe von Gregory, der an den richtigen Stellen Superhelden persifliert oder Kraftausdrücke verwendet.

Am Anfang des Romans ist man verständlicherweise skeptisch, was diese Telemachus-Nummer angeht, doch nach zwei, drei Dutzend Seiten versteht man, wieso noch vor Veröffentlichung des Werks im englischsprachigen Original eine TV-Serie durch u. a. Paramount auf den Weg gebracht wurde. Der gewiefte Teddy Telemachus und seine mal mehr, mal weniger begabten Kinder und Enkel würden sich bestimmt gut in der heutigen Fernsehlandschaft machen. Bis dahin kann man ihre verrückte Geschichte, die man auch ohne definitiven Pageturner-Faktor jederzeit gerne und vor allem voller Anteilnahme liest, im Hardcover, im E-Book und als Hörbuch goutieren.

Der Roman wurde vor gut vier Wochen auch für den Nebula Award nominiert.

Daryl Gregory: Die erstaunliche Familie Telemachus• Eichborn, Köln 2018 • 541 Seiten • Hardcover: 24,00 Euro

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Der Fluch der Pharaonen

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Selbst nach einem guten halben Jahr seit Release für PS4, Xbox One und PC beschleicht einen noch immer eine leichte Ungläubigkeit, wie es Assassin’s Creed Origins geschafft hat, die Reihe wieder aufzurichten. Denn trotz konstant hoher Qualität, die man den nicht mehr ganz so bejubelten Vorgängern Unity oder Syndicate beileibe nicht absprechen mag, war der Lack schon ein wenig ab. Zu lange hatten die Entwickler bekannte Schwächen wie das unhandliche Kampfsystem vernachlässigt und den einzelnen Ablegern mit einer überhasteten VÖ-Politik vor allem insgesamt zu wenig Zeit zur Reife eingeräumt. 

Doch Origins (sich anbietende Assoziationsspiele mit dem Titel mal in Kauf genommen) wurde zu eine Art verkapptem Neustart. Denn die Erlebnisse um Bayek von Siwa, der im alten Ägypten zusammen mit seiner Frau Aya den Orden der Assassinen gründet, schrauben den Epic-Faktor der Reihe vor allem in Sachen Umfang und Spielwelt auf ein neues Niveau. Eine so gigantische Spielwelt, die sich mit den DLCs sogar nochmal deutlich erweiterte, ohne völlig generisch zu wirken, hat die Reihe so noch nicht gesehen - auch in Sachen historischer Authentizität, wovon insbesondere der zweite DLC als umfangreiche Entdeckungstour im besten Sinne Zeugnis ablegt (hier nochmal unsere News dazu).

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Die nun kürzlich für PS4, Xbox One und PC erschiene dritte und letzte große Erweiterung namens Der Fluch der Pharaonen ist vielleicht die beste ihrer Art im gesamten Assassin’s Creed-Kosmos. Noch nie hat man für gut 20 Euro (oder ohne Extrakosten als Teil des Seasons Pass) mehr hochwertiges (DLC-)Spiel fürs Geld bekommen, wobei das Gameplay nicht nur mit purer Masse, sondern sogar mit verhältnismäßig viel Abwechslung und sogar ein wenig serieninterner Innovation begeistert.

Allein die Hauptquests der Storykampagne bieten locker um die 15 Stunden Spielspaß und eröffnen uns mehrere neue Gebiete um die Stadt Theben und das Tal der Könige herum. In den Gebieten tummeln sich wie gewohnt massig Zusatzaufgaben, neben altbekannten auch ein paar neue Gegner (sogar frische Phylakes als erneut optinale Herausforderungen) oder haufenweise Lager, die infiltriert und nach Schätzen abgesucht werden wollen. Sicher, das hat man alles schon oft genug gespielt, doch die Macher haben sich gerade bei den größeren Befestigungen deutlich Mühe gegeben, die Möglichkeiten zwischen offenem Angriff und Stealth so variabel wie möglich zu arrangieren, um nicht das Gefühl einer Wiederkehr des Gleichen akut aufkeimen zu lassen.

Die trotz des ägyptischen Wüstenflairs sehr beeindruckend und technisch gewohnt hochwertig präsentierten Areale laden mit ihrer Fülle nach den bisherigen Abenteuern von Bayek wieder zu stundenlangen Exkursionen ein. An Sandstränden entlangzureiten oder sich an mächtigen Bauten zu ergötzen, hat nach wie vor nichts an seinem (kontemplativen) Reiz verloren; zumal wir mit erhöhtem Maximalstufenlevel auch weiter zur Erfahrungspunkte- und Itemjagd motiviert werden, um unseren Helden weiter zu stärken. Dass Der Fluch der Pharaonen dazu auch neue Ausrüstungsgegenstände, Reittiere und ähnliche Goodies zu bieten hat, versteht sich dabei natürlich von selbst. 

Die im Vergleich zum Hauptspiel etwas kompaktere Dramaturgie kitzelt auch aus der Story des DLC noch mehr heraus. Diese dreht sich nun dezidiert um die ägyptische Mythologie und lässt mit einigen wiederauferstandenen Pharaonen sogar eine Prise Mystery zu. Neben der Welt der Lebenden verschlägt es Bayek über die Gräber der Pharaonen auch in Parallel- bzw. Totenwelten, in denen beispielsweise übergroße Skorpione, Anubiskrieger, Eulen mit Menschengesichtern und - besonders gelungen bzw. bei AC oft vermisst - richtige Bosskämpfe warten. 

Die fallen zwar taktisch durchaus anspruchsvoll aus, doch richtig schwer wird das Game auch an diesen Stellen angenehmerweise nicht. Haben wir die Pharaonen besiegt, gibt es deren Waffen als Belohnung, was etwa im Fall von Nofretete zwei giftige Dolche bedeutet, mit denen sich Gegner besonders elegant über den Jordan schicken lassen. Gerade weil die Totenreiche von einer eigenen Grundstimmung geprägt sind, hat man hier das Gefühl, etwas für die Reihe wirklich eigenes zu erleben - top!

Fazit

Der dritten Erweiterung von Assassin’s Creed Origins gelingt ein echtes Kunststück, nämlich selbst erfahrenen Spieler, die mit Bayek bereits alle bisherigen Abenteuer durchgestanden haben, erneut stundenlang vor den Bildschirm zu fesseln. Wieviele Titel können das bei 50 Stunden aufwärts schon von sich behaupten? Mit einigen frischen Ideen bei Story und Design setzt Der Fluch der Pharaonen geziekt neue Reize und bietet gleichzeitig auf hohem Niveau all die Zutaten, die Origins-Fans zu solchen gemacht haben.

Wer also bereits das Hauptspiel und die anderen Erweiterungen mochte, kann hier bedenkenlos zugreifen. Wer tatsächlich noch nicht in den Genuss von Origins gekommen ist, sollte am besten auf eine schicke Gesamtedition warten - dann aber unbedingt Urlaub einreichen, denn wochenlanger Spielspaß ist im Fall eines solchen Pakets eben kein floskelhafter Marketingspruch. 

Assassin’s Creed Origins • Ubisoft • Action-Adventure

Abb. © Ubisoft

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Machen wir Städte platt!

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Früher war alles einfacher. Wenn in einem typischen B-Western jemand einen schwarzen Hut trug wusste man: Das ist der Böse. Auch Narben oder sonstige äußerliche Zeichen waren in Hollywood-Filmen gern benutzte Marker, und Ausländer sowieso. Doch mit der zunehmenden Bedeutungen des internationalen Marktes muss man ein bisschen vorsichtiger sein, sonst macht man sich leicht wichtige Märkte kaputt. Und kaum ein Markt ist für große, teure Hollywood-Produktionen heutzutage wichtiger als der chinesische, der immer noch wächst und vor fünf Jahren Guillermo del Toros „Pacific Rim“ gerade so rettete. Während den Rest der Welt del Toros Roboter gegen Monster-Phantasie nur bedingt interessierte – vielleicht erinnerte das Konzept auch etwas zu sehr an Michael Bays Transformers-Exzesse – liebten die Chinesen den Film und machte die nun ins Kino kommende Fortsetzung erst möglich.

Regie führt nicht mehr del Toro sondern Steven S. DeKnight, der bislang nur fürs Fernsehen arbeitete, doch das sieht man „Pacific Rim Uprising“ nicht an. Und auch vom bemüht epischen Erzählen, wie es momentan der Standard für große teure Hollywood-Filme ist, die oft in jeder Hinsicht überladen sind, ist dieser kurze, knackige Film weit entfernt. Insgesamt 111 Minuten, doch ohne den ewig langen Abspann kaum 95. Dementsprechend rasant wird die rudimentäre Handlung abgespult, man könnte auch sagen: abgehakt. Nicht mehr Idris Elba und Charlie Hunman sind das gemischtrassige Duo, das anfängliche Streitigkeiten überwindet, um gemeinsam einen der hochhaushohen Roboter zu lenken, sondern John Boyega (Star Wars) und Scott Eastwood (Fast & Furious 8). Boyega soll dabei Elbas Sohn sein, aber das ist eigentlich egal, denn seine anfänglichen Aversionen, sich in den Dienst der guten Sache zu stellen sind – kaum angedeutet – auch schon wie weggewischt. Also wird er zum Trainer neuer Piloten, die bald dringend benötigt werden, denn neue Kaijus tauchen auf, mutmaßlich durch sinistre Chinesen auf die Erde gelockt, aber wie gesagt: „Pacific Rim Uprising“ schielt so sehr auf den chinesischen Markt wie kaum ein anderer Hollywood-Film…

Doch wer hier warum was tut ist noch egaler als die absurd umständlichen Handlungen der jüngsten „Transformers“-Filme, was zählt ist der Exzess. Und da lässt sich DeKnight wahrlich nicht lumpen und inszeniert Zerstörungsorgien, die selbst die in den jüngsten Marvel oder DC-Filmen übertrumpfen. Sorgen um mögliche zivile Opfer muss man sich aber nicht machen. Bevor etwa Tokio im finalen Duell praktisch komplett dem Erdboden gleich gemacht wird, heißt es aus der Kommandozentrale: „Sämtliche Bewohner haben sich in unterirdische Bunker in Sicherheit gebracht.“ Das beruhigt natürlich ungemein und so kann man sich ganz dem Bestaunen einer Gigantomanie hingeben, die in keinem Moment zu verhehlen versucht, dass es sich hier um einen B-Picture-Stoff handelt. Fast anachronistisch mutet das in einer Zeit an, in der fast jeder Superheldenfilm, fast jede Comicverfilmung den Anspruch zu haben scheint, etwas Substanzielles über den Zustand der Menschheit zu erzählen. „Pacific Rim Uprising“ will dagegen nur 95 Minuten Hochhäuser zerstören. Das ist zwar konsequent, aber am Ende auch etwas wenig.

„Pacific Rim Uprising“ startet am 22. März 2018.

Pacific Rim Uprising• USA 2018 • Regie: Steven S. DeKnight • Darsteller: John Boyega, Scott Eastwood, Rinko Kikuchi, Cailee Spaeny

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Carries Schwester aus dem hohen Norden!

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Auf dem ersten Blick möchte man meinen, eine Variante von Stephen Kings Roman „Carrie“, beziehungsweise dessen 1976 veröffentlichter, kongenialer Verfilmung von Brian De Palma, vor sich zu haben, denn der Plot geht so: Das schüchterne Landei Thelma lässt ihr hyperchristliches Elternhaus hinter sich, um in der Großstadt zu studieren, und wie jeder ordentliche Student weiß, ist das eigentlich Reizvolle am Studentenleben natürlich nicht die Studiererei, sondern Wein, Weib und Gesang. Und so wird das Mauerblümchen mit allerlei Verlockungen der gänzlich unchristlichen Art konfrontiert, am meisten bringen sie die aufkeimenden Gefühle für Mitstudentin Anja in einen inneren Konflikt, der durch die ständigen Kontrollanrufe der überbesorgten Eltern nicht gerade besser wird. Doch plötzlich wird Thelma von epilepsieartigen Anfällen heimgesucht, die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Als Aja plötzlich spurlos verschwindet, sucht Thelma Zuflucht bei den Erzeugern und entdeckt ein gut gehütetes Familiengeheimnis, offenbar verfügt das junge Mädchen über telekinetische Kräfte, die sich nun den Weg an die Oberfläche gebannt haben…

Auch wenn De Palmas Film unübersehbar seine Fußstapfen in Joachim Triers vierter Regie-Arbeit hinterlassen hat – in einer Szene gibt es eine deutliche, aber dennoch erfreulich subtile Hommage an das große Vorbild –, sondert sich Trier, ganz kühler Skandinavier, vom exaltierten Stil De Palmas völlig ab und fährt eine ganz andere Route. Er ist weniger interessiert an der fantastischen Komponente, sondern rückt gänzlich die sensibel erzählte Coming-Of-Age-Story einer jungen Frau in den Vordergrund, die zwischen religiöser Repression und den unzähligen Versprechen der ganz großen Freiheit zu sich selbst finden muss. Das wird von Newcomerin Eili Harboe absolut glänzend gespielt, Thelma wirkt tatsächlich so, als ob sie ihren Emotionen immer einen Schritt hinterherhinkt, und von Trier einfühlsam mit großen, symbolisch aufgeladenen Bildern inszeniert.

Als Charakterporträt funktioniert das Ganze über weite Teile sehr gut, der Punkt ist aber, dass „Thelma“ keinen wirklichen Punkt hat. So opulent und vielschichtig das Ganze auch daherkommt, Trier will ebenso einen Genrefilm abliefern, traut sich aber nicht die Karten auszuspielen, sondern verliert sich schlussendlich in einem überraschend konventionellen letzten Viertel, das mit einer enttäuschend banalen „Steh zu Dir!“-Message die Zuschauer nach Hause schickt und dessen Enthüllung der tragischen Vergangenheit der Protagonistin weiterhin nicht so ganz durchdacht wurde: Einerseits nehmen die Eltern als verknöcherte Religionsheinis durch die Bank weg den Part der Antagonisten ein, anderseits kann man zum Ende deren Sorgen, Nöte und auch Handeln durchaus verstehen, immerhin wurden die beiden mit einer Tochter gesegnet, die praktisch innerhalb eines Augenblinzelns Menschen verschwinden lassen kann – da muss es einem ja Angst und Bange werden!

Sicher, „Thelma“ ist trotzdem absolut sehenswert und wartet mit einer Reihe ikonischer Momente auf (besonders toll der Epilepsietest beim Arzt, eine Sequenz, die förmlich die Leinwand sprengt), aber er wirkt unrund und zudem ein wenig selbstgefällig, wie ein Genrefilm, der sich zu fein für einen Genrefilm ist.

Dass man einen Stoff dieser Art eleganter, schlüssiger und vor allem rotziger über die Bühne bringen kann, hat erst vor ein paar Monaten Julia Ducournaus ähnlicher, allerdings in der Horrorabteilung beheimateter, absolut famoser „Raw“ bewiesen, der bei uns gnadenlos direkt auf Scheibe verramscht wurde. Aber gut, zugegeben, angeknabberte Finger und pinkelnde Frauen sind nun mal nicht jedermanns Sache.

„Thelma“ startet am 22.03.2018 im Kino.

Thelma(Norwegen/Frankreich/Dänemark/Schweden 2017) • Regie: Joachim Trier • Darsteller: Eili Harboe, Kaya Wilkins, Henrik Rafaelsen, Ellen Dorrit Petersen, Anders Mossling, Vanessa Bogli, Steinar Klouman Hallert, Oskar Pask, Grethe Eltervåg

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Die Rückkehr der Titanen

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Normalerweise möchte man Formulierungen wie „nur für Fans geeignet“ am liebsten in die Phrasentonne treten, doch Omega Force und Koei Tecmo haben es mit der zweiten Versoftung zum Manga- bzw. Anime-Hit Attack on Titan(für PS4, Xbox One, Switch und PC) geschafft, diesem Satz eine geradezu lehrbuchhafte Bedeutung zu verleihen. Das hat gute wie schlechte Konsequenzen, denen wir an dieser Stelle ein wenig nachgehen wollen.

Der Vorgänger AOT: Wings of Freedom kam bei Kennern der Vorlage recht gut an. Das typische Postapokalypsen-Flair um eine Welt voller gefräßiger Riesen, vor denen sich eine ohnehin stark dezimierte menschliche Bevölkerung hinter turmhohen Stadtmauern verschanzt, übertrugen die Macher mit einem angenehm stimmigen Comic-Look und hielten sich auch inhaltlich weitgehend an die Vorlage. Leider krankte Wings of Freedom neben einer etwas kantigen bis detailarm kargen Spieloptik speziell an fehlender Abwechslung bei den Missionen und konnte so nicht komplett überzeugen.

Da aber speziell das dynamische Kampfsystem mit seinen teils irren Flugeinlagen zwischen mehreren Gegnern sehr kurzweilig ausfiel und daher richtig Spaß machte, erwarteten sicher nicht nur viele Fans mit ein wenig mehr Feinschliff beim Nachfolger ein richtig überzeugendes Endergebnis anstatt nur eine halbwegs befriedigende Adaption. Ein wesentlicher Verbesserungspunkt zeigt sich etwa bereits bei der Inszenierung, die wir nun aus der Sicht eines zuvor im umfangreichen Editor selbst zusammengebastelten Charakters erleben. Diese kleine Freiheit hat unter anderem zur Folge, dass die schicken Videosequenzen nun aus der Egoperspektive verfolgt werden und sogar Gliedmaßen unserer Figur in die Szenen hineinragen. Puristen freuen sich in den Filmchen über eine japanische Tonspur zu deutschen Untertiteln; wobei andere Sprachausgaben durchaus nicht geschadet hätten.

Die Story an sich fällt allerdings dramaturgisch etwas hakelig aus und vermischt seltsamerweise die erste und zweite Staffel der Serie zu einem Mix aus mehreren Highlights, die jedoch Nicht-Kenner kaum bis gar nicht in ihrer Wichtigkeit nachvollziehen können. Viele Infos und Hintergründe gibt es dazu nur in Form von Tagebüchern und ähnlich faden Medien. Hier schlägt der „Fans only“-Faktor mit am härtesten zu, da AOT 2 auf die Art wenig Lust macht, sich in die komplexe Welt einzuarbeiten. Wer sich also nicht auskennt, kommt auch nicht mithilfe des Games wirklich rein in den Kosmos und sollte sich lieber vorab über Charaktere wie Eren oder Misaka informieren, ehe es mit ihnen und den vielen anderen bekannten Streitern an die Verteidigung der restlichen Menschheit geht.

In den gut 12-15 Stunden geht es dann hauptsächlich darum, verschiedene Titanen in mehr oder weniger großer Anzahl in die Schranken zu weisen. Dazu bedienen wir uns verschiedener Waffen, Moves und diesmal sogar selbst gebauter Geschütztürme, um die Extremitäten unserer Feinde Stück für Stück zu filetieren. Typisch für AOT ist dabei das rauschhafte Freiheitsgefühl in den Kämpfen, wenn wir uns von einem Feind zum nächsten (aber auch durch Gebäudegassen und ähnliches) schwingen und das dank guter Steuerung sehr leicht von der Hand geht.

Nach ein paar Runden macht sich allerdings ein wenig Ernüchterung breit, denn es fehlt den Gefechten trotz vieler Moves (oder auch z.B. der Möglichkeit, die Titanen mit einer Netzkanone zu fangen) schlicht am nötigen Maß an Herausforderung. Selbst auf dem höchsten von drei wählbaren Schwierigkeitsgraden verkommt die Titanenjagd zur reinen Selbstbeweihräucherung, da die Kämpfe viel zu leicht sind. Die dummen und sehr statisch agierenden Titanen stellen zu selten eine ernsthafte Bedrohung dar. Da sich die Abläufe spätestens nach dem ersten Drittel außerdem endgültig zu stark wiederholen, geht die Spannung leider flöten.

Am Drumherum haben die Entwickler aber merklich geschraubt und das definitiv zum positiven. Mit gesammelten Materialien dürfen wir neue Waffen und Ausrüstungsgegenstände craften und in Gesprächen mit unseren Kameraden Beziehungen vertiefen. Letzteres hilft uns auch dabei, zusätzliche Fähigkeiten zu erwerben. Da die Dialoge insgesamt ordentlich geskriptet sind, kommt so durchaus zusätzliche Vorlagen-Atmosphäre auf.

Auch nicht schlecht: Wer zusammen mit einem Freund die gesamte Kampagne erleben will, hat bei AOT 2 on- wie offline die Chance dazu. Des Weiteren gibt es noch einen launigen Zusatzmodus, bei dem Teams aus jeweils maximal vier Teilnehmern beim fröhlichen Titanenkloppen gegeneinander auf Highscore-Jagd gehen. Besonderes Schmankerl dabei: Wir können unsere Kontrahenten mit Farbbeuteln traktieren. Unerwarteter, aber durchaus gelungener Multiplayer-Humor.

Fazit

Ähnlich wie der Vorgänger dürfte auch das zweite AOT bei der Zielgruppe trotz ähnlicher Schwächen auf Wohlgefallen stoßen. Atmosphäre und Stimmung der Vorlage werden wieder gut eingefangen und auch das dynamische (Flug-)Kampfsystem macht in Verbindung mit den verschiedenen Angriffsoptionen Spaß. Leider haben es die Macher versäumt, ihren Action-Titel storytechnisch auch nur ansatzweise für Neulinge zugänglich zu gestalten und dank der lahmen Gegner-KI werden sich selbst Narzissten vom Gameplay bald unterfordert fühlen. So bleibt unter dem Strich ein ähnliches Ergebnis wie beim Vorgänger. Wir sagten es ja schon: Nur für Fans.

Attack on Titan 2 • Omega Force/Koei Tecmo • Action

Abb. © Omega Force/Koei Tecmo

 

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Warm anziehen!

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Die letzte, 1845 gestartete Expedition des britischen Polarforschers Sir John Franklin hatte das Ziel, einen kürzeren Seeweg von Europa nach Asien zu finden. Zu diesem Zweck wollte man die Nordwestpassage in ost-westlicher Richtung durchsegeln und kartografisch erfassen. Doch die Forschungsreise endete katastrophal: Beide Schiffe, die HMS Terror und die HMS Erebus, wurden vom Eis eingeschlossen und erst 2014 und 2016 wieder aufgespürt, bis dahin fand man lediglich heraus, dass die komplette 129-köpfige Crew (inklusive Franklin) im Verlauf der Expedition ihr Leben lassen musste. An den genauen Ursachen arbeiten sich Forscher bis heute ab, ein mittlerweile bestätigtes, pikantes Detail ist, dass die noch lebenden Teilnehmer in der letzten Phase offenbar ihre toten Kameraden verspeisten.   

Das ist natürlich ein Stoff, aus dem Mythen gemacht werden und so wundert es kaum, dass die Franklin-Expedition mittlerweile in die Popkultur eingesickert ist und zahlreiche Bücher, Bilder und Musikstücke inspirierte. So auch Dan Simmons spannenden Roman „The Terror“ von 2007, der in den historischen Rahmen (so entsprechen etwa die im Buch auftauchenden Charaktere weitestgehend tatsächlich den realen Vorbildern) klassischen Monster-Horror einbettet, wobei das Monster nie die einzige Gefahr ist, denn wie wir ja alle wissen: Der größte Feind des Menschen ist der Mensch!

Eine TV-Adaption des Stoffs wurde bereits 2013 angekündigt und zwar vom Sender AMC, der seit Jahren mit „The Walking Dead“ Traumquoten einfährt und nun mit einer weiteren Horror-Serie nachlegen will. Das Erstaunliche aber: „The Terror“ steuert nicht nur in eine komplett andere Richtung als die Zombie-Soap, sondern grenzt sich auch generell von der Konkurrenz ab und entpuppt sich als reduzierte, gelegentlich fast schon kammerspielartige Schauermär, die sich sämtliche Taschenspielertricks (dutzende Plotstränge, Figuren, Rückblenden oder Randepisoden), die derzeit eine Menge Serien ungenießbar machen, spart. Anstatt dessen setzen die Macher selbstbewusst auf ein straffes, dicht gewebtes Skript von David Kajganich, der nicht nur Simmons Vorlage perfekt in die Bildschirm-Fassung gießt, sondern nach dem tollen „Blood Creek“ (2009) erneut gekonnt von Menschen in Ausnahmesituationen erzählt, was von einer wirklich großartig aufspielenden Schar von britischen Charakterköpfen (unter anderem Jared Harris, Tobias Menzies, Ciarán Hinds) mit viktorianischer Zurückhaltung auf das Wunderbarste fühlbar gemacht wird. Apropos „fühlbar gemacht“: Auch die komplett in einem ungarischen Studio gezauberte Illusion einer kargen, lebendfeindlichen, regelrecht außerweltlichen Eishölle wirkt, unterstützt vom tollen Sounddesign, absolut überzeugend: Man möchte schon nach kürzester Zeit die Heizung höher drehen!

Es ist natürlich immer etwas problematisch von vier vorab gezeigten Folgen auf das große Ganze zu schließen, das – absolut berechtigte – Selbstbewusstsein mit dem die Macher hier vorgehen, macht allerdings große Hoffnung auf den Rest, beziehungsweise auf einen der absoluten Serien-Highlights 2018! Wobei allerdings mehr als fraglich ist, ob „The Terror“ einen ähnlichen Hype wie „The Walking Dead“ entfachen wird, denn die Serie ist in ihrer Ausrichtung einfach zu erwachsen oder – böse formuliert – eine gewisse Konzentration von Seiten der Zuschauer ist durchaus erforderlich.

„The Terror“ ist ab dem 26.03.2018 auf Amazon Prima abrufbar (jede Woche eine Folge).

The Terror(USA 2018) • Regie: diverse • Darsteller: Jared Harris, Ciarán Hinds, Tobias Menzies, Christos Lawton, Matthew McNulty, Adam Nagaitis, Nive Nielsen, Paul Ready   

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Der Klang der Monster-Stille

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Seit fünfzehn Jahren beherrscht der amerikanische Comic-Schreiber Robert Kirkman (im Shop) mit seiner packenden Zombie-Seifenoper „The Walking Dead“ das postapokalyptische Genre, das er regelrecht revitalisierte. Jetzt startet „Oblivion Song“, die brandneue Science-Fiction-Panelserie des Erfolgsautors, und deutschsprachige Leser dürfen sich sogar besonders freuen: Während in den Staaten gerade mal ein Heft erschienen ist und das Tradepaperback erst im September aufschlägt, gibt’s im ersten deutschen Band bei Cross Cult gleich sechs Kapitel auf einen Schlag. 


Die deutsche Ausgabe

„Oblivion Song“ setzt zehn Jahre nach einem Ereignis ein, das als Transferenz bekannt wurde. Bei dieser Katastrophe tauschte ein ganzes Stadtgebiet von Philadelphia samt der Menschen darin den Platz mit der Materie – vor allem den Monstern – aus einer fremden Dimension. Die US-Regierung hat die Leute, die es nach Oblivion verschlug, nach all der Zeit abgeschrieben und will keine Mittel mehr für weitere Such- und Rettungsmissionen bereitstellen. Nur der getriebene Wissenschaftler Nathan Cole springt mithilfe eines Geräts an seinem Gürtel noch in die andere Welt, um mit Tarnumhang und Gewehr auf eigene Faust nach den gezeichneten Überlebenden zu suchen; und um sie unter Verwendung eines Mittels, das die Schwingung ihrer Moleküle korrigiert, wieder auf die Erde zurückzubringen. Seine Aufgabe ist Nathan nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil er und sein Bruder Ed im Streit auseinander gingen und Ed zu jenen gehört, die in die gefährliche Dimension der Monster gerissen wurden. Allerdings muss Nathan im ersten Band erkennen, dass nicht alle, die unfreiwillig nach Oblivion kamen, in ihre Heimat und ihr altes Leben zurückwollen … 


US-Heft #1

In den letzten Jahren wurde einiges über den Sehnsuchtsort Postapokalypse geschrieben – über den adrenalingetränkten Abenteuerspielplatz nach dem Ende der Zivilisation und die Chance, sich neu zu erfinden. In Robert Kirkmans multimedial erfolgreichem Genre-Hit „The Walking Dead“ ist das jedoch nur bedingt ein Thema. In „Oblivion Song“ hingegen scheint es, soweit man das nach diesem Auftaktband sagen kann, eine wichtige Triebkraft zu sein, obwohl bei Oblivion trotz der rauen, lebensfeindlichen Umgebung technisch gesehen nicht von einer Apokalypse oder Postapokalypse gesprochen werden kann. Dennoch gehören die ein, zwei ruhigen Momente, in denen man den titelgebendenOblivion Song vermittelt bekommt – den Klang einer urgewaltigen Welt ohne zivilisatorischen Lärm, die bei allem Schrecken eine eigene Schönheit und Stille besitzt –, sicherlich zu den hervorstechendsten Szenen im ersten Band. Ansonsten gelingt es Kirkman wieder einmal, Figuren mit glaubwürdigen Emotionen und Motivationen zu erschaffen, selbst wenn diese zunächst aus dem Charakterbaukasten stammen. Kirkman macht trotzdem was draus. Noch leidet man nicht auf dieselbe Weise mit Duncan und Co. wie mit Rick aus „The Walking Dead“ oder Mark aus „Invincible“, doch Kirkman hat ja gerade erst angefangen. Und obendrein Langzeitpläne: die ersten 12 US-Hefte sind im Kasten, wie der erfahrene Comic-Macher im Nachwort verrät, und spätestens bis Kapitel 30 will er die schon jetzt mehrgleisige Handlung überraschend verändert und erweitert haben.  


The Walking Dead #171. Cover: Lorenzo De Felici

Eine Überraschung war bereits jetzt der Zeichner des neuen Kirkman-Titels: Lorenzo De Felici ist kein etablierter Künstler; er ist nicht mal einer jener europäischen Zeichner, die in der amerikanischen Szene herumgekommen sind und sich ihre Sporen bei Superhelden aus der zweiten Reihe oder etwas ähnlichem verdient haben. Robert Kirkmans „Invincible“-Kumpel, der zukünftige „Amazing Spider-Man“-Zeichner Cory Walker, stolperte im Netz über den eher unbekannten Italiener, der den US-Lesern dann erst einmal dadurch vorgestellt werden musste, dass einen Monat lange alle Heftpublikationen von Kirkmans Skybound-Imprint beim Image Verlag mit Variant-Covern von De Felici herauskamen. Sein dynamisches Artwork lässt sich weder mit Charlie Adlards selten schönem, aber immer höchst effizientem Strich für „The Walking Dead“ oder mit Paul Azacetas atmosphärischen Bildern für „Outcast“ vergleichen. Doch auch De Felicis Artwork funktioniert: Nicht zu glatt, eine abwechslungsreiche Seitenaufteilung, gutes Storytelling, und seine Monster können mit denen von Guy Davis aus „B.U.A.P.“ mithalten. Die gut ausgewählten und eingesetzten Farbschemata von Koloristin Annalisa Leoni runden „Oblivion Song“ visuell gut ab. 

Ob aus dem Oblivion Song ein Ohrwurm wie „The Walking Dead“ wird, müssen die nächsten Bände und Jahre zeigen. Die Melodie und der Sound des neuen Kirkman gehen jedenfalls schon mal auf Anhieb gut rein.

Robert Kirkman, Lorenzo De Felici, Annalisa Leoni: Oblivion Song Bd. 1 • Cross Cult, Ludwigsburg 2018 • 144 Seiten • Hardcover: 22,00 Euro

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Serious Literature

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Um wirklich würdigen zu können, was dem russischen Literatur-Talent Dmitry Rus mit dem Auftakt seiner Lit-RPG-Reihe Play To Live (im Shop) gelungen ist, sollte man sich eine zunächst simple, aber durchaus weitreichende Frage stellen: Wie viele Romane, Filme oder Serien gibt es, die Gaming trotz dessen Popularität wirklich ernstnehmen? Also nicht nur als Beiwerk zur Motivation von Action oder einem damit verbundenen Clash zwischen Realität und Virtualität, sondern tatsächlich als Motiv mit intrinsischen Logiken und ganz eigenen Möglichkeiten.

Klar, viele Stories lassen gerne Realitätsebenen im virtuellen Raum verschwimmen und setzen dabei auf irgendeine Art moderner Technik, die dann zum Spiegelbild eines Unbehagens herangezogen wird. Man kann das auch Kulturkampf nennen. Am untersten Ende der Skala wabern billigste Gamer-Klischees in Form von Szenen, in denen vor allem Jugendliche gerne entrückt einen Ego-Shooter spielen, um so deren Empathielosigkeit in einer immer unsozialeren Gesellschaft anzudeuten.

In diesen und weiteren Fällen wird die Inszenierung von Gaming zur Repräsentation einer latenten Abwehrhaltung gegen eine Praktik, die viele in deren Vielfalt bis heute nicht wirklich verstehen oder verstehen wollen. Damit hat der Autor dieser Zeilen als lifelong Gamer auch kein Problem (mehr) und will diese Rezension auch nicht als larmoyante Anklage gegen digitalludische Ignoranz missverstanden wissen. Man muss sich nicht für Gaming interessieren – überhaupt nicht! Und natürlich gibt es kluge, in sich stimmige und eben nicht kulturell (rein) negativ behaftete Reflexionen innerhalb der Popkultur, die sich folglich auch nicht in das eben angerissene Spektrum einfügen. Aber es könnten definitiv mehr sein.

Und hier schließt sich der Kreis zu Dmitry Rus, denn ihm ist mit Play To Live ein Roman gelungen, der von der ersten bis zur letzten Seite sein Thema und dessen verschiedenartige Facetten in der Tat ernstnimmt – positiv wie negativ, sollte man hinzufügen. So stellt er auf über 400 Seiten wichtige gesellschaftspolitische Fragen und benutzt diese nicht als Feigenblatt für reißerische Fantasy-Action. Dabei geht er im Gegensatz zu anderen Autoren bei der Gewichtung einen eigenen Weg und lädt uns Leser fast den kompletten Roman über in eine virtuelle Spielwelt ein, ohne daraus (trotz des deutschen Zusatztitels) reflexhaft eine Flucht vor dem Abdriften in den Stumpfsinn zu gestalten.

Denn seine Hauptfigur Max erfährt gleich zu Beginn, dass sie unheilbar krank ist und nur noch wenige Monate zu leben hat. Mangels anderer Optionen beschließt er, sich mithilfe einer Kapsel, die den ganzen Körper umschließt und althergebrachte Controller oder VR-Brillen vergessen lässt, in die Welt des Fantasy-MMORPGs AlterWorld einzuklinken. Denn dort ist es bei allem Fun auch möglich, sich nach längerer Spielzeit in den sogenannten Perma-Modus zu begeben, in dem die Psyche des jeweiligen Spielers vollständig in einem Avatar aufgeht und so praktisch unsterblich wird. Eine Art Matrix für die interaktive Ewigkeit sozusagen.

Max lässt sein altes Leben schon nach wenigen Seiten hinter sich und arbeitet sich sukzessiv in die Regeln und Anforderungen seines neuen Lebens ein. Dazu gehören neben Quests und der Jagd nach Ausrüstung oder Geld auch neue Bekanntschaften zu anderen Spielern, die ihr jeweils eigenes Schicksal mit sich tragen. Schon bald entsteht so ein eigenes Sozialgefüge, bei dem verschiedene Interessen gegeneinander in Stellung gebracht werden und so die neue Welt trotz aller Fantasy immer mehr Züge der alten trägt. Als Max etwa versucht, das vom Spiel verhängte Rauchverbot mittels raffiniert hergestellter Zigaretten zu umgehen, wittern mehrere Fraktionen ein großes Geschäft und es droht ein regelrechter Handelskrieg. Aber auch privat greift das, was einem Perma-Spieler wie Max bald gar nicht mehr als solche erscheinen kann, nämlich die Realität, noch in sein Leben ein. Denn seine Freundin Taali möchte unbedingt ein Verbrechen an ihrer Schwester rächen, ehe sie selbst für immer in AlterWorld bleiben möchte und benötigt dazu Hilfe.

So entsteht ein Fluss an kleineren und größeren Abenteuern, Battles, Intrigen und Kuriositäten (man denke nur an digitale Begleiter oder Haustiere), der sich wie ein gutes Game ohne zu lange Pausen und Leerläufe konsumieren lässt. Denn auch das gehört zu einer literarisch guten Verarbeitung von Gaming: Lange Ladebildschirme oder fades Backtracking zu Händlern kann sich der Roman sparen, wohingegen er allerdings sehr genau über wichtige Komponenten wie die Bedeutung verschiedener Menüs für die in Play To Live entfaltete Charakterentwicklung sinnieren kann. Jede Aktion wird in ihrer Bedeutung für Max reflektiert. Welche Auswirkung hat das Annehmen einer vielleicht noch zu schwierigen Quest, die aber mit einer entsprechenden Belohnung lockt? Was bedeuten Allianzen und wie setzt man seine Ressourcen – auch mit Risiko – möglichst sinnvoll ein, wenn die eigene Existenz davon abhängt?

In der Motivierung solcher Aspekte liegt eine der größten Stärken des Romans, der aber auch ohne diese Metaebene dank seiner kurzweiligen Komposition und seiner zuweilen stark plotgetriebenen Erzählweise spannend ausfällt. Zwar weicht er nie von seinem Gerüst auch nur einen Millimeter ab und es macht schon deshalb Sinn, dass dem Text ein Glossar mit Erklärungen zu typischen Gamer-Begriffen wie Farmen, Raid oder Buffs beigefügt ist, doch Rus baut auch geschickt an einem Erzähl-Kosmos, den man sich nicht nur aufgrund des Fantasy-Settings vielleicht auch mal als kleines Game of Thrones vorstellen könnte.

Gerade in Form von Newsfeeds meldet sich auch die Realität immer wieder zu Wort und berichtet von Überlegungen einer staatlichen Kontrolle von AlterWorld ebenso wie von den damit verbundenen Abwägungen einer Gesellschaft, die zwar mit digitalisierten Gefangenen zwar ihre Gefängniskapazitäten erhöhen könnte, jedoch auch neue Formen des Verbrechens wachsen sieht. Und wenn Perma-Spieler wie Max plötzlich über die Möglichkeit von in AlterWorld geborenen Kindern und den Einfluss der natürlich allgegenwärtigen Admins nachdenken, wird überdeutlich, welche Möglichkeiten in diesem Lit-RPG noch schlummern.

Dabei ist es – wie immer bei Fragen nach dem Autor – letztlich völlig egal, ob Rus nun selbst jahrelang in MMORPGs abgetaucht ist oder nicht. Er hat verstanden, was man aus den Prinzipien einer virtuellen Spielwelt literarisch entwickeln kann, ohne sie einfach nur plakativ abzustempeln. Natürlich leidet Play To Live trotzdem am per se unbefriedigenden Gefühl, hier nur den Auftakt einer Serie zu erleben, die sich in ihrer Substanz hoffentlich noch weiter entwickelt und das eigene Potenzial nicht leichtfertig banalisiert im Sinne einer zu einseitigen Sicht auf Virtualität.

Aber bleiben wir positiv: Wer sich auf ein frisches Genre wie das hier vorliegende Lit-RPG einlassen und dabei angenehm unterhalten werden will, sollte Rus auch ohne Game-Affinität eine Chance geben. Ob daraus wirklich ein literarisch großes Ding wird, muss allerdings erst die Zukunft mit weiteren Bänden zeigen. Es wäre aber auch nicht das erste Mal, dass einer guten Beta eine Fortsetzung mit noch mehr Tiefgang sowie Reife im Umgang mit der eigenen (Spiel-)Mechanik folgen würde. Und das ist Rus nach diesem Start definitiv zuzutrauen.

Dmitry Rus: Play to Live – Gefangen im Perma-Effekt. Play to Live, Band 1 • Roman • Aus dem Amerikanischen von Christiansen & Plischke • Wilhelm Heyne Verlag, März 2018 • Paperback • 445 Seiten • € 12,99 • im Shop

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Das Ein-Körper-Problem

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Wir schreiben das Jahr 2088. Die ganze Welt ist von einem Netz aus Hologrammen überzogen. Die ganze Welt? Nein, hier und da gibt es noch weiße Flecken auf der holografischen Landkarte. Dennoch haben sich die Menschen an die entstandenen Scheinwelten gewöhnt. Es ist der ideale Zeitpunkt, um von der Bildfläche zu verschwinden und eine neue Identität anzunehmen. Vor diesem Hintergrund spielt Tom Hillenbrands Roman „Hologrammatica“, in dem es um nichts anderes geht als die Suche nach der Wahrheit in einer Gesellschaft, die ihre privatesten Geheimnisse gut zu hüten weiß.

Was macht einen guten Roman über die gar nicht so ferne Zukunft aus? Sympathische Helden? Konsequenter Weltenbau? Realistische Plots? In „Drohnenland“ zeigte Krimispezialist Hillenbrand („Teufelsfrucht“, „Gefährliche Empfehlung“), dass eine fesselnde Geschichte auf der ganzen Linie überzeugen muss und kann. Sowohl Krimi-, als auch Science-Fiction-Fans kamen vor vier Jahren nicht an Aart van der Westerhuizen vorbei, der als Europol-Hauptkommissar in Brüssel einen Mord aufklären muss, der in einem Überwachungsstaat eigentlich nicht möglich sein sollte. „Drohnenland“ brachte dem gebürtigen Hamburger gleich zwei Genrepreise ein: den Friedrich-Glauser-Preis der Krimiautorengruppe „Syndikat“ für den besten Roman und den Kurd Laßwitz-Preis für den besten deutschsprachigen SF-Roman. Kein Wunder, dass die Rufe nach einer Fortsetzung oder einem zweiten Science Fiction-Thriller aus seiner Feder nie verstummten. 

Hillebrands neuester Streich heißt „Hologrammatica“ und ist eindeutig keine Fortsetzung. Stattdessen ist er ein äußerst spannender Gegenentwurf zu „Drohnenland“. Sein neuer Held ist ein homosexueller Privatdetektiv mit einer Vorliebe für Jazz. Sein Auftrag führt ihn um den halben Globus: von London geht es nach Paris, von da nach Miami, schließlich sogar auf eine abgelegene unwirtliche Insel und ins All. Doch sein(e) Gegner scheinen immer einen Schritt voraus.

Galahad Singh verdingt sich als „Quästor“. Sein Spezialgebiet ist das Auffinden von verschwundenen Personen. Da Menschen wieder Wert auf ihre Privatsphäre legen und durch Hologramme ihr Äußeres beliebig verändern können, sind seine Fähigkeiten gefragt. Anders als zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist es in der vom Klimawandel gezeichneten Welt deutlich einfacher geworden, aus seinem bisherigen Leben auszusteigen. Neben den angesprochenen Holomasquen gibt es noch eine weitere Möglichkeit, unerkannt durch die Straßen zu spazieren: die Nutzung eines Klonkörpers. Wer sein Gehirn scannt und durch einen Quantencomputer ersetzt, kann es jederzeit kopieren und das so entstandene „Cogit“ in einen anderen, eigens dafür vorgesehenen Korpus („Gefäß“) transferieren. Wer sich hinter dem „Gefäß“ verbirgt, können die Mitmenschen nicht erkennen. Die Sache hat nur einen Haken: nach 21 Tagen muss das „Cogit“ zurück in den Stammkörper, sonst „crasht“ das Gehirn und die Person stirbt. Galahad muss für seinen neuesten Fall in jene Szene dieser „Quants“ genannten Menschen eintauchen. Er soll die Kryptoanalytikerin Juliette Perotte wiederfinden. Beruflich hat sie sich mit der Verschlüsselung der „Cogits“ auseinander gesetzt. Privat hat sie anscheinend nach einer Möglichkeit gesucht den „Braincrash“ zu verhindern. Wer das Geheimnis um die Verbindung von Körper und Geist knackt und dadurch das auch als „Ein-Körper-Problem“ bekannte „Déscartes-Rätsel“ löst, dem winkt am Ende vielleicht die Unsterblichkeit. Handelt es sich um einen Fall von Industriespionage oder steckt etwas anderes hinter Juliettes Verschwinden? Während Galahad ermittelt, erwacht auf einer verlassenen Krankenstation eine Frau. Sie hat keine Erinnerungen daran, wie sie dorthin gekommen ist, noch was sie da soll. Notizen verraten ihr, dass sie nicht zum ersten Mal gestorben und wieder erwacht ist. Doch was soll sie auf diesem rauen Eiland irgendwo im Nirgendwo?

Hologramme sind – das lässt der Titel richtig vermuten – die dominierende Technik dieses Fin de Sciècle. Hillenbrand beschreibt mit Wonne die abstrusen Züge, die dieser neu entstandene Jahrmarkt der Eitelkeiten angenommen hat und wie Galahad damit umgeht. Obwohl es für seine Arbeit erforderlich ist, einen Teil der künstlich erzeugten Realität auszublenden, ist die Konfrontation mit der realen Welt, dem „Naked Space“, fast schon schmerzhaft für ein Kind der 2050er Jahre wie ihn. Gleichzeitig ist es die perfekte Metapher für die buchstäblich „nackte Wahrheit“, die sich unter dem allzu schönen Schein verbirgt. Um Juliettes Aufenthaltsort zu lokalisieren, muss sich der Privatschnüffler nicht nur mit den sozialen und ethischen Abgründen der „Quants“ auseinander setzen, sondern auch mit einem Jahrzehnte zurückliegenden Ereignis: dem „Turing-Vorfall“ und das damit einhergehende Verbot jeglicher künstlichen Intelligenz. Denn schnell wird klar, dass Juliette bei ihren Forschungen Hilfe gehabt haben muss. Ob es sich bei dem Helfer jedoch um einen Menschen handelt, muss Galahad erst noch herausfinden.

Wie schon in „Drohnenland“ werden die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte behutsam eingestreut, sodass sich nach und nach ein komplettes Bild des Jahres 2088 und seiner Geschichte ergibt. Dabei gibt es auch die ein oder andere Parallele zwischen den Romanen, wie autonom fahrende Autos und den Bedeutungsverlust der USA. Auch „Hologrammatica“ besticht vor allem durch seinen Weltenbau. Die von Hillenbrand beschriebenen globalen Entwicklungen erscheinen logisch und in sich schlüssig. Der Weg, den die Menschheit heute eingeschlagen hat, scheint daher auf das eine oder andere Extrem heraus zu laufen: die totale Überwachung („Drohnenland“) oder der absolute Rückzug in private Scheinwelten mit der Aussicht auf ein unsterbliches Leben („Hologrammatica“). Rosige Aussichten für die Menschen sehen irgendwie anders aus…

„Hologrammatica“ ist nicht nur eine spannende, intelligente Auseinandersetzung mit moderner Technik und dem unausweichlich gewordenen Klimawandel, sondern auch ein durchaus verspielter Science Fiction-Roman, in dem Dicks „Jedermann-Anzug“, Asteroidenbergbau, Fahrstühle (!) ins All und Medizin auf Knopfdruck zum Alltag gehören. Wermutstropfen? Hillenbrand lässt Galahad zwar den Fall lösen, die Geschichte endet jedoch an einem Punkt, wo sie eigentlich erst richtig los gehen sollte. Fortsetzung folgt? Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.  

Dank „Drohnenland“ waren die Erwartungen an einen zweiten SF-Thriller von Tom Hillenbrand hoch, mit „Hologrammatica“ hat er sie alle übertroffen. Sein Roman sprüht voller phantastischer Ideen und brilliert in der Darstellung des Jahres 2088. Der Weg in den SF-Olymp ist ihm mit einem der besten SF-Erzählungen des noch jungen Jahres sicher. Bleibt nur noch eine Frage: Wann kommt die Verfilmung?

Fans sollten den eBook-Reader bereit halten: am 9. Mai erscheint mit der Kurzgeschichte „Crasher“ eine weitere Erzählung aus der Welt der Hologramme.

Tom Hillenbrand: Hologrammatica•  KiWi, Köln, 2018 •  560 Seiten • 12,00 €

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Can micromanagement save your life?

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Auch wenn der Soundtrack des Trailers (unten eingebettet) gute Laune suggerieren mag - die Bilder sprechen eine andere Sprache. Zurecht, denn der Survival-Simulator Symmetry aus dem Hause Sleepless Clinic zieht seine Spannung aus einer knackigen Spielmechanik, die nur Leben oder Sterben kennt. Der Storyrahmen des für PS4, Xbox One und PC erschienenen Titels ist schnell zusammengefasst: Nach einem Absturz auf einem fremden und unwirtlichen Planeten, ist eine mehrköpfige Crew unterschiedlicher Wissenschaftler und Astronauten ganz auf sich gestellt und muss versuchen, am Leben zu bleiben.

Dazu ist es nötig, sich mit der vor allem kalten Natur zu arrangieren und mithilfe verschiedener Optionen und Ressourcen unter Zeitdruck Grundbedürfnisse wie Hunger, Ruhe oder Wärme ausreichend zu befriedigen. Natürlich muss des Weiteren auch mithilfe von Bauteilern und Upgrades die Reparatur des Schiffs vorangehen, um den Planeten doch wieder verlassen zu können. Wir müssen dabei genau überlegen, wer etwa für die Zubereitung von Nahrung oder das Sammeln von Ressourcen zuständig ist und deshalb den Status unserer Charaktere stets im Auge behalten.

 

Sinkt bei einer Figur ein elementarer Wert zu stark ab, segnet sie das Zeitliche. Geschieht dies bei allen Figuren, ist das Spiel vorbei. Da ständig irgendetwas zu tun ist oder fehlt, erfordert Symmetry durchaus gute Nerven und etwas Durchhaltevermögen, da die Übersicht im Mikromanagement-Dschungel schon manchmal verloren gehen kann und dies von der Spielmechanik radikal bestraft wird. Auch die (zumindest per Controller) nicht immer ganz optimale Steuerung trägt ihren Teil zum Schwierigkeitsgrad bei.

Doch die Macher haben dennoch einen guten Job gemacht, da Symmetrie nie wirklich unfair wird und strategisch kluges Vorgehen auch mit einer unerwartet mysteriösen Story zusammenfällt. Der Planet hat nämlich seine so ganz eigenen Geheimnisse, die sich der Crew nach und nach eröffnen und mit einigen moralisch ambivalenten Entscheidungssituationen für zusätzliche Spannung sorgen. Ohne zuviel zu verraten: Das Game trägt nicht umsonst genau den Namen, den es hat.

Auch die schicke Vektorgrafik überzeugt und sorgt ohne technische Probleme für genügend Übersicht und Abwechslung. Die vielen Texte fügen sich ebenfalls dank guter Schreiber in die Gesamtatmosphäre optimal ein. Jedoch sollte man naturgemäß keine zu hohen Erwartungen an die Inszenierung anlegen. 

Fazit

Klar, es fällt Symmetry leider schwer, über mehrere Stunden eine konstant gute Balance zwischen Anspruch, Story und Dauer-Mikromanagement zu halten und wer zu häufig scheitert, hat sich am Setting wahrscheinlich auch bald sattgesehen. Aber zum überschaubaren Indie-Preis erhält man ein forderndes und gerade im Verbund aus Story und Spielmechanik unterhaltsames Survival-Game mit starkem Strategieeinschlag und eigenständigem Design. Wer allerdings momentan eher Lust auf einen gediegeneren Überlebenskampf auf einem fremden Planeten hat, ist mit dem jüngst veröffentlichten Städtebau-Simulator Surviving Mars (hier unsere damalige Preview) besser bedient.

Symmetry∙ Sleepless Clinic/IMGN.PRO ∙ Strategie/Survival-Simulation

Abb. © Sleepless Clinic/IMGN.PRO

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Wen könnte man sich besser für die Verfilmung des nostalgischen Popkultur-Romans „Ready Player One“ vorstellen, als Steven Spielberg, der als Regisseur und Produzent die Imagination ganzer Generationen prägte? Allein mit Figuren und Motiven seiner eigenen Filme könnte Spielberg die virtuellen Welten füllen, in denen die Figuren von Ernest Clines Bestseller weite Teile ihrer Zeit verbringen, doch dass er das nicht tut, dass er auch sonst nur sehr zurückhaltend Zitate und Verweise an die Popkultur einsetzt, macht eine der Qualitäten von „Ready Player One“ aus.

Der zudem einer der ganz wenigen Filme ist, bei dem der Einsatz von 3D Sinn macht: Nach wenigen Sekunden taucht die Hauptfigure Wade (Tye Sheridan) in die OASIS ein, eine vom Programmierer Halliday (Mark Rylance) geschaffene virtuelle Welt, in der in der Zukunft des Films gerade ärmere Menschen fast ihre gesamte Zeit verbringen. Nicht photorealistisch ist diese Welt, sie erinnert eher an Manga-Welten, in denen die Figuren sich betont coole Avatare zulegen und Dinge erleben, die ihnen in der wirklichen Welt unmöglich sind. Hier ist Wade nicht ein unscheinbarer junger Mann, der nach dem Tod der Eltern (ja, wir sind in einem Spielberg-Film), bei seiner Tante in einem futuristischen Trailer-Park lebt, sondern Parzival. So wie alle anderen Spieler der OASIS versucht auch Wade das Rätsel zu lösen, das Halliday mit seinem Tod der Welt hinterließ: Drei Aufgaben gilt es zu lösen, drei Schlüssel zu finden, der Sieger wird Herrscher über die OASIS, ein Preis, der auch finstere Gestalten anlockt. Vor allem Sorrento (Ben Mendelsohn), der mit seiner Firma Innovative Online Industries kurz I.O.I. die Welt beherrschen will, was unweigerlich an all die Tech-Bosse von Steve Jobs über Steve Bezos bis Mark Zuckerberg denken lässt.


Größenverhältnisse – Tye Sheridan und Olivia Cooke in „Ready Player One“

Das einmal mehr ein Hollywood-Produkt das sympathische Individuum gegen eine profitgierige Firma positioniert mag man ironisch finden, auch das Spielberg immer wieder die Botschaft seines Films einhämmert: Nur die Realität ist real! Was in einem Film, der sich so offensiv in virtuelle Welten stürzt, der gerade hier unfassbare Bilder auftürmt, während die Realität des Films eher blass und ja, ein wenig langweilig erscheint, besonders merkwürdig erscheint. Aber natürlich auch typisch Spielberg, dessen Held sich erst in der virtuellen Welt in seinen Schwarm Art3mis verliebt, bevor er ihr als reale Samantha (Olivia Cook) begegnet.

Doch so schlicht die Moral auch ist, so überwältigend sind die Bilderwelten, die Spielberg entwirft – wie gesagt nicht vollgestopft mit popkulturellen Referenzen, aber dennoch voll von hübschen Verweisen und Zitaten. Gerade das filmische Archiv von Warner Bros. (dem Produzenten des Films) stand dabei Pate, wesentlich häufiger als im Roman, was wohl auch dem schwierigen Prozess der Rechteklärung geschuldet ist. Aber wer wollte sich beschweren, wenn Parzival und seine Freunde sich in Raum 237 des Overlook Hotels wiederfinden, von King Kong bedroht werden oder mit dem Iron Giant kämpfen? All das inszeniert Spielberg mit einer Lust am Detail und vor allem einer solchen Übersicht in den zahlreichen Actionszene, die überdeutlich machen, welch brillanter, in den besten Momenten geradezu visionärer Regisseur der inzwischen 71jährige immer noch ist.

„Ready Player One“ startet am 5. April 2018 im Kino.

Ready Player One• USA 2018 • Regie: Steven Spielberg • Darsteller: Tye Sheridan, Olivia Cook, Mark Rylance, Ben Mendelsohn, Simon Pegg

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